Bierlingen ist Sitz der Verwaltung. Foto: Steinmetz

Vor 50 Jahren haben sich Bierlingen, Felldorf und Wachendorf zur Einheitsgemeinde Starzach zusammengeschlossen. Sulzau kam 1973 dazu, und ein Jahr später entschieden sich die Börstinger, der neuen Gemeinde beizutreten.

Starzach - Die Gemeindereform in Baden-Württemberg begann bereits am 1. September 1968. Hintergrund war, dass sich die kleinen Gemeinden schwer taten, die Infrastruktur – Kindergärten, Schulen, Straßen – zu finanzieren. Es sollten gleichwertige Lebensverhältnisse für die Bürger geschaffen und Interessengegensätze zwischen Gemeinden abgebaut werden. Ziel des Landes Baden-Württembergs war es, die Zahl der Gemeinden zu verringern und Mindestgrößen von 5000 Einwohnern zu erhalten.

Zunächst Verwaltungsgemeinschaft

Eine Übergangslösung war die Verwaltungsgemeinschaft, der neben den drei heutigen Starzacher Höhengemeinden noch Sulzau, Börstingen und Bieringen angehörten. 1971 war bereits absehbar, dass keine der sechs Gemeinden über das Jahr 1975 hinaus selbstständig bleiben werden. Besser wäre es jetzt, wurde den Gemeinderäten und Bürgermeistern bei einer "Aufklärungsversammlung" am 31. August 1971 nahegelegt, freiwillig den Schritt zur Einheitsgemeinde zu gehen.

Schmackhaft gemacht wurde es ihnen mit finanziellen Vorteilen. Bei einem Zusammenschluss könnten die Gemeinden mit 1,7 Millionen Mark Mehrzuweisungen in einem Zeitraum von zehn Jahren rechnen. Eine Verwaltungsgemeinschaft würde nicht in den Genuss dieser Mittel kommen.

Der finanzielle Köder war somit ausgelegt. Nun galt es, auch die Bevölkerung zu überzeugen, dass die Einheitsgemeinde, die zu dem Zeitpunkt noch für alle sechs Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft in Frage kam, der richtige Weg in die Zukunft war. Der Verbandsoberamtsmann und spätere erste Starzacher Bürgermeister, Josef Oswald, erläuterte in Form eines Leserbriefs im Mitteilungsblatt den Begriff "Einheitsgemeinde". Ein solches kommunales Gebilde sei eine Option, wenn es keine starke Zentralgemeinde gebe, die Umlandgemeinden aufnehmen könnte.

Gewisse Selbstständigkeit

Die Bürger wählen einen gemeinsamen Bürgermeister und einen Gemeinderat. Zudem konnte in der Hauptsatzung der Gemeindeordnung die Ortschaftsverfassung für alle bisher selbstständigen Gemeinden eingeführt werden. Dadurch behielten die Ortsteile mit ihren Ortschaftsräten eine gewisse Selbstständigkeit. Die Einheitsgemeinde habe den Vorteil, dass deren Ortsteile erheblich mehr Mitspracherechte hätten, als dies bei einer Eingemeindung der Fall wäre und sich, so Oswald, eine weitergehende Eigenständigkeit bewahren könnten. Die Ortschaftsräte sind in Starzach später allerdings abgeschafft worden.

Ein Aspekt war auch, wie es mit der Hauptschule in Börstingen weitergeht. Oswald war sich sicher: Der Erhalt der Hauptschule wäre bei der Bildung einer Einheitsgemeinde sicherer. Er betonte im Übrigen, dass es Sache jeder einzelnen Gemeinde sei, welche Entscheidung sie treffe. Klar war indes: Keine der sechs Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft würde weit über das Jahr 1975 hinaus selbstständig bleiben. Von daher schien es sinnvoller, freiwillig die Initiative zu ergreifen, bevor die gesetzliche Phase folgte und damit Wahlmöglichkeiten wegfielen.

Gemeinsame Sitzung

Die Aufgabe der Selbstständigkeit fiel keiner Gemeinde leicht. Es wurden auch verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen. Am 10. November 1971 fand im Café Ruggaber in Bierlingen unter dem Vorsitz des Wachendorfer Bürgermeisters Anton Faiß eine gemeinsame Sitzung der Gemeinderäte Wachendorf, Bierlingen und Felldorf statt. Einziger Tagesordnungspunkt war die Gemeindereform. Sulzau und Bieringen planten damals eine Bürgerbefragung über eine Eingemeindung nach Rottenburg, Börstingen favorisierte eine Verwaltungsgemeinschaft mit Rottenburg.

Den drei Höhengemeinden blieb nichts anderes übrig, als eine eigene Lösung zu finden. Es gab drei Alternativen: eine Einheitsgemeinde mit den drei Gemeinden, die Eingemeindung nach Rottenburg oder die Verwaltungsgemeinschaft mit Rottenburg. Letzteres schied allerdings von vorneherein aus, und zwar wegen der anstehenden Kreisreform. Die drei Kommunen gehörten zum Kreis Horb, der dann auch aufgelöst wurde.

Außerdem wollte das Innenministerium keiner Gemeinde unter 500 Einwohnern den Beitritt zu einer Verwaltungsgemeinschaft erlauben, und das betraf Felldorf. Nach einer Diskussion kam es zu einer "informativen Abstimmung": Bei einer Enthaltung stimmten 31 der anwesenden Kommunalpolitiker für die Einheitsgemeinde. Es gab lediglich eine Enthaltung. Damit wurde eine Bürgerbefragung für den 5. Dezember 1971 beschlossen. Die Frage sollte lauten: "Sind Sie für eine Einheitsgemeinde aus den Gemeinden Bierlingen, Felldorf und Wachendorf? Ja – Nein."

Bürgeranhörung im Dezember 1971

Die Bürgeranhörungen fanden gleichzeitig am 19. Dezember 1971 statt. Das Interesse daran war nicht besonders groß. In Wachendorf beteiligten sich lediglich 40 Prozent der Abstimmungsberechtigten, in Bierlingen waren es 51 Prozent und in Felldorf 56 Prozent. In der kleinsten Gemeinde war die Zustimmung zur Einheitsgemeinde mit 94 Prozent am größten, gefolgt von Bierlingen mit 89 Prozent und Wachendorf mit 83 Prozent der Stimmen.

Im Mitteilungsblatt sind bereits im Oktober 1971 die Bürger aufgerufen worden, einen Namen für eine neue Gemeinde zu finden. "Neckarau" und "Auingendorf" – eine Zusammenfügung aus den Gemeinden der sechs Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft – lagen bereits vor. Aus den Flüssen Starzel und Eyach, die die Gemeinde im Osten und Westen begrenzen, wurde schließlich der Name Starzach kreiert.

Offizieller Zusammenschluss

Am 1. Januar 1972 schlossen sich Bierlingen, Felldorf und Wachendorf zu der neuen Gemeinde zusammen. Sitz der Gemeindeverwaltung wurde Bierlingen. In der Folgezeit bemühte sich der Starzacher Gemeinderat um den Anschluss von Sulzau und Börstingen. Besonders in Börstingen, das noch im Herbst 1971 den Beitritt zur Einheitsgemeinde abgelehnt hatte, war die Skepsis groß. Die Gemeinderäte der Talgemeinde fühlten sich unter Druck gesetzt und bezweifelten, ob die finanziellen Zuweisungen gerecht auf alle Gemeinden verteilt werden. "Wir sehen die Zukunft in einer größer orientierten Verwaltungsgemeinschaft. Damit ist auch das Schulproblem gelöst", lautete die Stellungnahme des Gremiums zum Thema Einheitsgemeinde. Börstingen trat dann auch erst, fast auf den letzten Drücker vor Ablauf der Freiwilligkeit, am 1. Februar 1974 der Gemeinde Starzach bei. Bereits am 1. Juni 1973 hatten sich die Sulzauer zu diesem Schritt entschlossen.

Konnte dieser Zusammenschluss von fünf kleinen Kommunen auf Dauer bestehen? Josef Oswald bezweifelte in seinem Leserbrief vom September 1971 im Mitteilungsblatt, dass eine Einheitsgemeinde die Verwaltungsreform überleben wird. Seine Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet. Die mangelnde Finanzkraft ist aber ein großes Problem geblieben. Damals diskutierten die Gemeinderäte über den Fortbestand der Hauptschule in Börstingen, heute geht es um eine zukunftsfähige Grundschule und überhaupt um eine funktionierende Infrastruktur. Wenn in zwei Jahren das 50-jährige Bestehen der Gemeinde Starzach mit den fünf Teilorten gefeiert wird, dann dürfte auch nochmals die Frage aufgeworfen werden, ob es eine richtige Entscheidung der Bierlinger, Börstinger, Felldorfer, Sulzauer und Wachendorfer war, sich zur Einheitsgemeinde Starzach mit noch nicht einmal 5000 Einwohnern zusammenzuschließen.