Einst pulverisierte Facebook soziale Netzwerke wie StudiVZ und SchülerVZ. Doch die Plattform altert immer schneller. Die Jugend wandert ab – und sucht sich neue Nischen im Netz.
Es ist knapp zehn Jahre her, dass sich Rapper Eminem und Popsängerin Rihanna eiskaltes Wasser aus einem Plastikkübel über den Kopf schütteten. Zu verdanken hatten sie diese eiskalte Dusche dem sozialen Netzwerk Facebook. Dort wurde die sogenannte Ice-Bucket-Challenge zum Trend ausgerufen. Zahlreiche Promis, Politiker und Sportler wie Bayern-Torhüter Manuel Neuer kippten sich Eiskübel über dem Kopf aus.
Doch die Zeiten haben sich geändert, seit Mark Zuckerberg die Plattform vor 20 Jahren ins Netz stellte und deutsche Pendants wie StudiVZ und SchülerVZ pulverisierte. Nach dem kometenhaften Aufstieg folgt die Ernüchterung. Der einstige Schülermagnet Facebook hat mittlerweile eher den Ruf eines digitalen Seniorentreffs. Die Trends werden von anderen Apps gesetzt. Laut Thomas Rathgeb zeigt die Kurve schon länger deutlich nach unten. „Facebook wird immer unbeliebter bei Jugendlichen“, sagt der Medienforscher im Gespräch mit unserer Redaktion.
Beliebtheitskurve bei Jugendlichen zeigt nach unten
Als Leiter der Abteilung Medienkompetenz, Jugendschutz und Forschung bei der Landesanstalt für Kommunikation in Baden-Württemberg hat Rathgeb die sogenannte JIM-Studie geleitet, für die knapp 1200 Jugendliche in Deutschland zu ihren Surfgewohnheiten befragt worden waren.
Laut dieser Umfrage geben nur noch 22 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen an, Facebook mehrmals pro Woche zu nutzen. „Vor knapp zehn Jahren war Facebook noch das Tool der Jugend“, sagt Rathgeb. Heute sieht das anders aus. „Facebook ist ein Medium für Erwachsene.“ Unter Jugendlichen finde üblicherweise keine Kommunikation mehr auf der Online-Plattform statt. „Aus Sicht der Jugend ist Facebook was für Ältere.“
Teenager schreiben sich lieber Chatnachrichten bei Whatsapp und liken Fotos bei Instagram, als die Timeline von Facebook zu durchforsten. Damit bleibt die Jugend zumindest dem Facebook-Mutterkonzern Meta treu. Denn Whatsapp und Instagram gehören beide zum Zuckerberg-Imperium.
Schrille Konkurrenz aus China
Doch auch die Konkurrenz aus China macht Facebook zu schaffen. Immer mehr junge Menschen wischen durch die schrille Clipliste von Tiktok. Das Videoportal ist seit dem Start vor acht Jahren regelrecht explodiert. Die Kurzclips ziehen mittlerweile rund 1,5 Milliarden Nutzerinnen und Nutzer in ihren Bann. Basteltipps, Schminktutorials und Erschreckstreiche: Tiktok lotst die Nutzer durch Videos mit Katzen, die vor Toastern erschrecken, Familienvätern, die Wasserballons über Türen zerplatzen lassen, und Kindern, die kopfüber in Matschpfützen landen.
Die Unterhaltungshappen ziehen bei Jugendlichen. Vor allem bei Teenagern im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren steht Tiktok laut JIM-Studie ganz oben auf der Liste. Doch die Sogwirkung ist umstritten. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das personalisierte Clipfeuerwerk süchtig macht. Doch die bunte Videowelt ist nicht unbedingt der entscheidende Wechselfaktor. Für die Jugend ist viel wichtiger: Tiktok ist nicht Facebook.
„Es war ein Schock für viele Jugendliche, als in der Hochphase vor ein paar Jahren plötzlich die Eltern bei Facebook aufgetaucht sind“, sagt Rathgeb. „Das will man einfach nicht.“ Mittlerweile sei ja selbst die Stadtverwaltung auf Facebook. „Das ist kein Ort mehr für Jugendliche.“ Die zentrale Frage sei: Wo sind meine Freunde? Das sei schon bei SchülerVZ der entscheidende Grund dafür gewesen, dass plötzlich so viele junge Leute zu Facebook abgewandert seien. Später sei Facebook dann durch Instagram und Tiktok abgelöst geworden. „So ein Wechsel geht manchmal ganz schnell.“
Jeden Monat checken immer noch rund drei Milliarden Menschen ihr Facebook-Profil, das ist mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung. Doch in Europa kommt kaum noch jemand hinzu. Das Netzwerk erklomm im Jahr 2020 seinen Zenit, seither stagnieren die Nutzerzahlen. Lediglich im asiatisch-pazifischen Raum gewinnt Facebook noch Anhänger hinzu.
Zuckerberg nimmt das ehemalige Twitter ins Visier
Mit dem Erfolg von Instagram und Whatsapp soll es das aber nicht gewesen sein. Das nächste Ziel hat Mark Zuckerberg auch schon im Visier: Meta will dem angeschlagenen Kurznachrichtenportal X, ehemals Twitter, die Nutzer abjagen. Zuckerberg will die Chance nutzen, dass Techmilliardär Elon Musk mit seinen Eskapaden zahlreiche User verprellt hat. Vor knapp zwei Monaten ist das Kurznachrichtenportal Threads in Deutschland gestartet – und immer mehr enttäuschte X-Veteranen wandern zum Twitter-Klon ab. Zehn Millionen Nutzer hat Threads bereits gesammelt. Doch um die weit mehr als 200 Millionen Nutzerinnen und Nutzer bei X zu erreichen, fehlen noch einige Abtrünnige.
Auch wird sich noch zeigen müssen, ob Threads überhaupt das Zeug hat zum nächsten großen Jugendtreff im Netz. Zumindest könne gut sein, dass Jugendliche irgendwann Instagram und Tiktok verlassen, sagt Wissenschaftler Rathgeb. Oft könne man sich gar nicht vorstellen, dass große Netzwerke abgelöst werden. Neue Angebote wie BeReal zeigten aber, dass Jugendliche von guten Ideen schnell begeistert sein können und rasch für viel Zulauf sorgten. Das französische Netzwerk BeReal überzeugt vor allem mit einer neuen Idee. Einmal am Tag sollen Freunde zu unterschiedlichen Uhrzeiten ein Foto von sich und ihrer Umgebung posten. Diese Schnappschüsse sollen ungefiltert zeigen, was der Freundeskreis gerade so macht.