Netflix-Erfolgsserien: „Bridgerton“, „Squid Game“, „Haus des Geldes“, „Stranger Things“ (von links oben im Uhrzeigersinn) Foto: Netflix

Von „House of Cards“ bis „Stranger Things“, von „Bridgerton“ bis „Squid Game“: Ohne Netflix sähe die TV-Welt heute anders aus. Und das liegt nicht nur daran, dass der Streamingdienst aus Kalifornien das Binge Watching erfunden hat. Eine Bestandsaufnahme.

Der Streamingdienst Netflix, der vor 25 Jahren gegründet wurde, hat die Fernsehwelt auf den Kopf gestellt und Sehgewohnheiten revolutioniert. Doch das goldene Zeitalter der TV-Serien, das der Pionier der Flatrate-Kultur ausgelöst hat, könnte bald zu Ende gehen. Eine Annäherung an eines der größten Phänomene der Popkultur des 21. Jahrhundert in zehn Stichworten.

1. DVD-Versand

Als Reed Hastings und Marc Randolph am 29. August 1997 im kalifornischen Scotts Valley Netflix gründen, gleicht das Internet eher einem Feldweg als einer Schnellstraße. Das Online-Kaufhaus Amazon existiert erst seit drei Jahren, Google wird ein Jahr später gegründet, bis es Youtube gibt, werden noch acht Jahre vergehen. Netflix startet nicht als Streamingdienst, sondern als DVD-Versand. 925 Filmtitel umfasst der Netflix-Katalog zunächst. Die DVDs kann man übers Internet bestellen und bekommt sie per Post zugeschickt. Obwohl Netflix im Jahr 2007 zum Streamingdienst wird, kann man bis heute in den USA bei Netflix noch DVDs mieten und sich per Post nach Hause schicken lassen.

2. Flatrate

Bereits im Jahr 1999, als an Online-Streaming aufgrund der fehlenden Bandbreite noch nicht zu denken war, führte Netflix ein monatliches Flatrate-Abo für DVDs ein. Dieses Geschäftsmodell hat sich inzwischen nicht nur beim Home-Entertainment, sondern vor allem auch beim Musikkonsum durchgesetzt und die traditionellen Unternehmen der Unterhaltungsindustrie in die Krise gestürzt. Weltweit hat Netflix inzwischen rund 220 Millionen Abonnenten.

3 . Eigenproduktionen

Zur Erfolgsgeschichte von Netflix gehört auch, dass sich der Streamingdienst seit dem Jahr 2013 nicht mehr damit begnügt, seinen Abonnenten eine große, gut sortierte Online-Videothek zur Verfügung zu stellen, sondern ihnen auch Eigenproduktionen bietet. Ohne herkömmlichen TV-Sender oder traditionelles Filmstudio im Rücken machte sich Netflix mit Qualitätsserien wie „House of Cards“ (2013–2018) oder „Orange is the new Black“ (2013–2019) einen Namen und räumte zahllose TV-Preise ab. Zu den erfolgreichsten Originalserien zählen heute „Squid Game“, „Haus des Geldes“, „Bridgerton“ und „Stranger Things“. Inzwischen produziert Netflix auch Kinofilme.

4. Binge-Watching

Der frechste Einfall von Netflix ist es, bei neuen Serien nicht Woche für Woche eine neue Folge ins Netz zu stellen, sondern alle Episoden einer Staffel auf einmal zu veröffentlichen. Dies hat die Sehgewohnheiten und die Mediennutzung nachhaltig verändert. Serienfans lieben es heute, mehrere Episoden oder sogar ganze Serienstaffeln am Stück zu schauen. „Binge-Watching“ (Kommaglotzen) nennt sich das. Es liegen bereits Studien vor, die vor psychischen Folgen des Binge-Watching warnen.

5. International

Eine andere clevere Idee von Netflix ist es, überall auf der Welt nach Stoffen zu suchen und dortige Kreative für sich Geschichten erzählen zu lassen. Das macht den Streamingdienst zu einer wunderbar diversen, viele Sprachen sprechenden Plattform. Viele der besten und erfolgreichsten Netflix-Serien stammen nicht aus den USA: „Dark“ und „Unorthodox“ (Deutschland), „Haus des Geldes“ (Spanien) und „Squid Game“ (Südkorea).

6. Coming-of-Age

Anfangs hatte Netflix mit seinen Eigenproduktionen vor allem ein anspruchsvolles erwachsenes Publikum im Blick. Doch inzwischen erzählt ein Großteil der Filme und Serien Geschichten mit Jugendlichen für Kinder und Jugendliche. Und nicht alle Young-Adult-Produktionen sind leider so gelungen wie „Atypical“, „Sex Education“, „The Baby-Sitters Club“ oder „I am not okay with this“.

7. Auszeichnungen

Netflix-Serien haben 112-mal den TV-Preis Emmy gewonnen. Zuletzt wurde „The Crown“ 2021 als bestes Seriendrama ausgezeichnet. Bei der nächsten Preisverleihung am 12. September sind „Stranger Things“, „Ozark“ und „Squid Game“ als bestes Seriendrama nominiert.

8. Konkurrenz

Der Streamingmarkt ist umkämpft. Neben Internetkonzernen wie Amazon oder Apple wollen inzwischen auch etablierte Filmstudios wie Disney oder Paramount mit eigenen Angeboten Geld verdienen. Weltweit hat der Streamingpionier Netflix die meisten Abonnenten (220 Millionen) – vor Amazon Prime Video (200 Millionen) und Disney+ (137,7 Millionen). Für Deutschland gibt es keine offiziellen Zahlen, nach Schätzungen liegt hier aber Amazon (12,6 Millionen) vor Netflix (10 Millionen).

9. Streamingkrise

Netflix hat im zweiten Quartal dieses Jahres 970 000 Abonnenten verloren, die Konkurrenz holt auf. Der Streamingmarkt ist übersättigt, die goldenen Zeiten für Netflix, aber auch für Serienfans könnten bald vorbei sein.

10. Klimakrise

Netflix will im Jahr 2022 klimaneutral werden. In die Unternehmensbilanz fließt aber nicht der CO2-Ausstoß ein, der beim Zuschauen entsteht. Laut dem französischen Thinktank Shift Project hat Streaming 2018 weltweit mehr als 300 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht.