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Zu Fuß von New York nach Los Angeles? Klingt verrückt. Doch Tellman Knudson setzt noch eins drauf. Der 32-Jährige läuft barfuß.

Los Angeles - Zu Fuß von New York nach Los Angeles? Klingt verrückt. Doch Tellman Knudson setzt noch eins drauf. Der 32-Jährige läuft barfuß. Mit mehr als 5000 Kilometern unter den Sohlen und 100 Millionen Dollar auf dem Konto -so das Ziel. Das Geld will er der Obdachlosen-Hilfe spenden.

Die Idee zum Barfußlauf war dem "echten Forrest Gump" - der Spitzname wurde ihm von der amerikanischen Presse verpasst - im Juli dieses Jahres gekommen. Nach dem Besuch eines Obdachlosenheims. Der erfolgreiche Internet-Unternehmer aus Vermont beschloss zu handeln: "Ich habe erfahren, dass allein zwei Millionen Kinder keine feste Bleibe haben. Ihre Selbstmordrate und das Risiko, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, ist sehr hoch. Da wollte ich helfen." Zumal er als Teenager selbst für einige Zeit auf der Straße gelebt hatte: "Man ist unglaublich hilflos."

Als er Freunden von seinem Plan erzählte, erklärten die ihn für verrückt. Das gab ihm erst recht die Motivation, die Sache durchzuziehen: "Wenn man crazy ist, werden Leute überhaupt erst auf einen aufmerksam. Ich brauche Presse, um Sponsoren und Spender zu finden." Knudson ist ein Mann, der es liebt, unmögliche Dinge möglich zu machen.

Und das schon im Kindesalter. Zwangsweise. Er war er mit einem Knochendefekt auf die Welt gekommen. Seine Füße zeigten im 45-Grad-Winkel nach innen, und er konnte bis zur Highschool kaum laufen, ohne zu stolpern. Die Ärzte rieten ihm zu einer Operation, bei der seine Knochen gebrochen werden sollten. Danach hätte er mindestens sechs Monate eingegipst werden müssen, bis die Beinknochen wieder gerade zusammengewachsen wären. Knudson weigerte sich.

Stattdessen trat er ins Leichtathletik-Team seiner Highschool ein. Nach zwei Jahren hatten sich seine Beine durch das ständige Training selbst begradigt, und er brach Schulrekorde im Langlauf. Knudson: "Seither weiß ich, dass ich alles packen kann, was ich nur will." 20 andere vor ihm haben den Ultra-Langlauf bereits geschafft - alle trugen allerdings dabei Schuhe. Erreicht er sein Ziel, ist ihm ein Eintrag ins GuinnessBuch der Rekorde sicher.

Knudson kann sich impulsive Entscheidungen leisten. Dank seiner erfolgreichen Online-Firma Overcomeeverything.com, die er vor vier Jahren gründete. Inzwischen hat er 15 Angestellte und scheffelt Millionen. Die Kosten für die Unterkunft, seine zwei Wohnmobile, einen Van und die zehnköpfige Crew begleicht er aus eigener Tasche. Was alles andere als billig ist. Knudson rechnet damit, dass er am Ende 500.000 Dollar los sein wird.

Der wichtigste Mann an seiner Seite ist sein langjähriger Freund Ben Clark. Der ehemalige Feldsanitäter der Eliteeinheit Marines und Ex-Ultramarathonläufer ist die medizinische Einmannabteilung. Der 32-Jährige achtet darauf, dass sein Freund täglich die benötigte Menge an Elektrolyten aufnimmt, und verarztet Wunden und Wehwehchen jeder Art.

Nicht weniger wichtig sind die drei PR-Leute, die für Knudson Sponsoren finden müssen. Die Lokalpresse bekommt, Tage bevor der Barfußläufer in ihrer Gegend eintrifft, Benachrichtigungen. Besonders stolz ist Knudson darauf, dass Virgin-Boss Sir Richard Branson sich als Promi-Sprecher für seine Aktion zur Verfügung gestellt hat: "Er ist ein toller Mann, der viel Zeit und Geld in gemeinnützige Zwecke investiert", lobte Branson.

Besonders lange trainieren vor seinem Aufbruch am 9. September konnte der langhaarige, bärtige Wikinger-Typ nicht: "Ich habe drei Monate lang meine Schuhe zu Hause gelassen." Sein ursprüngliches Ziel war es, die Strecke zwischen Battery Park in Manhattan bis zum Pier von Santa Monica in nur 99 Tagen zu bewältigen. Doch schon bald fand er schmerzhaft heraus, dass seine Vorgaben selbst für ihn zu ehrgeizig gewesen waren. An die 56 Kilometer pro Tag, die er zurücklegen wollte, kam er nicht einmal annähernd heran: "Meine Füße mussten sich erst einmal an die Strapazen gewöhnen", sagt er. "Ich habe durchschnittlich nur knapp 20 Kilometer am Tag geschafft."

Ab Chicago wollte er der historischen Route 66 folgen, die in den 1950er und 1960er Jahren die wichtigste Ost-West-Verbindung der Vereinigten Staaten war. Doch wegen eines Wintereinbruch im Mittleren Westen des Landes musste er Ende Oktober nach Süden ausweichen. Dort war der Asphalt schlechter und unebener: "Ich habe Schmerzen in den Füßen gehabt, die unmenschlich waren. Jede kleine Unebenheit auf der Straße, jedes Steinchen war so, als würde mir jemand einen heißen Nagel in die Sohle stechen."

Es kam noch schlimmer. Mitte November zwang ihn eine schwere Fußprellung zu einer zweiwöchigen Pause. Ohne die hätte er sein Vorhaben ganz aufgeben müssen.

Knudson nutzte die Zeit mit Besuchen in Obdachlosen-Asyls in Pennsylvania ("Da habe ich noch mal vor Augen geführt bekommen, warum ich das alles machen muss!") und einem Kurzbesuch bei seiner Frau Jodi (30) in Vermont: "Sie unterstützt mich in meinem Vorhaben. Das ist nicht einfach für sie, weil sie die nächsten Monate allein auf unseren dreijährigen Sohn Torgor aufpassen muss."

Seit Ende November ist Knudson wieder gut zu Fuß. Was ihm auffällt: "Ohne Schuhe zu laufen hat meinen Schwerpunkt verlagert. Ich laufe auch viel runder und leichter, so wie es wohl einst die Höhlenmenschen getan haben." Fast jeden zweiten Tag legt er einen Kilometer drauf und hofft, es bis Ende März zu seinem Ziel geschafft zu haben.

Er hat inzwischen Ohio durchquert. In jedem Ort, in dem er anhält, bittet er um Spenden. Im Dörfchen Fly mit seinen 65 Einwohnern kamen beim Einkehren in die örtliche Gastwirtschaft 27 Dollar zusammen. Doch die Kleckerbeträge summieren sich. Bisher sind direkt oder über seine Webseite runtellmanrun.com über 300.000 Dollar zusammengekommen. Dennoch: Bis zu den 100 Millionen Dollar - und damit dem Spendenweltrekord - ist es noch ein langer, steiniger Weg.

http://www. runtellmanrun.com