Seit Donnerstag vergangener Woche sind 15 Bewohner des St. Gallusheims in Zell mit Corona gestorben. Foto: Schwendemann

Führungskräfte helfen in der Pflege. Mitarbeiter verzichten auf Urlaub.

Dramatische Entwicklung im St. Gallusheim in Zell: 15 Bewohner sind seit vergangener Woche mit Corona gestorben. 31 weitere und 23 Mitarbeiter sind infiziert. Das Virus soll über eine "therapeutische Anwendung" in das Haus gelangt sein.

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Zell - "Die Infe ktionen gehen langsam zurück", erklärte Heimleiter Michael Schlosser in einer Presseerklärung, wir hatten berichtet. Das stärke die Zuversicht, die Krise zu bewältigen. Trotzdem sei die Situation nach wie vor sehr angespannt, berichtete Schlosser am Dienstag im Gespräch mit unserer Zeitung. Es sei auch für ihn eine emotional schwierige Zeit, bittet er mehrfach um Verständnis.

Die bisher mit Corona gestorbenen Bewohner seien alt und oft mehrfach schwer vorerkrankt gewesen, berichtet der Heimleiter. "Wir wissen tatsächlich nicht: ist der Patient jetzt an oder mit Covid-19 gestorben?" Besonders tragisch: Das St. Gallusheim habe bereits Mitte November als eines der ersten Heime mit Corona-Tests begonnen, betont der Leiter der Einrichtung. Zunächst wurden die Bewohner und Mitarbeiter einmal wöchentlich getestet. Trotzdem war es womöglich schon zu spät.

"Wir haben getestet und Bewohner separiert", betont Schlosser. Und doch hat sich der Virus ausgebreitet. Die Corona-Tests böten nur eine "Scheinsicherheit", erklärt Schlosser. Wenn ein Mitarbeitet sich draußen anstecke, könne er ja in den Tagen bis zum regulären Test Bewohner infizieren, nennt er als fiktives Beispiel. Mittlerweile habe er das Test-Raster verengt, zweimal wöchentlich wird nun auf den Virus hin getestet – bei Verdachtsfällen auch häufiger.

Zwölf Heime im Kreis von Corona betroffen

"Ein negativer Test ist immer nur eine Momentaufnahme", bestätigte das Landratsamt gegenüber unserer Redaktion. Regelmäßige Tests böten keinen hundertprozentiger Schutz. Alleine seit September seien im Kreis 35 Personen in Pflegeheimen an und mit Corona verstorben. Aktuell seien zwölf Heime betroffen. "Das Gesundheitsamt steht in engem Austausch mit dem Pflegeheim", betonte die Behörde weiter. Vertreter des Gesundheitsamts und auch der Heimaufsicht seien in Zell gewesen. Das Pflegeheim habe auf Empfehlung sein Hygienekonzept bereits angepasst.

Doch wie kam es zum ersten Fall im Zeller Heim? "Es gibt unterschiedliche Kanäle", erklärt Schlosser und berichtet, dass der Virus über "therapeutische Anwendungen" von außen durch eine Behandlung nach St. Gallus getragen worden sei. Weiter berichtet er, dass sich nicht alle betroffenen Mitarbeiter im Haus selbst angesteckt hätten. "Eine Mitarbeiterin hat sich bei einer Beerdigung infiziert, eine andere im Kindergarten", so Schlosser. 23 Mitarbeiter sind derzeit mit dem Virus infiziert.

Schlossers Team stemmt die Versorgung der Bewohner trotz der Ausfälle fast alleine. "Unsere Mitarbeiter haben ihren Urlaub verschoben, Führungskräfte arbeiten nun auch in der Pflege mit", beschreibt er die Situation. Er hatte auf Unterstützung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen gehofft. Zwei Mitarbeiter hat er sich gewünscht. "Da haben wir leider keine Unterstützung bekommen", so Schlosser. Böse ist er deswegen nicht: Das sei nachvollziehbar – es gebe zu viele Anfragen.

Hilfe kam allerdings von der Stadt Zell: Eine Erzieherin hatte für mehrere Tage mitgearbeitet, eine Auszubildende hilft noch bis Jahresende aus. In der Pflege können sie nicht eingesetzt werden. Aber Essen verteilen, Geschirr abräumen und – ganz wichtig – sich mal hinsetzen und mit den Bewohnern reden: Das helfe sehr, so Schlosser. Denn nicht nur das Personal, auch die Hausbewohner leiden. "Man will den Bewohnern ja ein Zuhause schaffen", erklärt Schlosser. Aber so einfache Sachen wie gemeinsames Frühstücken in den Wohngruppen sei nicht mehr möglich. Jeder Bewohner bekommt sein Essen nun auf sein Zimmer.

Emotionale Belastung

Die vielen Verluste in kurzer Zeit belasten die Mitarbeiter des St. Gallusheims auch emotional – alleine müssen sie damit jedoch nicht fertig werden. "Seit vierzehn Tagen haben wir eine Supervision", erklärt der Heimleiter. "Das Angebot wird sehr stark nachgefragt." Auch Einzelgespräche seien bei Bedarf möglich. "Wenn das Ganze etwas verdaut ist, dann müssen wir die Situation weiter aufarbeiten", so Schlosser.

Heimleiter Michael Schlosser hofft nun, dass das Allerschlimmste vorbei ist: Die Zahl der Infizierten gehe zurück, die ersten Mitarbeiter kämen aus der Quarantäne, erklärt er. Und trotzdem: Ausgestanden ist die Situation im St. Gallusheim auch kurz vor den Feiertagen noch nicht. "Heute ist mir wenig nach Weihnachten zu Mute", konstatiert Schlosser am Dienstag dementsprechend.

Ein spezielles Augenmerk lege das Gesundheitsamt in der Schutzkonzeption für Heime auf die "Kohortierung" von Bewohnern, erläutert das Landratsamt. Das bedeutet, dass wenn ein oder mehrere Fälle in der Einrichtung bekannt sind, möglichst drei Kohorten gebildet werden. Dabei handelt es sich um "Erkrankte", "Ansteckungsverdächtige" und "Gesunde", um eine unkontrollierte weitere Ausbreitung zu verhindern und gesunde Personen zu schützen.