Einstige Tänzer des Stuttgarter Balletts sind weltweit als Direktoren begehrt. Wir haben sie nach ihren Stuttgarter Wurzeln gefragt – heute: Christian Spuck, Direktor des Ballett Zürich.
Stuttgart - Von Montréal bis Seoul, von Hannover bis Ljubljana: Viele ehemalige Tänzer und Tänzerinnen des Stuttgarter Balletts sind heute als Ballettdirektoren erfolgreich. Zum 60-Jahr-Jubiläum des Stuttgarter Balletts haben wir bei diesen Erben John Crankos nachgefragt, was sie bis heute mit dem Stuttgarter Ballett verbindet – heute bei Christian Spuck. 1995 kam er nach Abschluss der Cranko-Schule als Tänzer in die Kompanie, schuf 1996 seine erstes eigenes Ballett und wurde 2001 zum Haus-Choreografen ernannt.
Was haben Sie vom Stuttgarter Ballett mitgenommen, das Ihnen bis heute hilft?
Als Tänzer durfte ich Crankos große Handlungsballette aus der Gruppe heraus studieren und habe so gelernt, wie gute Dramaturgie funktioniert. Auch wie man mit zu wenig Probezeit produziert und wie man als Direktor jungen Choreografen ein vertrauensvoller Ansprechpartner ist, habe ich mitgenommen.
Ihre Lieblingsrolle als Tänzer?
Am schönsten war es, wenn ich für zeitgenössische Stücke besetzt war wie die „Love Songs“ oder „Approximate Sonata“ von William Forsythe.
Ein Stück, das Sie gern choreografiert hätten, aber nie durften?
Zu allem, was ich vorgeschlagen habe, hat Reid Anderson gesagt: Mach, das kriegen wir hin. Ich hatte immer freie Hand.
Ein Stuttgarter Stück, das Ihnen neue Perspektiven eröffnet hat?
Was mich am meisten in Stuttgart beeindruckt hat, war die Arbeit von Marco Goecke. Die war jedes Mal aufregend! Deshalb habe ich ihn auch als ersten nach Zürich geholt.
Was vermissen Sie im Stuttgarter Repertoire?
Große Stücke von Mats Ek oder Forsythe vielleicht. Aber wichtiger war, dass Reid Anderson stets auf der Suche nach jungen Choreografen war und Künstler wie Wayne McGregor für klassische Ballettkompanien entdeckt hat.
Um was beneiden Sie das Stuttgarter Ballett besonders?
Um die Möglichkeit, wie hier mit dem choreografischen Erbe gearbeitet werden kann. Es ist gesetzt, auch in schwierigen Zeiten. So entsteht eine Kontinuität und ein Bewusstsein für diese Tradition.
Ohne das Stuttgarter Ballett wäre…
....mein Leben komplett anders verlaufen.
Tänzer, Choreograf, Ballettdirektor: Christian Spuck
Christian Spuck wurde 1969 in Marburg in eine musikalische Familie hineingeboren. Abitur und Zivildienst standen vor der Ballettausbildung, sodass er als junger Mann zwischen Jugendlichen die Cranko-Schule in Stuttgart durchlief. 1995 war er der letzte Tänzer, den Marcia Haydée engagierte – und stand 1996 auf der Streichliste von Reid Anderson. Dass er bleiben durfte, hat er engagierten Ballettmeistern zu verdanken, die sein choreografisches Talent erkannt hatten. 1996 gibt er bei einem Noverre-Abend sein Debüt als Choreograf, 2001 wird er Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts. Seit 2012 ist er Ballettdirektor in Zürich. In der Stuttgarter Tradition hat er Handlungsballette wie „Lulu“, „Der Sandmann“, „Woyzeck“ oder „Poppea//Poppea“ choreografiert.
60 Jahre Stuttgarter Ballettwunder
In einem besonderen Angebot für unsere Digital-Plus-Abonnenten machen wir die spannende Geschichte des Stuttgarter Balletts lebendig. Im Dialog mit Zeitzeugen und einer jungen Generation wird anschaulich, wie sich die Kompanie an die Weltspitze tanzte und dort hält. Mit diesen Artikelserien feiern wir das Jubiläum des Stuttgarter Balletts:
Als das Wunder wahr wurde Wir haben im Archiv nach Erinnerungen an seinen Erfinder John Cranko gesucht und eine 2007 veröffentlichte Interview-Serie mit Weggefährten des Choreografen entdeckt.
► John Neumeier Bereit für Rebellion und Experimente: Lesen Sie hier John Neumeiers Erinnerungen
► Gundel Kilian Wer einfach drauflos knipste, flog raus: Gundel Kilian erinnert sich
► Richard Cragun Lesen Sie hier, was der 2012 verstorbene Tänzer Richard Cragun über Crankos britischen Geschmack sagte.
► Birgit Keil Lesen Sie hier, wie Birgit Keil zu Crankos „Baby-Ballerina“ wurde.
► Friedrich Lehn Wie Cranko Stau zu Tanz machte: Friedrich Lehn erinnert sich
► Marcia Haydée Lesen Sie hier Marcia Haydées Bericht von ihren ersten Auftritten in Stuttgart.
► Egon Madsen Lesen Sie hier Egon Madsens Erinnerungen an eine besondere Party in New York.
► Georgette Tsingurides Lesen Sie hier Georgette Tsingurides’ Erinnerungen an Zigaretten, Hunde und kleine Feuer im Ballettsaal.
► Fritz Höver Lesen Sie hier, was der 2015 verstorbene Gründer der Noverre-Gesellschaft mit Cranko auf Reisen erlebte.
► Jürgen Rose Lesen Sie hier, wie John Cranko Zeichnungen des Bühnenbildners zerriss.
Forsythe, Kylián und Co Das Stuttgarter Ballett war schon immer eine Kompanie, die Tänzer stark gemacht hat. So stark, dass sie weltweit als Direktoren begehrt sind. Wir haben sie nach ihren Stuttgarter Wurzeln gefragt.
► Ivan Cavallari Sechs Fragen an den Direktor der Grands Ballets Canadiens in Montreal
► Sue Jing Kang Sechs Fragen an die Direktorin des koreanischen Staatsballetts
► Filip Barankiewicz Sechs Fragen an den Direktor des tschechischen Staatsballetts
► Marco Goecke Sechs Fragen an den Ballettdirektor am Staatstheater Hannover
Weitere Beiträge sind in Vorbereitung.