Seit dieser Woche gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Foto: © drubig-photo – stock.adobe.com

Seit dieser Woche gilt sie – die einrichtungsbezogene Impflicht. Sie bedeutet vor allem jede Menge zusätzlicher Arbeit für die Gesundheitsämter der Landkreise. Nicht anders im Kreis Calw: "Wir rechnen mit ungefähr 1500 Fällen im Landkreis", so eine Sprecherin des Landratsamtes.

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Kreis Calw - "Ungefähr 1500 Fälle", die alle als Einzelfall bearbeitet und entschieden werden müssen – entweder in Form einer Duldung des negativen Impfstatus, weil die Arbeitskraft unentbehrlich ist. Oder es wird in letzter Konsequenz ein Betretungs-, beziehungsweise Tätigkeitsverbot für die betroffene Pflegekraft ausgesprochen. Doch der Weg bis zu solch einem finalen Entscheid ist lang und kompliziert, die Einzelfallprüfung aufwendig. "Insgesamt werden voraussichtlich zwölf Personen in unserem Gesundheitsamt mit der Überprüfung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht befasst sein."

Wobei der Anfang von allem noch verhältnismäßig einfach klingt: Seit vergangenen Mittwoch müssen über ein vom Land Baden-Württemberg angebotenes Online-Portal alle Einrichtungen und Unternehmen unter anderem aus dem Bereich der Gesundheitsversorgung (zum Beispiel Krankenhäuser und Arztpraxen), medizinische Reha-Einrichtungen, Praxen sonstiger Heilberufe (etwa Diätassistenten und Physiotherapeutinnen) und beispielsweise auch voll- und teilstationäre sowie ambulante Pflegeeinrichtungen ihre nichtgeimpften Mitarbeiter melden. "Diese Meldungen werden nach Eingang geprüft und priorisiert", erläutert dazu die Sprecherin des Kreises.

Post vom Gesundheitsamt

Entsprechend der Priorisierung werden die betreffenden, ungeimpften "Personen per Post von uns kontaktiert. Sie haben dann zwei Wochen Zeit, uns ihren Nachweis über die Impfung oder ein ärztliches Attest vorzulegen." Wird kein solchen Nachweise in der geforderten Frist vorgelegt, wird erst mal gegen die Betroffenen "ein Bußgeld verhängt", wobei die "Höhe des Bußgeldes landesweit festgelegt werden soll". Laut Medienberichten sind Bußgelder von bis zu 2500 Euro möglich. Doch auch wenn beispielsweise entsprechende Atteste oder Nachweise vorgelegt werden, müssen diese erst einmal auf Echtheit und Plausibilität geprüft werden. Von den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes. Erst anschließend wird dann das eigentliche – und in der Praxis vermutlich sehr aufwendige – Anhörungsverfahren "bezüglich eines Tätigkeits- und Betretungsverbots" eingeleitet.

Anhörungsverfahren nach Ermessen

Womit die eigentliche Krux für die Mitarbeiter des Calwer Gesundheitsamt erst anfängt: "Die Anhörungsverfahren liegen im pflichtgemäßen Ermessen des Gesundheitsamts", so die Sprecherin. "Die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung muss gewährleistet sein."

In einem Schreiben des Sozialministeriums Baden-Württemberg heißt es dazu: "Bis das Gesundheitsamt über den Fall entschieden und gegebenenfalls ein Betretungs-, beziehungsweise Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Personen grundsätzlich möglich." Das Infektionsschutzgesetz begründe grundsätzlich kein Recht und auch keine Pflicht des Arbeitgebers zur Freistellung.

Für die Gesundheitsämter, die ohnehin seit Corona stark belastet sind, ein deutlicher Mehraufwand. "Der bürokratische Aufwand" für die Gesundheitsämter in Bezug auf die einrichtungsbezogene Impflicht ist enorm", wird dazu etwa aktuell Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft auf tagesschau.de zitiert. Schon nur die Erfassung des Impfstatus der Mitarbeiter sei für die betroffenen medizinischen und pflegerischen Einrichtungen enorm gewesen, dieser Aufwand wiederhole sich nun für die Gesundheitsämter. Jeden Einzelfall nachzugehen sei "in der Tat kaum leistbar".

Zweifel im Sozialministerium?

Auch das baden-württembergische Sozialministerium scheint der Durchschlagskraft der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in gewisser Weise zu misstrauen. So wird in dem bereits erwähnten Schreiben neben dem allgemeinen Infektionsschutz als eigentlichem Ziel des Gesetzes vor allem auch die Aufgabe der Landes herausgestellt, im gleichen Maß sicherzustellen, "dass die medizinische und pflegerische Versorgung in allen Bereichen aufrechterhalten bleibt". Und weiter: "Im Einzelfall können dann Personen durchaus auch (befristet) weiterbeschäftigt werden." Gemeint sind damit natürlich ungeimpfte Pflegekräfte. Was eine auch nur einrichtungsbezogene Impfpflicht schon auch irgendwie ad absurdum führt.

Wahrscheinlich deshalb fordert das Sozialministerium stellvertretend für die Landesregierung – insbesondere mit Blick auf die kommende Wintersaison und weitere mögliche Corona-Virusvarianten – "eine allgemeine Impfpflicht". Eine solche allgemeine Impfpflicht würde nämlich dann auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht natürlich überflüssig machen, den unfassbaren Verwaltungs-Moloch beenden und "das Abwandern von Beschäftigten aus den Pflegeberufen in andere Bereiche verhindern".

Impfstatus beim Klinikverbund

Allein der Klinikverbund Südwest hat diese Woche 445 Mitarbeiter an die Gesundheitsämter der Landkreise Calw und Böblingen gemeldet, von denen noch Immunitätsnachweise ausstehen. Ob alle nicht geimpft seien, müssten jetzt die Ämter erörtern, so ein Sprecher des Klinikverbunds. Ein Teil der 445 gemeldeten Beschäftigen sei zudem "nicht im direkten klinischen Umfeld" tätig. Somit liege die Nachweisquote des Klinikverbunds Stand diese Woche bei den etwas mehr als 5000 Mitarbeitern bei aus Verbund-Sicht "sehr guten 92 Prozent". Weiter teilte der Sprecher des Klinikverbunds mit, es gebe bislang keine bekannten Kündigungen, "die explizit auf die Impfpflicht referenzieren". Ob die drohende Impfpflicht allerdings im Rahmen "der regulären Fluktuation" für manche, die den Klinikverbund verlassen hätten, dennoch ein Beweggrund war, könne man "nicht objektiv nachvollziehen". Mit der reinen Meldung der nicht geimpften Mitarbeiter ändere sich allerdings an der Personallage im Klinikverbund zunächst nichts, da dies kein Beschäftigungsverbot sei.