Der Diktatur entronnen, entwickelte sich die junge westdeutsche Demokratie zu einem Gegenbild zum NS-Staat wie auch zum DDR-Regime. Dass dies glücken würde, war anfangs fraglich. Es gelang. Doch kein Erfolg ist von Dauer.
Dass sich Deutschland zu einer „geglückten Demokratie“ entwickeln würde, wie der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum noch im Jahr 2006 urteilte, musste nach dem Inferno des Zweiten Weltkrieges als gänzlich ungewiss gelten. „Das Aufregende an der Geschichte der Bundesrepublik ist“, befand Wolfrum, „dass die Katastrophe ausblieb und dass dieser Staat zu einer der stabilsten und angesehensten westlichen Demokratien geworden ist.“ Dieser Satz wurde geschrieben im schaudernden Gedenken an das Scheitern der Weimarer Republik, die ebenfalls nach einer Kriegsniederlage entstanden war. Aus ihr erhob sich die „charismatische Herrschaft“ Adolf Hitlers, dem die Deutschen zujubelten wie einem Heiland – und der sie in einen neuen Weltkrieg und zu einem nie dagewesenen Menschheitsverbrechen führen sollte. Noch 1955, zehn Jahre nach dem militärischen, politischen und moralischen Offenbarungseid, hielten 48 Prozent der Menschen in der US-Zone Hitler für den größten deutschen Staatsmann.