Auftritt Kurt Cobain mit Nirvana 1991 beim Transmusicales Festival in Rennes, Frankreich, wenige Monate nach dem Konzert im LKA. Foto: /IMAGO/Photoshot / Avalon

Stell dir vor, Nirvana spielt in Stuttgart – und viele stehen lieber draußen: Zum 30. Todestag von Kurt Cobain blicken wir auf einen denkwürdigen Auftritt in den 90ern im LKA Longhorn.

Es ist 1991, das LKA/Longhorn heißt noch Longhorn Country & Western Saloon und „Bacardi Feeling“ hat in Deutschland gerade „Wind Of Change“ von der Spitze der Albumcharts verdrängt. Was zu dieser Zeit musikalisch im Pazifischen Nordwesten der USA, genauer gesagt rund um Seattle rumort, bekommen hierzulande nur einige wenige mit.

 

Die Musik, die unter dem Namen Grunge noch vor Ende des Jahres auch Deutschland in Brand stecken wird, ist noch tief in der Punk-Subkultur verwurzelt. Trotz erster Erfolge von Bands wie Pearl Jam ist daraus längst noch kein Massenphänomen geworden. Nirvana werden das im Alleingang schlagartig ändern – mit ihrer Jahrhundertsingle „Smells Like Teen Spirit“.

Als „Smells Like Teen Spirit“ in Dauerschleife lief

Die erscheint am 10. September 1991, wird wenig später von MTV entdeckt und läuft dann ununterbrochen. Das Resultat ist ein Stück tragische Musikgeschichte: Nirvanas zweites Album „Nevermind“ wird zu einer der erfolgreichsten Platten aller Zeiten, die Bandmitglieder werden zu Superstars, besonders Sänger Kurt Cobain. Er ist der neue Posterboy, Galionsfigur einer gesamten Generation. Sogar die notdürftige Kleidung der damals noch bettelarmen Band, halblange strähnige Haare, zerschlissene Jeans, Flanellhemden gegen die Kälte, wird zum Modetrend.

Wenige Wochen vor Erscheinen der Durchbruchssingle „Smells Like Teen Spirit“, und damit auch vor der Explosion des Grunge, spielen Nirvana ein Konzert in Stuttgart. Nicht als Headliner, noch sind sie in Europa allenfalls ein Geheimtipp; sondern als Support-Band für Sonic Youth. Die stellen damals gerade ihr Album „Goo“ vor, mit dem sie letztlich auch Nirvana den Weg in den Mainstream ebnen und zu Ikonen der Alternative-Rock-Welt werden.

Plakatankündigung des Konzerts. Foto: LKA/Lift

Knapp zwei Wochen touren die beiden Bands durch Deutschland, spielen neben Stuttgart auch in Bremen und Köln, in Halle und Nürnberg. In Stuttgart verbringen Zeitzeugen zufolge jede Menge Besucher den Auftritt von Nirvana draußen vor der Halle. Es ist ein warmer Sommerabend, es wird gekifft, geraucht, getrunken und geplaudert.

Drinnen geht um halb neun derweil eine Band auf die Bühne, die die Rockmusik wie wenige andere prägen wird. Sehr wahrscheinlich spielen Nirvana an diesem Abend 14 Stücke, einige davon sind schon von „Nevermind“. Fakt ist: Auch „Smells Like Teen Spirit“ wird damals gespielt.

Die Begeisterung, die hält sich laut LKA-Chef Thomas „Tommy“ Filimonova aber in Grenzen. „Es war nicht allzu viel vor der Bühne los“, erinnert er sich. „Und die, die da waren, fanden den Auftritt von Nirvana zu lang: Es erklangen einige Buhrufe vor der Bühne.“

Da steht Kurt Cobain auf der Bühne. Und wird ausgebuht. Wow. „Die Leute fanden Nirvana nicht schlecht“, versichert Filimonova, „aber es kannte sie eben niemand und die Leute wollten endlich Sonic Youth sehen.“

Filimonova selbst hatte davor noch nichts von dieser Band gehört und war eher an Sonic Youth interessiert. 1 500 Stuttgarter auch. Da wollte niemand eine Band sehen, die um die 14 Stücke spielte und von einem Frontmann angeführt wird, der sich auf dem Boden wälzt, voller Gram ins Mikrofon schreit, über die Bühne stolpert.

Depressionen, Drogen, zu viel Ruhm und Aufmerksamkeit

Aufgesetzt ist das schon im August 1991 nicht: Cobain mag den Ruhm nicht, die Aufmerksamkeit, sein neues Dasein als Vorbild, als Identifikationsfigur, als Rockstar. Zu seinen Depressionen gesellt sich ein außer Kontrolle geratener Drogenkonsum, schließlich zerbricht er am Erfolg. Drei Jahre nach dem Auftritt in Stuttgart und viele Konzerte und Auftritte später, am 5. April 1994 erschießt sich Kurt Cobain. Er ist damals 27 Jahre alt, ein morbid-mystisches Alter, das er mit Janis Joplin, Amy Winehouse oder Jim Morrison teilt.

Cobain ist nicht das einzige Opfer des Grunge – Chris Cornell von Soundgarden ist tot, ebenso Scott Weiland von den Stone Temple Pilots oder Layne Staley von Alice in Chains. Er wird jedoch auf ewig das berühmteste bleiben. Deswegen wird auch im LKA am 5. April 2024 in seinem Namen getanzt. Die Partyreihe „Crossing All Over The 90s“ widmet sich an diesem Abend vorrangig Kurt Cobain und der wichtigsten Rockband der Neunziger.

DJ Philipp Lober veranstaltet das Event seit zehn Jahren und erinnert sich: „Nirvana habe ich zum ersten Mal auf MTV gesehen – mit ‚Smells Like Teen Spirit‘. In der Pubertät fühlt man sich oft unverstanden. Das hat meiner Meinung nach den Erfolg von Nirvana ausgemacht.“ Lober ist 13, als sich Cobain erschießt. „Ich kann mich an die Bilder im Fernsehen noch mindestens so genau erinnern wie an den 11. September. Meine Freunde und ich hatten damals eine eigene Trauerfeier.“ Am Freitag wird sie fortgesetzt.

Legendäre Konzerthalle in Stuttgart

Der Laden
Das LKA/Longhorn gibt es seit exakt 40 Jahren. Neben Nirvana traten dort auch schon Nina Hagen, Eminem, Cro, die Ärzte oder Kraftklub auf. Bis heute steigen dort jeden Monat zahlreiche Konzerte zwischen Pop, Metal, Rock und Rap.

Die Band
Nirvana gründen sich 1987 in Aberdeen, Washington. Der Durchbruch kommt 1991 mit ihrem zweiten Album „Nevermind“, das sich mehr als 30 Millionen Mal verkauft. Vor Kurt Cobains Tod kommt nur noch ein Album hinzu – „In Utero“.

Die Party
Ab 21 Uhr wird am Freitag, den 5. April 2024 zu Ehren von Kurt Cobain getanzt. Bis drei Uhr wird neben jeder Menge Nirvana auch Musik von Alice in Chains, Pearl Jam, Rage Against The Machine, Faith No More, Nine Inch Nails, Smashing Pumpkins oder Tool gespielt.