Ungeimpfte müssen draußen bleiben, Geimpfte und Genesene brauchen trotzdem einen Test: Die aktuelle Verordnung für die Gastronomie schmeckt nicht jedem. Foto: Schuldt

"Lockdown durch die Hintertür": Scharfe Kritik an "2G plus" in Restaurants und Cafés in Baden-Württemberg. Für Geboosterte gilt eine Sonderregel.

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Oberndorf - Der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sieht in der ab Samstag geplanten 2G-plus-Regelung einen "Lockdown durch die Hintertür". Landeschef Fritz Engelhardt sagte am Freitag in Stuttgart, spontane Gasthaushausbesuche seien unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich, zumal es fast überall im Land an einer ausreichenden Testinfrastruktur fehle. Die Regelung sei außerdem unverhältnismäßig. "Unsere Branche ist zu keinem Zeitpunkt Pandemietreiber gewesen. Sichere Gasthausbesuche sind – zumal unter 2G-Bedingungen – problemlos möglich."

Der Branchenverband ging davon aus, dass in den kommenden Tagen sehr viele gastgewerbliche Betriebe im Land schließen und ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken. Sie könnten unter den Bedingungen der neuen Corona-Verordnung nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Engelhardt kritisierte die Politik, weil sie die Regelung sehr kurzfristig einführe. "Daran, was die Einführung von 2G plus von heute auf morgen für Betriebe, Beschäftigte und Gäste bedeutet, denkt offenbar niemand in der Landesregierung. Was hier passiert, ist planlos und den Betroffenen gegenüber respektlos."

In Baden-Württemberg gibt es dem Verband zufolge rund 30 000 gastgewerbliche Betriebe. Vor der Krise wurden 137 000 Mitarbeiter gezählt. Durch die Corona-Pandemie habe die Branche bisher rund 12 Milliarden Euro Umsatz verloren, teilte ein Sprecher mit. "Das entspricht nahezu einem kompletten Jahresumsatz."

"An der Realität vorbei"

Im Kreis Freudenstadt, wo Tourismus und Restaurants traditionell einen bedeutenden Wirtschaftszweig darstellen, hat die neue Regelung Entsetzen in der Branche ausgelöst. Beate Gaiser, Vorsitzende der Dehoga-Kreisstelle, übt Kritik am Zeitmanagement des Landes: "Man kann doch nicht heute was beschließen, das morgen schon umgesetzt werden muss. Wie soll das gehen? Das muss man doch erst organisieren. Das geht an allen Realitäten vorbei." Unterschiedlich seien auch die Regeln für Hotels, die noch Gäste nach der 2G-Regel beherbergen dürften, und Gaststätten.

Die Branche sei schon jetzt schwer getroffen, so Gaiser weiter. Praktisch alle Weihnachtsfeiern seien storniert worden. Nun sei man wieder auf Unterstützung angewiesen. Nach aktuellem Stand der Dinge könnten die Häuser jedoch nur mit einer gekappten Überbrückungshilfe rechnen. Außerdem müsse der Staat über neue Kurzarbeit nachdenken. "Dann fordern wir aber einen Einstieg bei 80 Prozent, nicht wieder bei 60 Prozent", sagt die Dehoga-Vorsitzende. Sie betont, man habe sich stets an alle Kontroll- und Hygieneauflagen gehalten. "Alle unsere Mitarbeiter sind geimpft, ich selbst bin geboostert. Wir haben getan, was möglich ist."

Michael Steiger, Vorsitzender der Dehoga im Schwarzwald-Baar-Kreis, sagt, viele Gastronomen seien "mit den Nerven am Ende". Die neue Regelung sei nicht zu Ende gedacht worden. In Bayern habe man 2G plus ausgeschlossen, da es nicht genügend Teststationen gibt. "Die Entscheidung der Politik ist über Nacht gefallen, das ist eine bodenlose Frechheit", so Steiger. Was bei den Gastronomen bleibt: die große Ungewissheit. "Viele wissen nicht, ob sie zu machen können, da nicht klar ist, ob sie dann Kurzarbeitergeld beantragen können oder Hilfen erhalten."

Martin Feger, Betreiber des Restaurants "Grüner Baum" in Lahr (Ortenaukreis) und Chef der Kreisstelle des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), glaubt nicht, dass sich Gäste testen lassen, um in ein Café zu gehen. "Für viele Zweige ist das der Todesstoß", sagt er. Einige Gaststätten würden mit dem Gedanken spielen, ab Montag zu schließen und nur noch Essen zum Mitnehmen anzubieten. Sein Resümee: "Alles wird wieder ins Private verlagert. Da gibt es keine Kontrollen."

Einige froh über Testpflicht

Christine Reutlinger vom Gasthof Adler in Schramberg-Tennenbronn (Kreis Rottweil) beobachtet eine zunehmende Verunsicherung der Gäste. Manche würden umplanen, weg von dem großen Familientreffen hin zur Feier im kleinen Rahmen. "Geimpft sein und Test, das scheint einige abzuhalten." Sie fügt an: "Für uns ist es dann schwierig, zu planen und entsprechend zu bestellen, weil man nicht weiß, wie es sich entwickelt."

Thomas Zimmermann, Inhaber des renommierten Hotel-Gasthof Hirsch in Schramberg, hat hingegen noch keine Stornierungen von Reservierungen erhalten. Er ist deshalb zuversichtlich: "Ich denke, dass unsere Gäste es auf sich nehmen, einen negativen Test mitzubringen."

In der Tat scheinen einige Gäste die neue Regelung sogar zu begrüßen. Denn diese bringt ein zusätzliches Maß an Sicherheit mit sich. Das berichtet auch Enza Geiger, Inhaberin der "Trattoria da Enza" in Lahr (Ortenaukreis): Ihre Gäste wollen auch dann noch kommen, wenn sie vorher einen Schnelltest machen müssen. "Mir wäre es sogar lieber, wenn sich alle testen lassen", sagt eine Restaurantbesucherin.

Die 2G-plus-Regelung sei "eigentlich zu befürworten", sagt auch Jörg Sackmann, Chef des Hotels Sackmann in Baiersbronn-Schwarzenberg (Kreis Freudenstadt). Aber die Umsetzbarkeit müsse beachtet werden. Sackmann weiter: "Für das Übernachten reicht 2G, für den Restaurantbesuch ist aber 2G-plus nötig." Man sei mit der örtlichen Ärzteschaft in Baiersbronn im regen Austausch. Die Gäste könnten sich bei ihm testen lassen. "Essen ist ein Grundbedürfnis", macht der Sternekoch die Bedeutung der Restaurants für die Bürger aus seiner Sicht deutlich.