Ganz zufrieden mit der Tournee-Generalprobe in Engelberg zeigte sich der Wahl-Schwarzwälder Stephan Leyhe. Foto: Eibner

Die 71. Auflage der Vierschanzentournee könnte aus deutscher Sicht eine zähe Angelegenheit werden. Kann ein Schwarzwälder für die große Überraschung sorgen?

Ein Blick auf die derzeitige Weltcup-Reihenfolge lässt für die Traditionsveranstaltung, die am Mittwochnachmittag um 16.30 Uhr mit der Qualifikation in Oberstdorf startet, nichts Gutes ahnen. Karl Geiger Siebter, Pius Paschke Zehnter, Andreas Wellinger 13., Markus Eisenbichler 17., Constantin Schmid 24. – die Aussichten, dass es ausgerechnet zum Saisonhighlight bei den deutschen Adlern besser laufen sollte, sind nicht gerade rosig.

Stefan Horngacher zuversichtlich

Das weiß auch Bundestrainer Stefan Horngacher: "Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren zählen wir nach den bisherigen Leistungen im Weltcup nicht zu den absoluten Top-Favoriten." Er gibt sich nach den Trainingseindrücken der letzten Wochen jedoch "zuversichtlich, da die Formkurve unserer Aktiven nach oben zeigt".

Ein Blick in die Ergebnislisten der letzten Jahr könnte die Laune bei den DSV-Springern heben. Im letzten Jahr schrammten Karl Geiger und Markus Eisenbichler zwar knapp am Podium vorbei, aber davor stand immer mindestens ein Deutscher unter den Top 3, sei es Geiger gewesen, Eisenbichler – oder ein Wahl-Schwarzwälder: Stephan Leyhe! Der Hinterzartener in Diensten seines hessischen Stamm-Klubs SC Willingen erinnert sich gerne an das Jahr 2019. "Der überraschende dritte Platz 2019 war für mich bisher das schönste Erlebnis bei der Tournee", sagt der 30-Jährige, der nach wie vor von einer Wiederholung dieses unerwarteten Triumphs träumt.

Stolperstein Oberstdorf

Gleich die erste Station in Oberstdorf markiert dabei den größten Stolperstein. "Diese Schanze stellt mich vor die größten Herausforderungen", erklärt der derzeitige Weltcup-29. Auch die 67. Auflage der Tournee begann für Leyhe am 30. Dezember 2018 in Oberstdorf mit Platz 13 – und endete am 6. Januar 2019 für ihn auf dem dritten Gesamtrang.

Wenn also Oberstdorf einigermaßen heil überstanden ist, geht die Tournee für Leyhe erst richtig los. "In Garmisch komm ich dann ganz gut in Fahrt", hofft er bei der zweiten Station auf den Push nach vorn, der ihn über Innsbruck ("Die Schanze ist nicht einfach zu springen, aber ich mag sie im Winter lieber als im Sommer") zu seiner Lieblingsschanze führt. "Bischofshofen liegt mir gut. Darauf freue ich mich immer ganz besonders."

Die wildesten Geschichten

Vielleicht ist er ja dann tatsächlich die große Überraschung aus deutscher Sicht. Schließlich weiß Leyhe: "Die Tournee schreibt die wildesten Geschichten." Auch wenn er da eher an Janne Ahonen und Jakub Janda denkt, die 2005/2006 nach acht Springen punktgleich auf dem Siegerpodest standen. Oder an Sven Hannawald, dem er als Kind zugesehen hat, wie er 2002 als Erster den "Grand-Slam" – also Siege in allen vier Springen – geschafft hat. Und damit der letzte Deutsche war, der ganz oben auf dem Treppchen stand.

Das wird wohl auch in diesem Jahr so bleiben. Schließlich läuft es bei Vorspringer Karl Geiger sehr durchwachsen – oder "hakelig", wie er es nennt. "Letztes Jahr war die Ausgangssituation als Top-Favorit vor der Tournee für mich definitiv eine andere", blickt er ein Jahr zurück, als er als Weltcup-Führender in die Tournee ging. Und am Ende als enttäuschter Vierter bei der Siegerehrung zusehen musste. In der Top-Position "sind heuer die Konkurrenten. Trotzdem: Das Springen in Oberstdorf ist für mich generell etwas Besonderes. Ich verbinde so viele Emotionen und Erinnerungen an den Ort. Die Kulisse, die Stimmung, sind meiner Meinung nach in Oberstdorf immer am besten."

Bei Markus Eisenbichler leuchten die Augen

Nach den zuletzt gezeigten Leistungen hat auch Markus Eisenbichler nichts mit dem Ausgang der Tournee zu tun. Aber schließlich geht alles in Oberstdorf bei null los. "Beim Gedanken an die Tournee leuchten schon meine Augen", gibt der "Traditionsmensch" zu, der eigentlich schon davon träumt, den Schanzen-Vierkampf einmal zu gewinnen. "Wenn man die Tournee gewinnt, hat man einen Legendenstatus. Speziell als Deutscher. Es wird mal wieder Zeit, dass es einer von uns schafft."

Zusätzlicher Startplatz

Geschafft hat Bundestrainer Horngacher, dass sieben statt sechs Deutsche über den Bakken gehen. Denn Philipp Raimund wurde extra zum Continentalcup nach Ruka und Vikersund geschickt, um einen zusätzlichen Kontingentplatz zu erspringen – das hat er souverän geschafft und darf nun erstmals alle vier Springen mit dem Weltcup-Team bewältigen. "Das motiviert mich enorm!", sagt der 22-Jährige.

Fehlt nur noch das richtige Rezept, um die Extra-Portion Motivation zu nutzen, die die Fans in Oberstdorf und Garmisch mit ihrer frenetischen Anfeuerung entfachen. "Die Kunst ist es, die Spannung hochzuhalten, aber nicht in jeder Sekunde an die Tournee zu denken", weiß Stephan Leyhe. Damit das klappt, hat er seine optimale Ablenkung gefunden: "Ich lerne fürs Studium, um da eine gewisse Balance zu finden." Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.

DSV-Aufgebot

Bundestrainer Stefan Horngacher hat für die 71. Vierschanzentournee wenig überraschend sein Weltcupteam, bestehend aus Karl Geiger (SC Oberstdorf), Markus Eisenbichler (TSV Siegsdorf), Pius Paschke (WSV Kiefersfelden), Stephan Leyhe (Hinterzarten/SC Willingen), Constantin Schmid (WSV Oberaudorf) und Andreas Wellinger (SC Ruhpolding) nominiert. Dazu gesellt sich Philipp Raimund (SC Oberstdorf), der sich durch starke Leitungen beim Continentalcup im finnischen Ruka und im norwegischen Vikersund seinen zusätzlichen Quotenplatz ersprungen hat. Das Nachsehen haben wieder einmal David Siegel (Sulz-Dürrenmettstetten/SV Baiersbronn) als zweitbester Deutscher im Continentalcup und Luca Roth (SV Meßstetten), der in diesem Jahr wieder besser in Fahrt kommt und derzeit drittbester DSV-Athlet in der zweiten Skisprungliga ist.

Der Zeitplan

Oberstdorf (HS 137/ZDF/Eurosport)

Mittwoch, 28. Dezember

16.30 Uhr: Qualifikation

Donnerstag, 29. Dezember

16.30 Uhr: 1. Springen

Garmisch-Partenkirchen (HS 142/ARD/Eurosport)

Samstag, 31. Dezember

14.00 Uhr: Qualifikation

Sonntag, 01. Januar

14.00 Uhr: 2. Springen

Innsbruck (HS 130/ARD/Eurosport)

Dienstag, 03. Januar

13.30 Uhr: Qualifikation

Mittwoch, 04. Januar

13.30 Uhr: 3. Springen

Bischofshofen (HS 142/ZDF/Eurosport)

Donnerstag, 05. Januar

16.30 Uhr: Qualifikation

Freitag, 06. Januar

16.30 Uhr: 4. Springen