Das berühmte Bild von der Hirsch-Katastrophe. Der "Hirsch" war viele Jahre das Vereinslokal des TV Nagold. Bei dem Versuch 1906, die Gaststätte zu heben starben auch fünf Sportler. Foto: Archiv

Zahlreiche Ausflüge und noch mehr Feste – in der 175-jährigen Vereinstradition kommt beim VfL Nagold seit jeher der Geselligkeit eine wichtige Bedeutung zu. Doch Freud und Leid hängen eng zusammen. Zum Beispiel bei der Hirschkatastrophe 1906.

Nagold - Beim Feiern ist das der Vereins-Höhepunkt jedes Jahres – das Waldfest auf dem Schlossberg. Dazu sind meist befreundete Vereine eingeladen. Gemeinsam geht es im Festzug durch die Stadt und dann den Schlossberg hinauf. Dort stehen Turnübungen an – vor allem aber sitzt man gemütlich zusammen, bei Musik und Tanz.

Am 12. August 1894 steht solch ein Waldfest an. Der Start ist bereits am Morgen mit einigen Turnübungen auf dem Schlossberg. Doch eigentlich beginnt das Fest erst mit der Mittagszeit. Dann kommen die Turnfreunde aus Wildberg in Nagold an. Und ab 15 Uhr ziehen die Turner gemeinsam durch die Stadt – mit der "Nagolder Fahne", wie extra betont wird. Und "unter dem Klang der Stadtkapelle".

Es geht den Schlossberg hinauf

In raschem Tempo geht es den Schlossberg hinauf. Dort müssen sich die befreundeten Vereine allerdings erstmal Platz verschaffen, denn es hätte sich schon "viel Volk – Kinder – Mägde und Landpomeranzen – angesammelt". Und weiter ist überliefert, dass deren Vertreibung von den Sitzplätzen einige Mühe kostete.

Wie dem auch sei, nun wird gefeiert – auch mit der nachgekommenen "geliebten Damenwelt". Das Wetter ist gut, die Festteilnehmer fröhlich – es gibt auch eine Tanzunterhaltung. Zwischen den Tanzrunden gilt es turnerische Vorführungen zu bewundern. Einziges überliefertes Manko beim Waldfest 1894: Das Bier geht recht schnell zur Neige. Ob die Wildberger aus diesem Grund das Fest etwas früher als üblich verlassen? Wir wissen es nicht. Wegen "Bier-Mangels" treten jedenfalls die Nagolder Turner mit den "am Feste beteiligten Damen" schon kurz nach 7 Uhr den Rückweg in die Stadt an.

Bis zur Sperrstunde

362 Liter werden an dem Tag auf dem Schlossberg konsumiert. Doch die Geselligkeit ist damit noch nicht zu Ende. "Im Lokal" wird bis zur Sperrstunde – damals 23 Uhr – weiter gefeiert. Um welches Lokal es sich dabei handelt ist nicht überliefert. Doch offizielles Vereinslokal des TV Nagold ist damals eigentlich die Gaststätte Hirsch, wenngleich in den Chroniken des VfL deutlich wird, dass immer wieder ganz unterschiedliche Gaststätten aufgesucht werden – das "Gambrinus" begegnet einem da ebenso wie die "Traube", der "Löwen", die "Linde" und auch das "Waldhorn".

Seit 8. Oktober 1882 aber ist der "Hirsch" offizielles Vereinslokal – das alte, das Waldhorn, muss wegen "Platzmangels" verlassen werden. Nicht wirklich verwunderlich, dass auch der Wechsel der Vereinslokalität zum Anlass einer Geselligkeit genommen wird. Im "seitherigen Lokal" steht eine Abschiedsfeier an. Und dann geht es "unter Trommelschlag" zum neuen Lokal, "um dieses einzuweihen". Na dann, Prost!

Teil der Hirsch-Katastrophe

Damit ist leider auch die Grundlage gelegt für eine enge Verbindung des Nagolder Turnvereins mit dem größten zivilen Unglück, das die Stadt Nagold je erlebt hat – der Hirschkatastrophe. Es ist der 5. April des Jahres 1906. Auch im Hirsch geht es seit einiger Zeit enger zu. Der Wirt will nun expandieren. Geplant ist nach modernem Bauverfahren die Gaststätte zu heben – und damit einen weiteren Saal zu gewinnen. Am 5. April 1906 steht nun die Hebung an – und Nagold erlebt seine größte Katastrophe.

Bei der Hebung nämlich stürzt das Gebäude ein. Mehr als 50 Menschen kommen letztlich bei dem Unglück ums Leben. Denn während der Hebung geht der Gaststättenbetrieb im "Hirsch" munter weiter. Warum auch nicht? Der Technikglaube ist in jener Zeit unerschütterlich.

Bei den Bauarbeiten packen etliche Gäste mit an und helfen den Arbeitern unter anderem mit dem Drehen der Winden bei der Hebung. Darunter sind natürlich auch Mitglieder des Turnvereins. Der hat letztlich fünf tote und zahlreiche verletzte Vereinsmitglieder zu betrauern.