Der Verleger des Schwarzwälder Bote, Richard Rebmann. Foto: Kienzler

Die Rede des Verlegers Richard Rebmann beim Festakt zum 175-jährigen Jubiläum des Schwarzwälder Bote.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Mappus,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gäste,

- die Vertreter aus Politik, Wirtschaft und der Kirchen wurden von Herrn Giebel schon ausführlich begrüßt -

mein besonderes Willkommen an dieser Stelle gilt den vielen Kolleginnen und Kollegen, die den Weg nach Oberndorf gefunden haben, ebenso wie den Vertretern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unseren Lesern und Anzeigenkunden sowie den Gesellschaftern der Schwarzwälder Bote Mediengesellschaft.

Letztere werden repräsentiert durch den Aufsichtsratsvorsitzenden der Südwestdeutschen Medien Holding, Herrn Dr. Dubber, und Herrn von Burkersroda, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Schwarzwälder Bote GmbH & Co. KG.

Ohne das Zusammenwirken von Mitarbeitern, Gesellschaftern und Kunden wäre aus dem Schwarzwälder Boten - nach den kleinen und bescheidenen Anfängen im Jahre 1835 - nicht das geworden, was er heute ist, nämlich eine der großen Zeitungen in Baden-Württemberg mit täglich fast 400.000 Lesern.

1835 war nicht nur das Geburtsjahr von Mark Twain, sondern der Beginn einer langen Zeitungsgeschichte. Wilhelm Brandecker, ein Vorfahre der heutigen Schwarzwälder-Bote-Gesellschafter – Familienmitglieder aus vier, fünf und sechs Generationen sind heute unter uns -, reichte ein Gesuch beim „Königlichen Ministerium des Innern“ in Stuttgart ein und bat darin um gnädigste Konzession zur Errichtung einer Buchdruckerei und zur Herausgabe eines Amts- und Intelligenzblattes sowie um Dispensation von der Minderjährigkeit.

Der damals noch nicht volljährige Brandecker wollte in Oberndorf ein Amts- und Intelligenzblatt, also im Grunde ein unpolitisches Anzeigenblatt herausbringen, weil er befürchtete, dass ihm ansonsten ein anderer in Oberndorf zuvorkommt und es ihm so unmöglich wäre, seine fernere Existenz zu sichern.

Das Gesuch wurde abgelehnt mit der Begründung, in Oberndorf herrsche keinerlei Bedarf für ein solches Unterfangen und es wäre auch nicht anzunehmen, dass ein anderer Bewerber ihm dort zuvorkomme.

Beschwerden nutzten nichts. Also trat er in der Nachbargemeine Sulz am Neckar in das Unternehmen des Buchdruckers Fischer ein, der den „Schwarzwälder Bote“ mit einer Auflage von knapp 100 Exemplaren in diesem Jahr gegründet hatte.

Nach kurzer Zeit übernahm Brandecker den Verlag und siedelte zwei Jahre später nach Oberndorf um. Seit dieser Zeit sind die Geschicke des Schwarzwälder Boten und der Stadt Oberndorf eng miteinander verbunden. Es war zwar nicht immer eine glühende Liebesbeziehung zwischen Stadt und Verlag, aber jede Seite wusste letztlich doch, sie braucht die andere.

Mit dem Umbau des Verlagsgebäudes in der Oberstadt haben wir eine langfristige Standortentscheidung für Oberndorf getroffen. Und quasi als kleinen Ausgleich für die vielen Papierlaster und die nächtlichen Zeitungsfahrzeuge, die durch die Gassen und Straßen gefahren sind, möchten wir die Stadt Oberndorf bei der anstehenden Renovierung oder der Neubeschaffung der Bühne im Klosterhof, dem kulturellen Zentrum der Stadt, zumindest finanziell unterstützen.

Unsere Zeitung ist seit 175 Jahren  Chronist, kritischer Wegbegleiter aber auch Betroffene gewaltiger politischer, sozialer und technischer Veränderungen. Die Entwicklung des Unternehmens war keineswegs immer geradlinig und von A bis Z geplant, sondern musste sich den technischen und sozialen Veränderungen stellen.

So erscheinen 1838 die ersten Fotos, 1879 wird die erste dampfbetriebene Rotationsmaschine in Betrieb genommen und im Jahr 1926, als die Lufthansa ihren Betrieb aufnahm, war der Schwarzwälder Bote bereits Mitglied einer Anzeigenkooperation für die deutschen Provinzzeitungen.

Dazu zählten die Zeitungen in Mannheim, Zwickau, Eisenach, Lübeck, Würzburg und Oberschlesien. Schon damals wurde somit eine Idee umgesetzt, die bis heute immer wieder diskutiert aber nie realisiert werden konnte: Eine nationale Anzeigenvermarktung der Regionalzeitungen.

Nach den wirtschaftlich schweren Jahren 1931/1932/1933, mit einer Halbierung der Auflage und des Anzeigengeschäfts, drohte 1933 das Verbot der Zeitung, es sei denn, man schenkte die Geschäftsanteile der NS-Presse GmbH. Dies mit der Begründung, dass die Partei schließlich kein Geld habe, zudem sei der NS-Bezirksleiter als Geschäftsführer einzusetzen.

In der Gesellschafterversammlung am 05. August 1933, nachmittags um 17.00 Uhr, beschlossen die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft Schwarzwälder Bote einstimmig, dass dem von den Organen der NS-Partei gestellten Antrag nicht entsprochen werde.

Es folgten Jahre der Repression mit zeitweise Verboten, Papierrationierungen, Entzug des Amtsblatt-Charakters und Zensur.
In der Zeit vom 19. April bis September 1945 erschien die Zeitung nicht mehr, bis im September von der französischen Besatzungsmacht in Baden-Baden die Genehmigung erteilt wurde, unter dem Namen „Schwarzwälder Post“ wieder eine Zeitung zu publizieren.

In der Nachkriegszeit und dem wirtschaftlichen Aufschwung wurde die Zeitung ständig weiterentwickelt. Neben den vielen lokalen Themen, über die der Schwarzwälder Bote berichtet, ist er meinungsstarker Kommentator aller wichtigen Ereignisse.

So begrüßt er 1952 als eine der wenigen Zeitungen des Landes die Gründung des Südweststaates, mahnt nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl ein staatsübergreifendes Krisenmanagement an, feiert die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und mahnt nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer 1993 von 14 auf 15 % die Sanierung des Staatshaushaltes an.

Parallel mit der Fortentwicklung der Zeitungen erfuhr das 20. Jahrhundert eine tiefgreifende Veränderung in der Medienkultur: Das Radio mit seiner Entwicklung zum privaten Rundfunk Mitte der 80er-Jahre, der rasante Aufstieg des Mediums Fernsehen und  seit Mitte der 90er-Jahre die tiefgreifenden Veränderungen durch das Internet.

Als ich mir zur Vorbereitung auf den heutigen Tag einige der Protokolle von Gesellschafterversammlungen und Gesellschafterausschusssitzungen durchsah, ist mir noch eins klar geworden, welch schwierige und teilweise existentielle Fragen immer wieder zu beantworten waren.

Gesellschafter und Mitarbeiter haben sich zu jedem Zeitpunkt den Herausforderungen gestellt und dabei die Zukunftsfähigkeit und Existenz ihrer Zeitung nie infrage gestellt. Die Gesellschafter haben ihre eigenen Interessen denen des Unternehmens untergeordnet.

So beispielsweise mit der für viele Gesellschafter nicht einfachen Öffnung des Gesellschafterkreises Ende der 90er-Jahre, verbunden mit der Abgabe von Gesellschaftsanteilen an andere Zeitungsverlage. Mit der daraus folgenden Übernahme der Kreisnachrichten im Landkreis Calw und einer engen Zusammenarbeit mit der Neckarquelle im Schwarzwald-Baar-Kreis wurde das Unternehmen weiter vergrößert.

Eine Entwicklung, die ein vorläufiges Ende im Jahr 2008 erfuhr, in dem es zur Fusion des Schwarzwälder Boten mit der Zeitungsgruppe Stuttgart kam.

So kam es, dass diese Zeitung - soweit ich es beurteilen kann - zumindest in Deutschland insofern einzigartig wurde, als sie 98 % ihrer Auflage außerhalb ihres Erscheinungsortes erreicht. Dies gelang durch einen ständigen Ausbau der lokalen Berichterstattung.

Der Schwarzwälder Bote ist  in bestem Sinne Heimat- und Lokalzeitung. Und dies ist nicht zu verstehen als ein provinzieller oder gar minderwertiger Journalismus, sondern als Ausweis großer Nähe zum Leser. So stiftet die Zeitung Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie ist mehr  als eine  nüchterne Informationsplattform. Sie ist Heimat im besten Sinne des Wortes.

Die Zeitung ist für eine Region und für die Menschen, die in ihr leben das idenditätsstiftende Medium. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie gerade die Zeitungen im ländlichen Raum  ihr Publikum erreichen. Hier ist die Bindung zwischen Zeitung und Leser noch weit enger als in den Großstädten und Ballungsräumen.

Und so ist das Schwarzwälder-Männle bis heute Spiegel für das Zeitgeschehen in der Heimat und in der Welt, er ist der getreue und anteilnehmende Chronist – und freilich auch der kritische Wegbegleiter - seit nunmehr 175 Jahren.

Der pfeifenrauchende Bote mit Hund ist auch älter als das Schwarzwaldmädel mit dem leuchtend roten Bollenhut, das in der gleichnamigen Operette erst  1917 Premiere hatte. Und ich bin überzeugt davon, wenn wir uns mit der Zukunft der Tageszeitung beschäftigen, müssen wir Verleger uns nicht auf das berühmte Zitat vom einstigen Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel, ich meine das mit dem Fernseher und der Mücke, reduzieren lassen, zumal man das Beispiel noch auf das Fensterputzen, Fischeeinpacken und Lagerfeuer anzünden, erweitern könnte.

Tatsache ist, dass die Tageszeitung mit großem Abstand das glaubwürdigste Medium ist und nach wie vor der bedeutendste Werbeträger. Freilich bewegen wir uns derzeit in Zeiten, die nicht einfach sind und uns vor große Herausforderungen stellen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch uns schwer getroffen. Dazu kommen die großen Herausforderungen durch Digitalisierung und Internet. Doch wir haben die Kraft, all dies zu meistern.

Wir Zeitungsverlage brauchen keine staatlichen Subventionen wie in anderen Ländern, obwohl wir zweifelsohne Kulturgut sind und eine öffentliche Funktion im Sinne unseres Wächteramtes wahrnehmen. Wie kein anderes Medium sorgen wir für allumfassende und tiefgreifende Information und damit für die politische Meinungs- und Willensbildung der Bürger. Um auch weiterhin Jubiläen wie dieses feiern zu können, benötigen wir aber eine Veränderung der uns beengenden Rahmenbedingungen. Wir fordern vom Gesetzgeber und den öffentlich-rechtlichen Institutionen und Anstalten den uns gebührenden Respekt ein.

Seit einigen Jahren gibt es zahlreiche Entwicklungen, die uns nicht gefallen können. Es muss doch alle, die an einer freien, vielfältigen und starken Presse interessiert sind, aufhorchen lassen, wenn unsere Interessenvertreter über 50 unterschiedliche Felder benennen können, auf denen unsere Verlage beschränkt und behindert werden.

Dies beginnt bei den ausufernden Online-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und geht über die Zulassungsbeschränkungen für Verlage beim Rundfunk, die Beeinträchtigung der Arbeit in den Zeitungsredaktionen, einer Zunahme der Überwachung und Strafverfolgung von Journalisten, bis hin zum völlig verzerrten Wettbewerb in unseren lokalen und regionalen Märkten, wo von der öffentlichen Hand subventionierte  Amts- und Gemeindeblätter uns bedrängen.

Auch die Liberalisierung im Telekommunikationsmarkt und der Postzustellung führte letztlich nicht zur Beseitigung von Monopolstrukturen. Im Gegenteil: Bis heute gibt es quasi ein Monopol der Telekom bei der Internet-Infrastruktur, und die Post, deren größter Einzelaktionär immer noch der Deutsche Staat ist, tritt mit Einkauf Aktuell als ein aus dem Briefgeschäft quersubventionierter Wettbewerber auf.

Seit Jahren mahnen wir eine Novellierung des Kartellrechtes an, um notwendige Kooperationen und gesellschaftsrechtliche Verbindungen von Tageszeitungen zu ermöglichen, die für eine Erhaltung der Pressevielfalt unerlässlich sind. Bis heute ist es nicht gelungen, die Pressefusionskontrolle, die aus dem Jahr 1974 stammt, also aus einer Welt vor der Privatisierung des Rundfunks und des Internets, angemessen zu modifizieren.

So befinden sich die Zeitungsverlage in vielen Bereichen in einer schwierigen Ausgangsposition. Wir werden einerseits beim Aufbau neuer Geschäftsfelder beschränkt, und haben andererseits nicht die Möglichkeit, dringend notwendige Kooperationen und Fusionen einzugehen, um unser Stammgeschäft zu optimieren.

Hier ist die Politik gefordert, jenseits von Sonntagsreden die Erfordernisse einer freien, privatwirtschaftlich organisierten vielfältigen Qualitätspresse zu respektieren und, lieber Herr Mappus, alle Forderungen und Wünsche der Zeitungsverlage kosten den Staat kein Geld, sondern dienen dem Erhalt von Arbeitsplätzen und der Sicherung des Unternehmens als Steuerzahler.

Meine Damen und Herren, die Zeitung ist ein starkes Medium.  In allen Altersgruppen haben wir hohe Reichweiten. Bei den Älteren mehr; bei den Jüngeren weniger, woran wir freilich noch stärker arbeiten müssen. Addiert man zur Zeitungsreichweite noch unsere Internetangebote hinzu, gewinnen wir sogar Jahr für Jahr insgesamt an Lesern und Nutzern. Dies gelingt uns auch deshalb, weil wir eben nicht in unseren Redaktionen sparen.

Hier in Baden-Württemberg sind über Jahre hinweg in unseren Redaktionen über 2.100 Journalistinnen und Journalisten beschäftigt, allein hier beim Schwarzwälder Boten über 100, die täglich in 26 Lokalausgaben 240 bis 250 redaktionelle Seiten veröffentlichen.

Auch wenn, um Karl Valentin zu zitieren, die Zukunft nicht mehr das ist, was sie einmal war, haben sich die Tageszeitungen in der Vergangenheit jeder Innovation gestellt und werden dies auch in Zukunft tun.

Eine Demokratie mit mündigen Bürgern ohne eine freiheitliche Presse ist, wie das Bundesverfassungsgericht schon vor vielen Jahren feststellte, schlicht nicht möglich, und so ist es eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe, das Pressewesen und die gedruckte Zeitung als Basis für einen kritischen gesellschaftlichen Diskurs zu erhalten und fortzuentwickeln.

In diesem Sinne wünsche ich dem Schwarzwälder Boten für seine Zukunft alles erdenklich Gute, treue und zugleich kritische Leser, zufriedene Anzeigenkunden, seinen Mitarbeitern sichere Arbeitsplätze, den Gesellschaftern eine gute Rendite und den Journalistinnen und den Journalisten viele Ideen, wie sie lokale Ereignisse und das Weltgeschehen richtig einordnen und dem Leser nahe bringen können.

Lieber Herr Mappus, wir freuen uns nun auf Ihr Grußwort. Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.