80 Mitarbeiter arbeiten im Beschwerdemanagement bei der Bahn. Sie sind auf sechs Standorte in der ganzen Republik verteilt und kommen im Jahr auf etwa 600.000 Kundenkontakte. Foto: dpa

180 Mitarbeiter arbeiten im Beschwerdemanagement bei der Bahn. Sie sind auf sechs Standorte in der ganzen Republik verteilt und kommen im Jahr auf etwa 600.000 Kundenkontakte. Stuttgarts OB Kuhn fragt: Hat die Bahn in Stuttgart genug Mitarbeiter?

Stuttgart/Berlin - Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat angesichts des Stellwerk-Desasters in Mainz von der Bahn eine „verbindliche Zusage“ über „einen reibungslosen Zugverkehr“ im Bahnknoten Stuttgart gefordert. In Mainz fehlen urlaubs- und krankheitsbedingt so viele Fahrdienstleiter, dass der Bahnhof zeitweise nicht mehr angefahren werden kann. Eine derartige Situation wolle er hier nicht erleben, die Pendler hier seien bereits durch ständige Verspätungen und Ausfälle der S-Bahn geschädigt. In Stuttgart gebe es „aktuell keine Probleme, wir tun alles dafür, dass wir keine bekommen“, so eine Konzernsprecherin.

180 Mitarbeiter arbeiten im Beschwerdemanagement bei der Bahn. Welche Erfahrungen sie tagtäglich machen und was unsere Leser zu berichten haben: Lesen Sie weiter.

Wer sich bei der Bahn beschweren will, der muss dafür auch noch bezahlen. Die Beschwerdehotline kostet den empörten DB-Kunden 20 Cent je Anruf. Dafür ist aber auch dafür gesorgt, dass rund um die Uhr ein Gesprächspartner zur Verfügung steht.

Im Bahn-Callcenter in Hamm in Westfalen klingelt um 17.14 Uhr das Telefon. Die Stimme des männlichen Anrufers klingt bereits zu Beginn des Gespräches gereizt. „Hören Sie mal“, legt er los, „ich habe langsam die Schnauze voll. Jedes Mal, wenn ich in Köln in den ICE nach Berlin steige, gibt’ s ein Problem mit dem Bordbistro. Mal gibt es kein kaltes Bier mehr, mal ist die Kaffeemaschine kaputt, diesmal war das Bistro ganz zu. Der Schaffner zuckte nur mit den Achseln und meinte, vielleicht steigt in Hannover noch ein Team zu.“

Die große Masse ist im Nahverkehr unterwegs

Geduldig hört sich die Frau des DB-Kundendialogs die Geschichte an, einmal wirft sie ein „Verstehe“ ein.Und als die Beschwerde komplett vorgetragen ist, erklärt sie, dass sie seinen Ärger nachvollziehen könne. Sie entschuldigt sich im Namen der Deutschen Bahn für seine Unannehmlichkeiten und macht ihm dann ein Angebot zur Einigung in Güte. Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Entschädigung habe er zwar nicht. Aus Kulanzgründen gebe ihm die Bahn aber einen Reisegutschein über fünf Euro, einzulösen bei jedem Fahrkartenschalter. Das ist mehr, als der Kunde erhofft hatte. Es folgt ein höflicher Abschiedsgruß.

Es läuft nicht immer so harmonisch, wenn es Zoff gibt. 5,5 Millionen Kunden sind Tag für Tag mit den Zügen der Bahn unterwegs, 340.000 im Fernverkehr, der Rest, die große Masse im Nahverkehr. Da läuft immer wieder etwas schief, Züge fallen aus, Pendler verpassen wegen Zugverspätungen ihre Anschlüsse und haben daraus Nachteile im Job. Mal ist es zu warm im Zug, mal zu kalt. Schranken an Bahnübergängen öffnen sich zu spät, so dass Schulklassen erst auf den Bahnsteig gelangen, wenn ihr Zug schon wieder abgefahren ist.

Bei den sozialen Netzwerken möglichst „in Echtzeit“ antworten

Etwa 180 Mitarbeiter sind bei der Bahn damit beschäftigt, die Beschwerden über verspätete Züge und Komfortmängel entgegenzunehmen. Die Ansprüche auf Entschädigung bei Zugausfällen und Verspätungen werden ebenfalls über sie abgewickelt. Im Jahr kommen die Mitarbeiter so auf rund 600.000 Kundenkontakte. Die Bahn hat sechs Kanäle eingerichtet, über die sie die Sorgen der Kunden entgegennimmt: Per Brief, Fax, Anruf und Mail. Seit 2011 ist die Bahn auch über Kurznachrichtendienste oder die sozialen Netzwerke erreichbar: Es darf also getwittert und gefacebookt werden. Dabei haben verärgerte Bahnkunden bei Twitter und Facebook gute Chancen, besonders schnell Gehör zu finden: Konzernchef Rüdiger Grube liegt der moderne Kundendialog nämlich sehr am Herzen, hört man. Bahnintern gilt die Ansage, dass bei den sozialen Netzwerken möglichst „in Echtzeit“ geantwortet werden muss.

Mitarbeiter müssen sich täglich anblaffen lassen

Das Bahn-Management räumt professionellem und schnellem Beschwerdemanagement hohe Priorität ein. Am Telefon in den sechs Standorten des Kundendialogs sitzen eigens geschulte Mitarbeiter. Sie haben Zugang zum internen Informationssystem und können auch über recht lange Zeiträume zurückverfolgen, ob die Angaben des erbosten Bahnfahrers, der sich darüber beschwert, dass der Regionalexpress von Stuttgart nach Tübingen wieder einmal viel zu spät fuhr, plausibel sind.

Ein erfahrener Mitarbeiter aus dem DB-Dialog-Team berichtet: „Für viele Bahnkunden ist das Wichtigste, dass sie Gehör finden. Sie dürfen nicht das Gefühl bekommen, dass sie in den Wald hineinrufen und kein Mensch reagiert.“ Meistens, aber eben nicht immer gelinge es, „die Beschwerdeführer irgendwie wieder einzufangen“.

Für die Mitarbeiter im Beschwerdemanagement ist es ein Knochenjob, so gut wie jeden Tag müssen sie sich anblaffen lassen. Die Bahn ist gesellschaftlich so etwas wie ein bad boy (engl.: schlimmer Junge) für alle. Sie hat die Rolle einer kollektiven Schwiegermutter. Bahn ist eben ein Thema, bei dem so gut wie jeder Bundesbürger meint, sich auszukennen. Vielleicht wird deswegen so viel geschimpft auf den schienengebundenen Verkehr und die dort beschäftigten Mitarbeiter. Wobei das Niveau der Kritik und Anmerkungen sinkt, je anonymer sie vorgebracht werden können. „Per Brief ist der Ton meistens in Ordnung, bodenlos und beleidigend, ja geradezu ausfallend wird es häufig, wenn die Beschwerde per Mail oder über soziale Netzwerke kommt.“

Lob gibt es durchaus - wenn auch selten

Aber es gibt auch Lichtblicke. Wenn man dem Kunden weiterhelfen könne, sei die Arbeit befriedigend. Ein Fall aus der Praxis: Per Handy aus dem ICE von Berlin nach Hannover meldet sich ein Fahrgast. Er beschwert sich über „untragbare hygienische Zustände“ auf den Bordtoiletten. Seitdem es mobile Putzkolonnen gibt, muss der Anrufer nicht mehr nur vertröstet werden. Ihm wird gesagt: In Hannover steige eine Einsatztruppe ein.

Auch Lob kommt vor. Zwar nicht häufig, aber wenn gelobt wird, dann hebt es schon einmal die Moral der ganzen Truppe. Vielleicht das schönste Lob der jüngeren Geschichte kam per Mail und begann wie eine ganz normale Beschwerde. Der Zusender wollte wissen, wer an einem bestimmten Tag und Ort zur angegebenen Uhrzeit die Reservierung für einen Zug ausgestellt hat. Um dann in den folgenden Passagen seine größte Dankbarkeit auszudrücken: So habe er nämlich die wunderbare Bekanntschaft einer jungen Dame gemacht, die er vor kurzem geheiratete habe.