Die Orgel in der Reichenbacher Pfarrkirche St. Stephanus feiert ihren 175. Geburtstag. Das von Konrad Albiez entworfene gebaute Instrument hat eine spannende Geschichte hinter sich. Zum Jubiläum gibt es am Samstag einen festlichen Gottesdienst.
Es erstaunt noch heute, dass sich die Reichenbacher in der Mitte des 19. Jahrhunderts vor lauter Freude über die wiedergewonnene Selbstständigkeit als eigene Pfarrei nicht nur ein neues Pfarrhaus, sondern auch eine neue große Kirche und dazu noch eine solch stattliche Orgel leisteten. Offensichtlich hing das schon damals mit dem Selbstbewusstsein der Reichenbacher zusammen.
1139 erstmals in einer Urkunde von Papst Innozenz II. erwähnt, stand die Pfarrei in den Reformationswirren in heftigen Streit, der bis zum kaiserlichen Gericht nach Prag getragen worden war. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Pfarrei zu einer Filiale von Seelbach, wobei diese „Zwangsehe“ von Anfang an nicht guttat und zu heftigen Querelen führte, bis endlich 1842 die Pfarrei wieder selbstständig wurde.
Von Anfang an gab es Schwierigkeiten
Die Geschichte der Orgel des damals renommiertesten Orgelbauers im Südwesten, Konrad Albiez aus Waldshut, gleicht einem Orgelkrimi und war von Anfang an mit Schwierigkeiten verbunden. Noch vor Fertigstellung verstarb Konrad Albiez 1849. Die Witwe beauftragte Orgelbauer Schwarz aus Überlingen, das Werk zu vollenden. Der Ausbau verzögerte sich und erst 1880 vollendete Orgelbauer Martin Braun aus Spaichingen die Orgel.
Erste Schäden und die Abgabe der Orgelpfeifen aus Zinn und anderen Metallen während des Ersten Weltkriegs spielten der Orgel heftig mit. 1953 nahmen ihr einschneidende Veränderungen ihre Identität. Sie wurde räumlich vergrößert, auf Hydraulik umgestellt und erhielt einen neuen Spieltisch.
Orgel wurde immer anfälliger für Schäden
Man folgte dem Trend der Zeit zu Modernisierungen, ohne auf die Folgen zu achten. Sie wurde anfälliger für Schäden, der „Zahn der Zeit“ tat sein Übriges und die Orgel die ihr romantische Klangbild verloren hatte, wurde mehr und mehr zum Sorgenkind. Register fielen aus, das Pedalwerk konnte nicht gespielt werden und viele Pfeifen versagten ihren Dienst. Im Jahr 2011 wurde der Orgelbauförderverein gegründet, um eine grundlegende Erneuerung des wertvollen Instrumentes in die Wege zu leiten. Spendenaufrufe, Aktionen und Veranstaltungen aller kulturellen Vereine des Dorfes, Gruppen und Einzelpersonen sorgten dafür, dass die große Aufgabe ins Werk gesetzt werden konnte.
2016 wurde die Orgel durch die Orgelbaufirma Vleugels aus Hardheim die Orgel saniert. Die Rückführung ihrer Disposition von 1849 mit 25 Registern und 1446 Pfeifen und Rückkehr zu ihrer ursprünglichen mechanischen Traktur, ihr originales Gehäuse mit dem Spieltisch an der alten Stelle glichen einer Renaissance der historischen Albiez-Orgel, die seither wieder für eine würdige musikalische Gestaltung der Gottesdienste sorgt. Mit ihren Klängen prägt sie die kirchlichen Feste und begleitet die Menschen bei frohen und traurigen Ereignissen, zeigt deren Stimmungen auf und spendet so viel Trost und Freude. Über allem steht ein Wort, das der wohl größte aller Orgelvirtuosen Johann Sebastian Bach, über seine Werke setzte: „Soli Deo gloria – Gott allein die Ehre“.
Das Programm
Die Pfarrgemeinde feiert am morgigen Samstag den 175. Geburtstag ihrer Orgel mit einem festlichen Gottesdienst um 18.30 Uhr in der Pfarrkirche St. Stephanus in Reichenbach. Bei dieser Messfeier erklingen unter anderem Chöre und Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Luigi Cherubini. Der Kirchenchor und Organist Reinhold Studer werden durch ihre Mitgestaltung die Messe zu dem machen, was ihr Name sagt: „Eucharistie–Danksagung“.