Stetten, seit 50 Jahren Stadtteil von Haigerloch und Teil des ebenfalls im Zuge der Kommunalreform neu geschaffenen Zollernalbkreises. Foto: Kost

Der 1. Dezember ist ein Datum, dessen Bedeutung wohl noch kaum jemand aus Stetten vor dem geistigen Auge hat. Heute vor 50 Jahren verlor die Ortschaft ihre Selbstständigkeit und wurde offiziell der erste Stadtteil der Gesamtstadt Haigerloch.

Haigerloch-Stetten - Schon zwei Monate vorher, am 6. Oktober 1971, hatten die damaligen Bürgermeister Wilfried Selinka für Stetten und Roland Trojan für Haigerloch den Eingliederungsvertrag unterschrieben. Dieser trat am 1. Dezember 1971 in Kraft. Beide waren damals noch jung und neu in ihren Ämtern. Wilfried Selinka, ein gebürtiger Riedlinger und gerade erst aus dem Studium an der Verwaltungshochschule gekommen, war am 3. August 1969 im Alter von 26 Jahren gleich im ersten Wahlgang zum Nachfolger von Felix Edele zum Bürgermeister von Stetten gewählt worden. Ein Jahr später, 1970, hatten die Haigerlocher Roland Trojan, aufgewachsen in Höfingen bei Leonberg und damals 29 Jahre alt, als Nachfolger des populären Manfred List zu ihrem Stadtoberhaupt gewählt.

Verwaltungsreform im Land stellt die Weichen

Die Eingemeindung Stettens nach Haigerloch fußte auf politischen Weichenstellungen, die bereits Ende der 1960er-Jahre in Stuttgart getroffen worden waren. Die damalige Landesregierung hatte 1967 und 1968 in Regierungserklärungen die Wichtigkeit einer Verwaltungsreform herausgestellt, wie sie in anderen Bundesländer bereits umgesetzt worden war. Diese sah die Neustrukturierung um zum Teil Neuschaffung von Landkreisen und den Zusammenschluss kleiner Gemeinden zu größeren Einheiten vor, um deren Gestaltungsspielraum und wirtschaftliche Kraft zu stärken.

Das damals selbstständige Stetten nutzte als erste Gemeinde im Eyach- und Stunzachtal die Gunst der Stunde, sich mit Haigerloch zu verbinden. Wohl weniger aus Begeisterung sondern mehr aus pragmatischen Gründen. Wer nicht auf freiwilliger Basis einen Gemeindezusammenschluss anstrebt, der wird früher oder später per Gesetz dazu gezwungen – zu dieser Einschätzung kam der Stettener Ortschaftsrat in seiner Sitzung am 4. Mai 1971. Sie sollte das Startsignal für eine Partnersuche geben.

Erster Blick Stettens richtet sich nach Owingen

Wegen der Nachbarschaft und der gemeinsam in Stetten gebauten Grund- und Hauptschule, richtete sich der Blick allerdings zuerst nach Owingen. Doch zu diesem Zeitpunkt sah der Gemeinderat von Owingen "noch keine Notwendigkeit, "in Sachen Gemeindereform etwas zu unternehmen." Das Verhandlungsangebot von Stetten wurde dagegen von der Stadt Haigerloch aufgegriffen. In mehreren Sitzungen der beiden Gemeinderäte wurden Verhandlungen geführt und Vereinbarungen getroffen, in denen es unter anderem um die Aufteilung von Geldern aus dem Finanzausgleich beim Ausbau von Straßen ging.

Die Öffentlichkeit wurde am 3. September im Saal des Gasthauses Engel im Rahmen einer Bürgerversammlung über den Stand der Dinge informiert. Der politische Diskurs mündete schließlich in eine vom Gesetz vorgeschriebene Bürgerabstimmung, die am 12. September stattfand. Dabei sprachen sich die Stettener mit deutlicher Mehrheit (59,3 Prozent) gegen einen Zusammenschluss mit Haigerloch aus. 332 Wahlberechtigte waren gegen die Eingemeindung, 223 dafür.

Gemeinderat trifft finale Entscheidung

Doch der Tatsache, dass nur 65 Prozent der Stettener an dieser eigentlich zukunftsweisende Entscheidung mitgewirkt haben und 35 Prozent der Bürger und Bürgerinnen der Abstimmung fern blieben (von denen man außerdem noch annahm, dass es sich vorwiegend um den jüngeren Teil der Einwohner handelte), interpretierte der Stettener Gemeinderat auf ganz eigene Weise: Er nahm an, dass die Bevölkerung es den Gemeinderäten überlassen wollte, was für Stetten die beste Entscheidung sei. Ein aus heutiger Sicht etwas eigenwilliges Verständnis von Demokratie, aber legitim: rechtlich bindend war die Bürgerentscheidung nämlich nicht. Mit 10:1 Stimmen votierte der Stettener Gemeinderat schließlich in seiner öffentlichen Sitzung am 19. September 1971 für die Eingliederung nach Haigerloch. Der Anfang war gemacht, weitere bis dahin selbstständige Dörfer in der Raumschaft sollten bis 1975 folgen und Haigerloch zu dem machen, was es heute ist: Eine Gesamtstadt nämlich mit neun Stadtteilen und rund 10 900 Einwohnern.