Streaming-Empfehlungen fürs Wochenende: „Die vier Söhne der Katie Elder“, „Monty Python’s wunderbare Welt der Schwerkraft“, „Zerv“, „Sex Education“ und „München“ (von links oben im Uhrzeigersinn) Foto: Imago Images/United Archives, imago images/Everett Collection, Netflix (2), ARD/Merav Maroody

Welche neue Serie sollten Sie jetzt bingen? Welchen Film schauen, wenn Sie am Wochenende nur wenig Zeit vor dem Bildschirm verbringen wollen? Gibt es bei Netflix, Amazon und Co. Schätze, die Sie übersehen haben? Und was lohnt sich in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender? Hier erfahren Sie, was sich gerade zu schauen lohnt.

So viele Streamingdienste, so viele Mediatheken, so viele Serien, Filme und Dokus – und so wenig Zeit. Und weil das Wochenende viel zu kostbar ist, um es vor dem Fernseher bei einem schlechtem Programm zu vergeuden, verraten wir Ihnen hier, was sich jetzt besonders zu schauen lohnt.

► Ich kann von Krimis nicht genug bekommen, besonders von solchen mit historischem Hintergrund.

„ZERV – Zeit der Abrechnung“

Zu sehen in der ARD-Mediathek.

Schauspielertheater vom Feinsten: Fabian Hinrichs spielt den westdeutschen Polizisten, der mit vielen Kollegen aus der BRD und Ex-DDR Verbrechen aufklären soll, die während der Wendezeit geschehen sind. Und er spielt den Ermittler derart besessen vom Willen, Unrecht aufzuklären, dass man sich sofort mindestens ebenso über all die Mauscheleien und Korruption und Ost wie West aufregt wie seine Figur.

Hinrichs Kollegin aus Ostberlin wird von Nadja Uhl verkörpert. Die kann so schön schnoddrig berlinern wie Fritzi Haberlandt, die ebenfalls ermittelt – und viel Pech mit Männern hat. Die Rolle von Hinrichs Chef hat Rainer Bock übernommen, der zu Zeiten von Friedrich Schirmers Intendanz lange im Ensemble des Schauspiel Stuttgart war. Ebenso Arnd Klawitter, der spielt einen westdeutschen Staatssekretär.

Die Sondereinheit heißt „ZERV“ – und die gab es auch in Wirklichkeit. Es werden Waffengeschäfte ebenso untersucht und aufgeklärt wie Verbrechen, die sich auf das Privatleben von Menschen ausgewirkt haben.

Die Furcht, dass es hier vor Klischees von Besser-Wessis und Jammer-Ossis wimmelt, ist berechtigt – findet aber (bis auf ein, zwei Szenen) nicht statt. Die Figuren sind hinreichend ambivalent, die Dialoge auf Niveau. Ohne zu viel zu verraten: Dass die Ermittlungserfolge sind wie sie sind, dafür kann das Drehbuch nichts, das ist dem Leben und dem Kapitalismus geschuldet. (golo)

         

► Was kann uns ein Film über das Münchner Abkommen von 1938 heute noch sagen?

„München“

Im Jahr 1938 hielt Adolf Hitler die Welt in Atem – 20 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wollten Briten und Franzosen einen weiteren um jeden Preis verhindern. Also gewährten sie dem Nazi-Reich im sogenannten Münchner Abkommen das von Deutschen bewohnte Sudetenland. Hitler kassierte daraufhin gleich ganz Tschechien – und trat 1939 trotzdem den Zweiten Weltkrieg los.

Basierend auf dem Roman „München“ des britischen Autors Robert Harris zeichnet der Regisseur Christian Schwochow die Münchner Verhandlungen nach. Er stellt zwei fiktive junge Männer ins Zentrum, einen Briten (George MacKay) und einen Deutschen (Jannis Niewöhner), die jeweils im Zentrum der Macht arbeiten und heimlich kollaborieren, um schlimmeres zu verhindern. Jeremy Irons brilliert als britischer Premier Neville Chamberlain, Ulrich Matthes als besonders bösartiger Diktator.

Die Parallelen zur aktuellen Ukraine-Krise und zur russischen Taktik sind unverkennbar. „München“ liefert den Hintergrund zu den diplomatischen und militärischen Machtspielen, an denen sich bis heute nicht viel geändert hat. (ha)

     

► Was ist Europa mit dem Brexit vor allem abhanden gekommen?

Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft“

Zu sehen in der Arte-Mediathek.

Richtig: der britische Humor. Den hat die Comedy-Trupp Monty Python auf unnachahmliche Weise weltberühmt gemacht mit ihrem „Flying Circus“, einer Serie mit satirischen, dadaistischen Sketchen, die nach wie vor sehr gut funktionieren.

Einige der besten haben Eric Idle, Graham Chapman, Michael Palin, John Cleese, Terry Jones und Terry Gilliam 1971 in dem Spielfilm „Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft“ („And now for something completely different“) versammelt.

Mal geht es darum, wie wichtig es sein kann, nicht gesehen zu werden, mal gilt es, sich gegen einen mit Obst bewaffneten Angreifer zu verteidigen. Ein tödlicher Witz ist ebenso Teil des Programms wie ein regungsloser Papagei und ein Damenkränzchen, das die Schlacht von Pearl Harbor nachstellt – alles garniert mit Gilliams herrlichen Animations-Sequenzen, in denen gefräßige Kinderwagen und tanzende Zähne auftauchen. Kommt zurück, Ihr Briten! (ha)

         

► John Wayne – wer war das nochmal?

„Die vier Söhne der Katie Elder“.

Zu sehen bei Amazon Prime und Apple+.

Was wäre ein klassischer Western ohne John Wayne? Vermutlich trotzdem ziemlich gut, „Zwölf Uhr mittags“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“ lassen grüßen. Nicht zu leugnen ist allerdings, dass der Hollywood-Schauspieler wie kein anderer für das Genre steht – und dabei auch oft einen sehr guten Job macht. Eine Paraderolle spielt Wayne als John Elder in „Die vier Söhne der Katie Elder“ von 1965.

Die Story: Die vier Elder-Söhne John, Tom, Matt und Bud treffen sich zum Tod ihrer einsam gestorbenen Mutter wieder. Dabei erfahren sie, dass ihr Vater ebenfalls gestorben ist und seine Farm an den Rancher Dave Hastings verkauft haben soll. Die vier Söhne lassen es nicht darauf beruhen.

Neben John Wayne dürfte den Zuschauerinnen und Zuschauern ein weiteres bekanntes Gesicht ins Auge springen. Tom Elder wird gespielt von dem Sänger Dean Martin, der allerdings selbst in dem Film nicht zum singen kommt. Die Titelmelodie liefert dafür der legendäre Johnny Cash. Allgemein ist die Filmmusik von „Die vier Söhne der Katie Elder“ ein hervorragender Grund, dem Western eine Chance zu geben. Die Filmmusik-Ikone Elmer Bernstein („Die glorreichen Sieben“) hat wieder einmal einen unvergesslichen Soundtrack zu einem unvergesslichen Film geschrieben. (xan)

         

► Welche Serie sollte ich unbedingt schauen, obwohl der Titel so komisch klingt?

„Sex Education“ (aktuell: 3. Staffel)

Zu sehen bei Netflix.

Ja, ja, ja, auf Deutsch bedeutet „Sex Education“ wirklich das, was der englische Titel auch schon vermuten lässt, nämlich „Sexualaufklärung“. Und es geht in dieser Serie auch wirklich ziemlich viel um „diese Sache da“. Aber wer vermutet, das Ganze spiele allzu sehr unter der Gürtellinie und liege damit weit unter seinem Niveau, der täuscht sich gewaltig. „Sex Education“ ist eine ganz wunderbar fein gestrickte, spannende, hoch emotionale und im Kern auch sehr moralische Coming-of-Age-Geschichte aus einer britischen High School, auf der ganz viele sehr verschiedene junge Menschen versuchen, mit Lust, aber auch mit Anstand erwachsen zu werden.

Im Mittelpunkt stehen dabei Otis und Maeve, die eigentlich seit der ersten Folge der ersten Staffel ganz eindeutig füreinander bestimmt sind, aber natürlich durch ein wahres Feuerwerk an Widrigkeiten immer wieder am Zusammenkommen gehindert werden. Doch dann sind da ja auch noch ihre Mitschüler*innen Eric und Adam, Jackson und Vivienne, Ola und die durchgeknallte Lily, Aimee und ihr sportlicher Norweger und, und, und. Und jede dieser Figuren, die anfangs vielleicht nur skurril wirken, bekommt von den Autoren nach und nach eine Geschichte, wächst dem Zuschauer ans Herz. Ach ja, und das Gendersternchen gerade eben haben wir sehr bewusst gesetzt, denn in diesem Wunderort (wie immer öfter auch im wahren Leben) wird so selbstverständlich gegendert, dass es natürlich prompt die Schulaufsicht auf den Plan ruft.

„Sex Education“ ist eine dieser Serien, die wirklich süchtig macht: lustig, spannend, dramatisch, gefühlvoll, immer wieder auch zu Tränen rührend. Nichts hilft besser, die letzten Wochen bis zum Freedom Day in Deutschland zu überbrücken. Ach, und fragt jetzt jemand, was die Moral von alledem sein soll? Nun, natürlich dies: Werdet selbstbewusst und habt Respekt voreinander! Das gilt übrigens auch im Alter noch. (schl)