Der Calwer Kreistag in der Zeit als es um die Zukunft des gesamten Kreises Calw ging. Foto: Kreisarchiv

1973 veränderte sich die politische Zuordnung in Baden-Württemberg. Bei der Kreisreform wurden die Strukturen der Landkreise grundlegend verändert. Das ist die Geschichte des Landkreises Calw.

Vor 50 Jahren kam es zur großen Kreisreform. Manche Landkreise verschwanden komplett. Auch die Zukunft des Kreises Calw stand lange auf der Kippe. So sollte der Norden hauptsächlich Pforzheim zugeordnet werden, der Süden zu Freudenstadt gehören und einzelne Gemeinden den Kreisen Rastatt, Böblingen und Karlsruhe zugeordnet werden. Doch dazu kam es nie. Wie konnte sich der Kreis vor dem Verschwinden retten?

Um diese Frage zu beantworten, begeben wir uns an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Denn bereits Ende der 1920-Jahre plante man die Zusammenlegung der württembergischen Oberämter Calw, Nagold und Neuenbürg, die 1938 erfolgte, erläutert Kreisarchivar Kilian Spiethoff. Aus dieser Zusammenlegung entstand im Laufe der Zeit ein starkes regionales Eigenbewusstsein. Dieses Bewusstsein bildete den Grundstein für den späteren Kampf um den Erhalt des Landkreises.

Gerüchte über Auflösung kursierten

Ab den 1950er-Jahren brachte die Zeit unter den Landräten Fritz Wanner und Günter Pfeiffer eine beachtliche wirtschaftliche Wachstumsphase für den jungen Kreis. „Und damit verbunden auch eine innere Konsolidierung“, so der Kreisarchivar. „Umso härter sahen sich die Verantwortlichen getroffen, als im November 1969 mit einem Mal Gerüchte über Pläne der Landesregierung zur Auflösung des Landkreises Calw im Rahmen der bevorstehenden Gebietsreform zu kursieren begannen.“

Bald darauf offenbarte das bekannte „Denkmodell“ des Innenministers Walter Krause: Der Hauptteil der Kreis Calw im Norden sollte einem Großkreis Pforzheim zugeschlagen werden, der Süden einem Großkreis Freudenstadt; einige weitere Städte und Gemeinden wären an Böblingen, Karlsruhe und Rastatt gefallen, führt Spiethoff aus.

Erst engagierte Stellungnahmen des Calwer Landrats Pfeiffer vermochten das Blatt zu wenden, weiß der Kreisarchivar. Pfeiffer verwies auf die einheitliche Wirtschaftsstruktur und die administrative Leistungsfähigkeit des Kreises. Unterstützt wurde der Landrat von dem Bürgermeistern der meisten Städte und Gemeinden im Kreisgebiet. Vor allem die touristischen Zukunftsperspektiven seien durch ein Zusammengehen mit der Arbeiter- und Industriestadt Pforzheim unmittelbar gefährdet. Auf dem Höhepunkt der Debatte stellten Pfeiffer und der langjährige Bad Herrenalber Bürgermeister Robert Traub gar die Schaffung eines zusammenhängenden „Bundeserholungsgebiets“ im Nordschwarzwald in den Raum.

Calw soll 24 Kommunen verlieren

Letztendlich gelang es der Kreisverwaltung, mit dieser Argumentation in den Stuttgarter Gremien Gehör zu finden. So tauchte im Mitte 1970 vorgestellten gemeinsamen Gutachten der sogenannten Reschke-Dichtel-Kommission der Landkreis Calw plötzlich wieder auf – allerdings noch immer unter Verlust von immerhin 24 Kommunen an die Landkreise Pforzheim, Karlsruhe und Rastatt, betont Spiethoff.

Das Kreisreformgesetz vom 23. Juli 1971 sah schließlich einen Regierungsbezirkswechsel von Tübingen nach Karlsruhe vor. Außerdem sollten die Stadt Neuenbürg sowie die Gemeinden Arnbach, Birkenfeld, Conweiler, Dennach, Engelsbrand, Feldrennach, Gräfenhausen, Grunbach, Niebelsbach, Ottenhausen, Salmbach, Schwann und Waldrennach an den neu zu gründenden Enzkreis abgetreten werden. Dachtel und Deckenpfronn fielen an den Landkreis Böblingen, Loffenau an den Landkreis Rastatt. Im Gegenzug wurde die Eingliederung der Freudenstädter Gemeinde Fünfbronn sowie der Horber Gemeinden Gündringen, Schietingen und Vollmaringen in den Landkreis Calw beschlossen.

Vorausschauende Gebietsreform

Am Ende des umfassenden Neustrukturierungsprozesses stand für den Landkreis Calw somit eine gemischte Bilanz, meint Spiethoff: „Obgleich er als einziger bestehender Kreis im Rahmen der Gebietsreform territoriale Verluste hinnehmen musste, durfte er dennoch als „Fremdenverkehrskreis“ weiter bestehen – eine Entscheidung, die 1971 nahelag –, die sich aber auch im Verlauf der folgenden 50 Jahre als tragfähig und vorausschauend erweisen sollte.“ So vermag der Bäderkreis trotz mancher Umbrüche bis in die heutige Zeit nicht nur auf eindrucksvolle Übernachtungszahlen, sondern auch auf eine bemerkenswerte Konzentration touristischer Ziele und Attraktionen im Kreisgebiet hinzuweisen.