Der Landtag hat für das Ganztagsschulgesetz gestimmt. Damit findet ein langjähriges Provisorium ein Ende. Foto: dpa

Die baden-württembergische Landesregierung hat am Mittwoch das Ganztagsschulgesetz auf den Weg gebracht. Mit dem Gesetz will Grün-Rot den Ganztagsbetrieb vor allem bei den 2400 Grundschulen vorantreiben.

Die baden-württembergische Landesregierung hat am Mittwoch das Ganztagsschulgesetz auf den Weg gebracht. Mit dem Gesetz will Grün-Rot den Ganztagsbetrieb vor allem bei den 2400 Grundschulen vorantreiben.

Stuttgart - Mit jahrelanger Verzögerung wird die Ganztagsschule nun fester Bestandteil des baden-württembergischen Bildungssystems. Nach dem massiven Ausbau der Kinderbetreuung will Grün-Rot auch bei den Ganztagsschulen aufholen. Galt Ganztagsbetrieb früher noch als Stigma für Schulen an sozialen Brennpunkten, ist er für die Regierung ein Zeichen von Qualität.

Am Mittwoch verabschiedete der Landtag mit Koalitionsmehrheit ein Gesetz, mit dem die Ganztagsgrundschule zur Regelschule wird. SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei sprach von einem „großen Tag für ein leistungsstarkes und bildungsgerechtes Baden-Württemberg“.

Damit endet ein Provisorium: Denn obwohl schon seit fast fünf Jahrzehnten existent wurden Ganztagsschulen im Südwesten nur als Modellversuch betrieben. Aus Sicht von Grün-Rot hatte die Ganztagsschule ihr Dasein in der Grauzone dem veralteten Familienbild der CDU mit einer Mutter, die die Kinder nach der Vormittagsschule zu Haus betreut, zu verdanken.

Opposition verweigert Zustimmung

Trotz des Appells von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) zu einem fraktionsübergreifenden Konsens verweigerten CDU und FDP die Zustimmung. Grund: Den Familien werde die Ganztagsschule aufgezwungen, sie hätten keine echte Wahlfreiheit. Stoch warf der Opposition vor, „krampfhaft ein Haar in der Suppe“ finden zu wollen. Sie müsse sich wegen ihrer „Kleinkrämerei“ eigentlich schämen. Die Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser erinnerte daran, dass der Nachholbedarf im Südwesten mit einem Anteil von nur knapp 19 Prozent Ganztagsschülern der Untätigkeit der schwarz-gelben Vorgängerregierung geschuldet sei.

Mit dem Gesetz will Grün-Rot den Ganztagsbetrieb bei den 2400 Grundschulen vorantreiben, die laut Stoch zu lange „im bildungspolitischen Abseits“ gestanden haben. Der Forderung der Opposition nach mehr freiwilligen Angeboten für Schüler am Nachmittag hielt der Minister entgegen: „Schule ist ein Ort, wo Qualität im Mittelpunkt steht - nicht Flexibilität.“ Nach dem Konzept Stochs können Schulen entweder komplett auf verpflichtenden Ganztagsbetrieb umstellen oder als „Wahlform“ den Familien anbieten, ihr Kind ein Schuljahr lang für Ganztagsbetrieb anzumelden.

Die Kinder profitieren nach Überzeugung Stochs enorm von der für die Ganztagsschule typischen Rhythmisierung, das heißt dem Wechsel von Phasen der An- und Entspannung, von Aktivität und Konzentration. Die Eltern seien in der Schulkonferenz in die Entscheidung über Ganztagsbetrieb und dessen Ausgestaltung beteiligt, erläuterte der Minister. Für Mütter und Väter werde eine mögliche Betreuungslücke nach der verlässlichen Betreuung ihres Nachwuchses in der Kita geschlossen. 70 Prozent der Eltern wünschten eine Ganztagsschule.

CDU und FDP beklagen mangelnde Wahlfreiheit

Die CDU und die FDP im Landtag argumentierten, der Begriff „Wahlform“ sei „Rosstäuscherei“. Schüler könnten nicht vormittags den Unterricht besuchen und nachmittags entweder ein freiwilliges Angebot der Schule besuchen oder eben auch frei haben. Der CDU-Bildungsexperte Georg Wacker sagte, die mangelnde Flexibilität laufe gerade den Bedürfnissen der wachsenden Zahl in Teilzeit beschäftigter Mütter zuwider. Insbesondere bei der vollständigen Umstellung einer Grundschule auf Ganztag seien die Eltern gezwungen, die dies nicht wünschten, eine andere, möglicherweise weiter entfernte Schule zu finden.

Der FDP-Abgeordnete Timm Kern befürchtet, dass der rhythmisierte Unterricht die Vereine aus den Schulen verdrängen könnte; Übungsleiter seien vormittags für schulische Aufgaben kaum abkömmlich.

Der Schulverwaltung liegen mehr als 180 Anträge von kommunalen Schulträgern auf Ganztagsbetrieb im kommenden Schuljahr vor, über die in Kürze entschieden wird. Nach dem neuen Konzept werden die Ganztagsgrundschulen deutlich besser mit zusätzlichen Lehrerwochenstunden ausgestattet als im Modellversuch. Bei der weitestgehenden Ausgestaltung des Ganztags - acht Zeitstunden an vier Tagen in de Woche - erhalten die Schulen zwölf Lehrerwochenstunden pro Schülergruppe.

Kern und Fulst-Blei plädierten ebenso wie GEW-Landeschefin Doro Moritz dafür, dass der Ganztagsbetrieb auch an den weiterführenden vorangetrieben wird.