Ulrike Groos lenkt das Kunstmuseum Stuttgart Foto: Kunstmuseum/Gerald Ulmann

Von 13. November an ist im Kunstmuseum Stuttgart die Schau „Jetzt oder nie – 50 Jahre Sammlung LBBW“ zu sehen. Wie sieht Kunstmuseums-Chefin Ulrike Groos das Projekt?

Stuttgart - Von 13. November an ist im Kunstmuseum Stuttgart die Ausstellung „Jetzt oder nie – 50 Jahre Sammlung LBBW“ zu sehen. Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos erläutert zuvor, was die Schau besonders macht.

Frau Groos, zum dritten Mal öffnet sich das Kunstmuseum Stuttgart für den Blick in und auf eine große Kunstsammlung. Nach den Privatsammlungen Scharpff und Klein gilt die Aufmerksamkeit nun der Sammlung eines öffentlichen Unternehmens. Was reizt Sie grundsätzlich an diesem Projekt?

Als vonseiten der Landesbank Baden-Württemberg der Wunsch am mich herangetragen wurde, die Sammlung zum 50-jährigen Jubiläum in breitem Spektrum im Rahmen einer Ausstellung zu präsentieren, habe ich nicht lange gezögert. Die LBBW ist seit vielen Jahren ein wichtiger und zuverlässiger Kooperationspartner an der Seite des Kunstmuseums – etliche Projekte wären in der Vergangenheit ohne ihre großzügige Unterstützung nicht realisierbar gewesen. Aber das war nicht mein Hauptbeweggrund, der Sammlung LBBW gewissermaßen eine carte blanche zu erteilen. Die Kunstsammlung ist erstklassig und in diesem Umfang nur selten zu sehen.

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Aber wäre nicht gerade hier ein „Verweben“ mit der Sammlungspräsentation des Kunstmuseums, wie sie ja Otto Dix‘ „Anita Berber“ vorgibt, eine besondere Chance gewesen?

Die „Verwebung“ findet bereits seit vielen Jahren statt, also nicht erst jetzt mit dieser Ausstellung. Die Sammlung LBBW weist in ihrer Ausrichtung zahlreiche Parallelen und Berührungspunkte zur Sammlung des Kunstmuseums auf. So begannen sowohl das Kunstmuseum als auch die LBBW den Aufbau ihrer Sammlungen mit Arbeiten von Künstler:innen des deutschen Südwestens. Später dann öffnete sich bei beiden Sammlungen der Blick auf nationale und internationale Positionen. Deshalb werden uns Werke aus der Sammlung LBBW als Leihgabe temporär oder dauerhaft zur Verfügung gestellt, um Lücken in unserer Sammlungspräsentation, die es ja leider immer gibt, zu schließen.

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Ein Beispiel?

Das „Bildnis der Tänzerin Anita Berber“ von Otto Dix etwa, das Sie explizit ansprechen und das wie nur wenig andere Werke für die Sammlung des Kunstmuseums Stuttgart steht, ist eine Dauerleihgabe der LBBW; als das Gemälde 2006 aus dem Kunstmuseum abgezogen zu werden drohte, erwarb es die LBBW kurzerhand. Die Ausstellung „Jetzt oder nie“ fügt sich, als eigene Sonderausstellung, also gut ein.

Bei den Sammlungen Ute und Rudolf Scharpff sowie Alison und Peter W. Klein war jeweils ein director’s choice zu sehen. Hier nun führen nicht Sie Regie, sondern der aktuelle LBBW-Sammlungsverantwortliche Lutz Casper. Gerade der Blick von Außen, Ihr Blick, wäre doch spannend gewesen – oder?

Es gibt niemanden, der die Sammlung besser kennt als Lutz Casper, der Leiter der Sammlung LBBW. Da er in der Vergangenheit immer wieder kuratorisch tätig war, war es naheliegend, ihm auch die Werkauswahl zu überlassen. Diese ist in erster Linie bereits vom Sammlungskonzept vorgegeben, das entlang der ausgewählten Arbeiten in der Ausstellung sichtbar gemacht wird: Die Werke der Sammlung LBBW zeichnen die wechselhaften politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Deutschlands im 20. Jahrhundert nach.

Die KünstlerInnen-Liste ist lang, aber sie umfasst keineswegs alle in der Sammlung vertretenen Positionen. Wie sehen Sie das?

Wie immer zwingt einen die naturgemäß begrenzte Ausstellungsfläche, eine Auswahl zu treffen. Die Künstler:innen-Liste ist zwar nicht vollständig, mit knapp 100 Künstler:innen aber durchaus repräsentativ und eindrucksvoll.

Das große Staunen

Eine solch umfassende Präsentation birgt immer auch Überraschungen. Worüber haben Sie während des Aufbaus jetzt am meisten gestaunt?

Ich bin aus dem Staunen gar nicht mehr rausgekommen aufgrund der vielen hochrangingen Kunstwerke von namhaften und auch von eher unbekannten Künstler:innen. Die Arbeiten von Renée Green, Martha Rosler, Rosemarie Trockel, Martin Kippenberger und Wolfgang Tillmans finde ich besonders herausragend, aber im Grunde gibt es in der ganzen Ausstellung sehr viel zu entdecken.

Die Ausstellung macht das Kunstmuseum Stuttgart zu einem möglichen Treff für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LBBW. Ist das auch eine Chance? Reagieren Sie darauf?

Die LBBW hat in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum zahlreiche attraktive Angebote für ihre Mitarbeiter:innen wie für ihre Kund:innen entwickelt. Natürlich sehe ich die LBBW-Ausstellung auch als Chance, Menschen ins Museum zu bringen, die möglicherweise bislang nur wenig Berührungspunkte mit Kunst hatten. Dass die Ausstellung darüber hinaus alle Menschen ansprechen und einladen möchte, zeigt allein, dass die LBBW uns an zwei Wochenenden freien Eintritt finanziert – jetzt am Eröffnungswochenende und am letzten Wochenende der Laufzeit im Februar.

Die bereits verschobene Schau droht ein Spielball der Pandemie zu werden. Wie reagieren Sie auf die neuerlichen Bedrängnisse?

Ja, die Ausstellung musste leider zweimal verschoben werden. Ursprünglich sollte sie im November 2020 eröffnen. Aktuell – Stand: heute – gehen wir davon aus, dass wir nicht noch einmal schließen müssen, aber der Blick geht dennoch jeden Morgen auf die rasant steigenden Corona-Zahlen. Groß reagieren können wir indes jetzt nicht mehr, es bleibt die Hoffnung, dass alles gut geht.

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Schauen Sie da mit etwas bangen Blicken auch schon auf Ihre große Tobias Rehberger-Schau?

Die Pandemie ließ und lässt nur wenig Prognosen zu. Weil bei der Ausstellung von Tobias Rehberger besonders Partizipation und Teilhabe der Besucher:innen im Vordergrund stehen, hoffen wir auf eine wieder bessere Situation ab dem Frühjahr. Was mich durchaus beruhigt, ist, dass die Ausstellung Ende März 2022 eröffnet und lange läuft – die Sommermonate, das haben uns die vergangenen Jahre gezeigt, sind deutlich entspannter.

Und was dürfen alle, die von diesem Samstag, 13. November, an die Schau besuchen, auf keinen Fall versäumen?

Sich alles anzuschauen! Und wenn man dies nicht auf einmal schafft, was nicht unwahrscheinlich ist: wiederkommen! Es lohnt sich. Die Ausstellung macht nicht nur Kunstgeschichte erfahrbar, sondern die Werke eröffnen ein Panorama deutscher Geschichte der letzten 120 Jahre, spiegeln also auf anschauliche Weise Zeitgeschichte.

Zeiten und Preise

Tickets
Der Eintritt kostet (inkl. Sammlung) 11 Euro (ermäßigt 8 Euro). Führungen durch die Ausstellung gibt es jeden Freitag um 18 Uhr und jeden Sonntag um 15 Uhr und kosten zusätzlich 3 Euro (ermäßigt 2 Euro). Am 13. und 14. November ist der Eintritt frei. Der Zugang richtet sich nach den aktuell gültigen Corona-Verordnungen.

Zeiten
„Jetzt oder nie – 50 Jahre Sammlung LBBW“ ist zu sehen bis zum 20. Februar 2022 – Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr.