Omid Nouripour (Grüne) , Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP) und Saskia Esken (SPD) verkünden nach dem Koalitionsausschuss ihre Ergebnisse. Foto: dpa/Michael Kappeler

Am Tag nach der Einigung zwischen den Koalitionspartnern kann die Bundesregierung auf viele Fragen zum 65-Milliarden-Euro-Paket noch keine Antwort geben. Das ist bisher bekannt.

Um Verständnis und Geduld hat der Regierungssprecher am Montag in der Bundespressekonferenz gleich zu Beginn gebeten. Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom Wochenende müssten nun erst in den einzelnen Ministerien begutachtet und in konkrete Gesetzentwürfe gegossen werden, so Steffen Hebestreit, weshalb sich viele offene Fragen noch nicht seriös beantworten ließen. Und davon gibt es eine Menge.

Der Beitrag der Länder

Die 65 Milliarden Euro, um die die Bürgerinnen und Bürger entlastet werden sollen, sind Finanzminister Christian Lindner (FDP) zufolge zwar nur eine „konservative Schätzung“ und könnten sogar übertroffen werden. Zugleich aber ist ein nicht geringer Teil der Finanzierung noch ungeklärt, weil sie an den Bundesländern hängt. Das ist etwa beim deutlich teureren Nachfolger für das 9-Euro-Ticket der Fall. Der Bund ist nur dann bereit, „den Ländern für ein bundesweites Nahverkehrsticket jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen“, wie es in dem Beschlusspapier vom Sonntag heißt.

Weil die darin enthaltenen Steuerentlastungen sich auch direkt in den Landes- und Kommunalhaushalten niederschlagen, erschallte aus dem Lager der Regierungschefinnen und –chefs sofort der Ruf nach einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz. Sie sind wenig begeistert, dass die Ampelkoalition in der Entlastung zwar „eine gesamtstaatliche Aufgabe“ sieht, die Grundsatzentscheidungen aber nur zwischen SPD, Grünen und FDP im Bund getroffen wurden. Nun ist Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Verhandlungen bereit. Die Terminsuche habe bereits begonnen, erklärte sein Sprecher Hebestreit.

Die Höhe der Steuerentlastung

Unklar ist auch der Umfang, in dem die kalte Progression zum Jahreswechsel für 48 Millionen Steuerpflichtige abgebaut wird. Die Koalition will verhindern, dass Lohnerhöhungen, die nur die Inflation ausgleichen und nicht zu Kaufkraftsteigerungen führen, in höhere Steuertarife münden. Aus einer Berechnung seines Ministeriums hat Lindner zwar schon verlauten lassen, dass eine vierköpfige Familie mit einem Einkommen von 31000 Euro um 1500 Euro und eine mit 66000 Euro um 1000 Euro entlastet wird. Veröffentlicht wurde die Tabelle, auf die auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) Bezug nahm, jedoch nicht. Und Regierungssprecher Hebestreit erklärte, die Zahlen seien noch „mit Vorsicht zu genießen“, obwohl in den Ministerien bereits Vorarbeiten geleistet worden seien.

In der Natur der Sache liegt es, dass die Regierung noch keine Details zu Bonuszahlungen durch die Arbeitgeber nennen kann. Scholz will die Wirtschaft im Zuge seiner „konzertierten Aktion“ zu solchen Zahlungen animieren. Die Koalition hat beschlossen, bis zu 3000 Euro davon steuerfrei zu stellen. Aber natürlich hängt es dann an der einzelnen Firma. Zudem gibt es noch keine Aussage dazu, ob der Freibetrag bereits in diesem oder erst im nächsten Steuerjahr geltend gemacht werden kann.

Der Weg der Direktzahlungen

Was direkte Zahlungen anbelangt, hatte die Ampel bisher die gut 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner nicht bedacht. Nun sollen auch sie zum 1. Dezember einmalig 300 Euro als so genannte Energiepreispauschale bekommen. Diesen Betrag müssen die Älteren versteuern. Auch will die Ampel vermeiden, dass es zu Doppelzahlungen kommt. Das ist durchaus kein seltenes Phänomen. Denn Millionen Rentner und vor allem Rentnerinnen bekommen zwei Zahlungen: die eigene Rente sowie eine Hinterbliebenenrente von ihrem verstorbenen Ehepartner. Die 300 Euro gibt es aber nicht auf beide Renten, sondern nur einmal. Technisch dürfte es für die Rentenkasse machbar sein, die Doppelzahlung zu vermeiden. Sie hat ja Angaben dazu, wer welche Rente oder Renten bekommt, weil sie diese jeden Monat an die Empfänger überweist.

Offen ist aber ein gravierender Punkt. Was ist, wenn ein Rentner nebenher erwerbstätig ist und über seinen Job eine Entlastung bekommt? Steht ihm die Zahlung seitens der Rentenkasse dann zu oder nicht? Dies muss die Koalition noch klären. Denn sie erlaubt es ja im dritten Entlastungspaket den Firmen, ihnen Beschäftigten angesichts der hohen Lebenshaltungskosten bis zu 3000 Euro extra zu zahlen, ohne dass darauf Steuer oder Sozialabgaben fällig werden. Geht ein Unternehmen diesen Weg, würden davon auch Rentner profitieren, die dort arbeiten.

Die Einbeziehung der Landespensionäre

Insgesamt sollen die Rentner nach Aussagen der Ampelkoalitionäre um brutto sechs Milliarden Euro entlastet werden. Fest steht zudem, dass der Bund seinen etwa 600 000 Ruhestands-Beamten die 300 Euro zahlt. So setzt er die Länder faktisch unter Druck, dies auch für pensionierte Landesbeamten zu tun. Das sind etwa eine Million Personen, dazu kommen bei den Kommunen 135000 so genannte Versorgungsempfänger. Die baden-württembergische Landesregierung hat nach Angaben des Finanzministeriums noch nicht entschieden, ob die Versorgungsempfänger im Südwesten die 300 Euro oder eine andere Summe erhalten. Im Land gibt es etwa 140 000 pensionierte Beamte.

Das Bürgergeld für Kinder und Jugendliche

Schon lange vor den Beratungen zum dritten Entlastungspaket hatte die Ampel beschlossen, dass 2023 ein Bürgergeld das bisherige Hartz IV-System ablöst. Dabei steigt die Zahlung für einen Erwachsenen auf etwa 500 Euro im Monat an, die Kosten der Wohnung und der Heizung sowie für andere Bedarfe werden weiter vom Jobcenter und von den Kommunen übernommen. Die Summe von 500 Euro bezieht sich auf einen Erwachsenen (bisher: 449 Euro). Es ist klar, dass dann auch die Zahlungen für Kinder und Jugendliche angehoben werden, die ab 2023 im Bürgergeld sind. Dafür stehen die Beträge aber noch nicht fest, so dass auch offen ist, welche Mehrausgaben der Bund beim Übergang von Hartz IV aufs Bürgergeld hat.

Wie die Studierenden 200 Euro erhalten

Studierende und Fachschüler sollen einmalig 200 Euro erhalten, doch nun muss erst mit den Ländern erörtert werden, wie die Auszahlung funktionieren soll. Es stellt sich etwa die Frage, ob die Hochschulen das Geld direkt überweisen – und ob sie das aus Datenschutzsicht überhaupt dürften. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, begrüßt die angekündigte Zahlung als „erstes wichtiges Signal der gesellschaftlichen Solidarität“. Man sei „offen für Gespräche“ mit dem Bildungsministerium über die Auszahlung, die Hochschulen würden dafür „gerne das ihnen Mögliche“ tun. Es gebe jedoch noch „verschiedene rechtliche und logistische Fragen, die in der Umsetzung teils noch gesetzlich abzusichern sind.“ Der HRK-Präsident geht davon aus, dass alle in Deutschland eingeschriebenen Studierenden die 200 Euro erhalten sollen. Das würde auch ausländische und duale Studierende umfassen. Zuvor hatte das Deutsche Studentenwerk die Zahlung begrüßt und gefordert, sie müsse „möglichst rasch“ auf den Konten der Studierenden ankommen: „Studienabbrüche aus Geldmangel kann sich auch unsere Gesellschaft nicht leisten.“