In Nigeria wird fieberhaft nach den entführten Mädchen gesucht. Foto: dpa

Nigerias Behörden wollen sich von der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram nicht einschüchtern lassen. Gespräche über einen Austausch zwischen Häftlingen und entführten Mädchen schließen sie aus. Stattdessen setzt die Regierung auf internationale Hilfe - und entsendet Truppen an die Grenzen.

Nigerias Behörden wollen sich von der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram nicht einschüchtern lassen. Gespräche über einen Austausch zwischen Häftlingen und entführten Mädchen schließen sie aus. Stattdessen setzt die Regierung auf internationale Hilfe - und entsendet Truppen an die Grenzen.

Abuja - Die nigerianische Regierung hat Verhandlungen mit der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram über die Freilassung von über 200 entführten Schülerinnen kategorisch abgelehnt. Nach einem Treffen mit seinen Sicherheitschefs schloss Präsident Goodluck Jonathan einen Austausch inhaftierter Mitglieder der Gruppe für die verschleppten Jugendlichen aus. Die Suche nach den Geiseln wurde derweil intensiviert: Die USA sind mit bemannten Flugzeugen im Einsatz.

Boko-Haram-Chef Abubakar Shekau hatte am Montag in einem neuen Video die Freilassung aller seiner im Gefängnis sitzenden Kämpfer gefordert. Als Gegenleistung werde er die Mädchen gehen lassen. Mehrere Hundert Boko-Haram-Mitglieder sitzen in dem westafrikanischen Land in Haft. Einige wurden bereits wegen Terrorismus zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

„Wir arbeiten mit dem Militär und Geheimdienstexperten zusammen, die bereits den Nordosten des Landes observieren“, sagte ein Sprecher der Regierung. „Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Optionen abwägen, um die Mädchen da rauszuholen, aber wir werden nicht mit der Gruppe verhandeln.“ Die überwiegend christlichen Schülerinnen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren waren vor einem Monat aus einer Schule in dem Ort Chibok im Bundesstaat Borno verschleppt worden. In einem in der vergangenen woche veröffentlichten Video hatte Shekau gedroht, er werde seine Geiseln als Sklavinnen verkaufen. Die Boko Haram will im Norden Nigerias einen Gottesstaat einrichten und verübt seit 2009 immer wieder schwere Anschläge mit bisher Tausenden Toten.

Mittlerweile helfen unter anderem die USA und Großbritannien bei der Suche. Wie der TV-Sender CNN unter Berufung auf Regierungsbeamte berichtete, überfliegen derzeit bemannte amerikanische Aufklärungsflugzeuge das westafrikanische Land. Außerdem versorgen die USA die nigerianischen Behörden mit Satellitenbildern. Washington hatte vor wenigen Tagen ein Team von Experten nach Nigeria geschickt. Es gebe aber keine Pläne, US-Kampftruppen zu beteiligen, hieß es in Washington.

Nigeria selbst habe zwei Divisionen an den Grenzen zu den Nachbarländern Kamerun, Tschad und Niger stationiert, erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums Chris Olukolade. Sie sollen verhindern, dass die Geiseln ins Ausland gebracht werden. Obwohl es mehrmals Berichte gab, die Mädchen seien nach Kamerun oder sogar in die Zentralafrikanische Republik verschleppt worden, nehmen die Behörden an, dass die meisten von ihnen noch in Nigeria sind.

Die meisten der Mädchen seien zum Islam konvertiert

Spezialisten waren am Dienstag damit befasst, das neue Video auszuwerten und eventuelle Hinweise auf das Versteck der Islamisten zu finden. In dem knapp halbstündigen Film sind über 130 der Jugendlichen zu sehen, die in muslimische Gewänder gekleidet aus dem Koran rezitierten. Shekau sagte, die meisten der Mädchen seien zum Islam konvertiert.

Ein Vater zeigte sich über diese Aussage schockiert: „Meine Tochter ist eine Christin, und daran wird sich nichts ändern. Lieber soll sie als Christin sterben, als dass sie zum Islam konvertiert“, zitierte die Zeitung „Vanguard“ den Mann. Einen Gefangenenaustausch lehnte er ab. „Die Regierung soll die Mädchen retten. Wenn wir sie gegen Häftlinge austauschen, dann wird das die Boko Haram nur ermutigen, noch mehr Geiseln zu nehmen. Dann wird das alles nie enden.“

Ob das Video tatsächlich die vermissten Schülerinnen zeigt, war unterdessen weiter unklar. Die Lokalregierung des Bundesstaates Borno ordnete eine Vervielfältigung des Filmmaterials an, damit alle Eltern die Möglichkeit bekommen, ihre Töchter zu identifizieren. „Ich habe mir das Video angeschaut, aber ich konnte meine Tochter nicht darin entdecken“, sagte Awana Babagana, der Vater eines der Mädchen. „Wir werden weiter beten, bis sie freigelassen werden.“ Eine Mutter erklärte hingegen am Dienstag, sie habe ihre Tochter in dem Video wiedererkannt.

Mit einer Demonstration vor dem Eiffelturm haben sich prominente Pariserinnen mit den entführten Schülerinnen solidarisiert. Zu den Unterstützerinnen zählten am Dienstag die Sängerin Carla Bruni, Frau von Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, die Journalistin Valérie Trierweiler, frühere Lebensgefährtin von Staatschef François Hollande, die Sängerin und Schauspielerin Sandrine Kiberlain und die Schauspielerin Alexandra Lamy. Auf einem Transparent forderten die Frauen die Verantwortlichen auf, die Kinder zurückzubringen. Sie griffen damit die seit Tagen im Internet auch von Prominenten getragene Foto-Kampagne #BringBackOurGirls auf. Daran hatten sich unter anderem US-Präsidentengattin Michelle Obama und Frankreichs Justizministerin Christiane Taubira beteiligt.

Mit der Entführung wird nach Ansicht der Unesco auch das universelle Recht auf Bildung verletzt. Für die Bildungsorganisation der Vereinten Nationen ist die Antwort nach Angaben vom Dienstag in Paris klar: „Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um jedem Mädchen und Jungen qualitativ hochwertige Bildung zu garantieren“, sagte Unesco-Chefin Irina Bokowa.