Vor zwei Tagen waren noch vier ukrainische Flüchtlinge im ehemaligen Hotel an der Glatt untergebracht, mittlerweile haben 60 Personen dort Schutz gefunden. Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges machte sich nun in Hopfau ein Bild von der Lage.
Sulz - Die Gesichter der ukrainischen Flüchtlinge sind von der Erschöpfung und den Strapazen der vergangenen Wochen und Tage gezeichnet, doch man sieht noch etwas anderes darin: Erleichterung darüber, hier einen geschützten Zufluchtsort gefunden zu haben.
"Das war das Erste, was wir ihnen bei der Ankunft gesagt haben: dass sie hier sicher sind", erklärt Sozialbetreuer Alican Kilinc beim Vor-Ort-Termin mit Justiz- und Migrationsministerin Gentges und Vertretern der Kommune und des Landkreises am Donnerstag. Er kümmert sich um die rund 200 ukrainischen Flüchtlinge im Landkreis Rottweil, ist Ansprechpartner, Zuhörer und versucht, bei Anliegen weiterzuhelfen und Not zu lindern. "Manche brauchen Arzttermine. Und dann beschäftigen die Flüchtlinge natürlich die Fragen der Erstorientierung: Wo kann ich einkaufen? Wann fährt der Bus?", sagt Kilinc.
Hilfe beim Übersetzen
Die Verständigung erfolgt über die englische Sprache, jedoch hat man mit dem Hopfauer Bürger Josef Fogel, der aus der Ukraine stammt, bei Verständigungsschwierigkeiten schnell Hilfe parat. Beim Dolmetschen unterstützt werde man auch von der israelitischen Kultusgemeinde, denn dort gebe es viele Menschen mit ukrainischen Wurzeln, berichtet Kreis-Sozialdezernentin Angela Jetter.
Das Kreis-Sozialamt hat derzeit alle Hände voll zu tun. Inzwischen führe man täglich Gespräche mit Flüchtlingen aus der Ukraine. Die Arbeit lasse sich mit den zweieinhalb Stellen, die sich um den Bereich kümmern, gar nicht abdecken, deshalb greife man bei der Erfassung auch auf Landratsamt-Personal aus anderen Abteilungen zurück, so Jetter. "Allein am Montagmorgen haben bei uns 50 Personen vorgesprochen" – ein Kraftakt. Ein Trost: Im Krisenmanagement kenne man sich seit der Pandemie aus, sagt der Erste Landesbeamte Hermann Kopp.
Schnelle Reaktion gefragt
Im Moment gelte es, schnell und flexibel zu reagieren. Nachdem man am Dienstag die Meldung bekommen habe, dass weitere 56 Flüchtlinge auf dem Weg nach Hopfau sind, seien sie am Mittwoch auch schon angekommen, berichtet Hopfaus Ortsvorsteher Thomas Mutschler. Das Hotel an der Glatt hat der Landkreis seit 1. Februar angemietet. Bereits zur Flüchtlingswelle 2015/16 wurde es als Unterkunft für Asylbewerber benutzt. Weitere 49 Personen, die nun angekommen sind, werden im Schramberger Raum untergebracht.
Bei den Zahlen handelt es sich nur um die ukrainischen Flüchtlinge, die sich beim Sozialamt gemeldet haben. Viele weitere seien privat bei Verwandten oder Bekannten aufgenommen worden, so Jetter. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine habe man die Zahl der Plätze und Unterkünfte für Flüchtlinge im Landkreis fast verdoppelt und man sei ständig daran, neue zu schaffen. Der Landkreis Rottweil muss 1,5 Prozent der Flüchtlinge, die auf Baden-Württemberg entfallen, in den Kommunen unterbringen.
Weitere Unterkünfte geplant und gesucht
Rund 85 Personen aus der Ukraine sind fast im gesamten Sulzer Stadtgebiet untergebracht, wie Bürgermeister Gerd Hieber erklärte. Man prüfe derzeit, ob man ein weiteres großes Gebäude für die Erstaufnahme anmelden könne. Zudem rufe man weiter Privatpersonen dazu auf, sich zu melden, um weitere Ukrainer aufzunehmen.
Unter den Flüchtlingen im ehemaligen Hotel an der Glatt sind rund 35 Kinder verschiedenen Alters. Nur eine Frau sei allein hergekommen, sagt Alican Kilinc. Der Rest seien (ältere) Ehepaare oder Familien – Letztere aber fast alle ohne die Väter.
WLAN als großer Wunsch
Einer der wichtigsten Wünsche der Flüchtlinge in Hopfau wird bald erfüllt. Man richte derzeit WLAN im ehemaligen Hotel an der Glatt ein, teilte Hieber mit, damit der Kontakt zu den in der Ukraine Gebliebenen nicht abreißt. Zudem versuche man, dafür zu sorgen, dass ein bis zwei Mal pro Woche ein Lebensmittelanbieter nach Hopfau komme, damit die Flüchtlinge nicht jedes Mal den Weg zum Supermarkt in der Sulzer Kernstadt antreten müssen. Des Weiteren vernetze man die Flüchtlinge im gesamten Stadtgebiet miteinander. "Wir wollen nicht, dass sie sich verloren fühlen", so Hieber.
Ein bisschen Privatsphäre
Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges, die in den vergangenen Tagen schon einige Flüchtlingsunterkünfte in Baden-Württemberg besucht hat, lobte das große Engagement des Rottweiler Landkreises und der Kommunen. Auf sie entfalle der wesentliche Teil der Betreuungs- und Integrationsarbeit. Besonders Hotels eigneten sich sehr gut als Unterkunft, böten sie doch kleine Einheiten mit sanitären Anlagen und damit viel mehr Privatsphäre als Hallen beispielsweise. Wie viele Flüchtlinge noch kämen und wann sie kämen, könne niemand seriös voraussagen. Aber man wolle jedem, der hier mit einem "Rucksack voller schlimmer Erfahrungen" ankomme, Schutz bieten.