Das Tieringer Unternehmen hat seine „gute Seele“ für 60 Jahre Treue zur Firma geehrt.
1963 war ein weltgeschichtlich nicht ganz unbedeutsames Jahr: John F. Kennedy bekannte bei seinem Deutschlandbesuch „Ich bin ein Berliner“, Bundeskanzler Konrad Adenauer, der den US-Präsidenten nach Berlin begleitet hatte, trat Monate später ab – und sein Gast aus Amerika ebenfalls, unter unerfreulicheren Umständen.
Letzteren Umstand ließen Joachim und Helmut Link in der historischen Rückschau, die sie bei der nachmittäglichen Festveranstaltung im Interstuhl-Casino hielten, allerdings lieber unerwähnt – ohnehin drängte ein anderes, nicht minder wichtiges Ereignis des Jahres 1963 in den Vordergrund: der Eintritt von Lenore Link in die zwei Jahre zuvor gegründete Firma Interstuhl.
Engagierte Streiterin für die Chancen der Frauen
18 war sie damals und kam von der Höheren Handelsschule in Ebingen, wo sie in der Parallelklasse von Heinrich Haasis die Bank gedrückt hatte – ihre Noten sollen im Regelfall besser gewesen sein als seine. Fortan wirkte sie im Familienbetrieb an der Seite von Vater Wilhelm und Bruder Werner Link: Sie war Buchhalterin – und zwar eine, deren Journale auf den Pfennig stimmten – , Personalerin – eine anspruchsvolle Aufgabe in einer Firma, in der die Belegschaftszahl über die Jahrzehnte aus der einstelligen in vierstellige Zonen stieg – , Organisatorin von rund 50 Veranstaltungen pro Jahr – macht in 60 Jahren rund 3000 – und engagierte Streiterin für den Aufstieg der Frauen in die Ausbildungsberufe und die qualifizierten Tätigkeiten.
Als noch mit Zwischengas geschaltet wurde
Im übrigen aber „Mädchen für alles“: Wenn Not an der Frau war und etwa Gasflaschen aus Laufen über den Berg nach Tieringen gebracht werden mussten, dann setzte sich die junge Lenore Link ans Steuer des Hanomag mit dem nicht synchronisierten Getriebe und chauffierte die Ladung mit Zwischengas und guten Nerven die tückische Steige hinauf – wenn sie Pech hatte, begrüßte Bruder Werner sie nach der Ankunft mit den Worten „Hosch aber lang braucht.“
Der „Teilchenbeschleuniger“ aus Zuffenhausen
Der Ausdruck, „Gas geben“ erfuhr unter diesem Umständen eine Bedeutungsverschiebung – immerhin war Lenore Link fortan für höhere, sprich PS-stärkere Aufgaben bestens gewappnet: Längst ist sie auf den „Teilchenbeschleuniger“ aus Zuffenhausen umgestiegen.
Der Kunststoff in „Tante Lones“ Badewanne
Mit den Jahren wuchs sie in die Rolle der mütterlichen Integrationsfigur hinein – das galt für die beiden Neffen, die sich noch gut an die Kindheitstage erinnern, an denen gelegentlich Kunststoffteile zwecks Konditionierung in „Tante Lones“ Badewanne schwammen, und die später, als Firmenchefs, zu schätzen wussten, dass nichts Lenore Link aus der Ruhe zu bringen vermochte. Für die Mitarbeiter aber war sie die „gute Seele“ des Hauses, die sich für jeden, der ein Anliegen hatte, Zeit nahm, die Geburtstage präsent hatte, an die der Jubilar selber nicht gedacht hatte, und die vor den Betriebsferien tagelang in der Produktion unterwegs war, um jedem einzelnen Mitarbeiter einen schönen Urlaub zu wünschen.
Dieser Chefin galten am Ende des Festakts der Dank und die guten Wünsche des sichtlich gerührten Betriebsratsvorsitzenden Lothar Reiser und von Alfred Dinser, der für die Ehemaligen sprach. Und dann war da noch ein Gratulant, der sich vom Strand der kroatischen Insel Krk zuschalten ließ: Heinrich Haasis, der einstige Schulkamerad, wünschte Lenore Link alles erdenklich Gute.