Das „Rößle“ in Schiltach, um 1925. Foto:  

„Wer nie den Wanderstab erfasst, der kennt nicht seine Freuden“ – im Gästebuch der Jugendherberge in Schiltach finden sich interessante Einträge.

Schiltach ist ein schönes Städtle, wo ich zu gern wohnen möchte. Von Bergen es rings umrahmet ist, von einem Bächle es durchflossen wird.“ Zwar etwas holprig, aber gut gemeint, stehen diese Verse von 1931 im Gästebuch einer Einrichtung, die in den schwierigen Jahren 1928 bis 1936 bestand, heute aber vergessen ist: Die „Jugendherberge Schiltach“.

 

Dass die „Jugendherbergsbewegung“ mit günstigen Unterkünften für junge Menschen auch Schiltach erreichte, ist dem Lehrer Georg Ruckelshausen zu verdanken: Um 1925 gründete er eine Ortsgruppe des Jugendherbergsverbands, die schließlich eine Unterkunft schuf: Im „Rössle“, beim Wirtsehepaar Adolf und Dorothea Wolber als „Herbergseltern“.

Ihr Gästebuch zeigt oft Dank „für freundliche Aufnahme“ und das „trauliche Heim“, auch wenn „zu 6 auf einer Bude“. Mal unterzeichnen „zwei Radschläger aus Düsseldorf“, mal „drei Mannemer uf großer Fahrt“. „Zwei Tippelbrüder“ raten: „Was du abläufst an dem Schuh, wächst dem Kopfe doppelt zu!“ Ein Ostpreuße weiß: „Wer nie den Wanderstab erfasst, der kennt nicht seine Freuden. Doch wer ihn erst ergriffen hat, der kennt auch seine Leiden.“

Neben Wanderpoesie gibt es Landsmannschaftliches: „Wir sind Heilbronner Bürgersöh‘ und lasset uns nit lumpe, wir lenn koi saubers Mädle steh‘ und au koin volle Humpe.“ Ein Sachse: „Schon des Morchens fang ich an sing, mich gann gener aus dor Ruhe bring.“ Respektvolles aus der Schweiz: „Achte eines jeden Vaterland, aber das Deinige liebe.“ Engländer bedanken sich mit Shakespeare: „A merry heart goes all the way.“

Politische Bekenntnisse

Mit der Arbeitslosigkeit und demokratischen Gefährdung häufen sich politische Bekenntnisse: Zwei Dortmunder, per „Tretesel“ 1931 unterwegs zur 2. Internationalen Arbeiter-Olympiade in Wien: „Trotz schlechter Zeit, sei auch bereit, kämpf du Mensch für Menschenrecht, dass keiner sei des andern Knecht. Proletarier aller Länder vereinigt Euch!“ Die Reaktion zweier Nationalsozialisten: „Proleten erkennt den Verrat! Mit Hitler zum deutschen Arbeiterstaat.“

Geradezu furios ein Italiener 1932: „Maledetti Fascisti!“ Im „Regime Mussolini ist es ein großes Elend für alle Arbeiter im ganzen Land: Keine Arbeit und kein Geld in der Tasche. Üble Verhältnisse!“ Will man sie nicht auch in Deutschland, hilft nur die Linke: „Eviva il Socialismo internationale!“ Unterschrieben: „Eduardo Montecelli, Milano, Antifacisto!“

Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 kommt der Gruß: „Heil dem Führer des deutschen Volkes Adolf Hitler“. Seine „Hitler-Jugend“ sieht sich so: „Wir sind frische Jungen von rechtem deutschem Blut, wir stählen unsre Körper und stärken unsern Mut.“ Einer bekennt: „Siegen und sterben, was ist dabei? Wenn nur das Vaterland, wenn Deutschland frei!“

Herberge wird zu Raum der Ertüchtigung

Dass es so nicht mehr war, erlebten „zwei Proletarierjungen“ in der „freien Schweiz“, „wo man seine Gedanken noch aussprechen kann“. Andere raten, in Umdrehung eines bekannten Spruchs: „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, sehe zu, dass er nicht in falschen Verdacht kommt!“

Geboten war jetzt die Anpassung an den „durch den Volkskanzler Adolf Hitler geschaffenen Zeitgeist“, so Lehrer Ruckelshausen 1934. Auch für ihn war die Jugendherberge jetzt nicht mehr ein Ort der Begegnung, sondern „der Ertüchtigung“. Sie wurde 1936 geschlossen, die Stadtverwaltung versprach, „eine größere zu erstellen“, wozu es aber nie kam.