Wer Männergesangvereine für ein Auslaufmodell hält, ist beim Kabarett-Konzert zum 145-jährigen Bestehen des Sängerbunds Tieringen eines Besseren belehrt worden. Die „Backstreet Boys vom Heuberg“ und ihre Gäste hatten riesigen Spaß.
Udo-Jürgens-Hits? Das können die Sänger vom Sängerbund Tieringen auch. Parallel zum Hommage-Konzert in Obernheim servierten sie beim Jubiläumskonzert in der – dafür bestens geeigneten – Interstuhl-Arena vor großem Publikum Klassiker wie „Immer wieder geht die Sonne auf“, „Griechischer Wein“ und „Ich glaube“, Gänsehaut inklusive.
Elke Kaufmann hatte nicht nur Lieder ausgewählt, die Spaß machten, sondern dirigierte die 21 Aktiven auch mich sichtlicher Freude, die sogleich auf das Publikum übersprang. „Hey, das ist Musik für Dich“, „Liebeskummer lohnt sich nicht“, „Zwei kleine Italiener“ und die Peter-Maffay-Hits „Ich wollte nie erwachsen sein“ und „Über sieben Brücken“ kennen alle, lieben alle und können alle mitsingen.
Das überließen sie freilich lieber dem Chor, der mit einer ausgewogenen Vielfalt an herrlichen und gekonnt eingesetzten Stimmen glänzte.
Rita und Doris sind out
Nach einer Woche, in der es politisch nicht viel zu lachen gab, durfte das vergnügte Publikum dann alles nachholen, denn es war die Kabarettistin Marianne Schätzle, die den Bogen zum zweiten Konzertteil schlug, indem sie den Zeitgeist auf die Schippe nahm. Die „Indoor-Kinder“ von heute dächten bei „Völkerball wahrscheinlich an eine kriegerische Auseinandersetzung“ und hießen „Paris“ oder „Santiago“ statt Rita oder Doris. Sie selbst werde inzwischen älter, was sie nicht störe – „nur die Nebenwirkungen“ – und werde im Bus „behandelt wie eine alte Henne“ – dabei fühle sie sich doch wie ein Küken.
„Mein Körper nimmt Veränderungen vor, die waren so nicht abgesprochen“, klagte sie, machte gleichwohl gelenkige Verrenkungen und erzählte von ihren „Flügelchen“, die sich an ihren Armen bildeten – obwohl sie gar keinen Flugschein besitze.
Bierernst und verwundert
Komisch ist Marianne Schätzle vor allem durch ihre Art, bierernst dreinzublicken, wenn sie sich über die Welt wundert, etwa über die Männer, die sich für ein paar Tausend Euro einen Grill kauften, um dann „Würstchen vom Aldi für 40 Cent“ darauf zu grillen, und die „im Garten die Grill-Kreisliga zur Champions-League hypen“. Selbst als Angela Merket trat die Kabarettistin auf – und hofft als solche, dass nach dem Ausfall der „Ampel“ bei den Neuwahlen nicht „rechts vor links“ gelten möge.
So war das Publikum bereits in Hochstimmung, als „Die alten Säcke“ die Bühne eroberten, um schöne alte Klassiker der Comedian Harmonists und neue Ohrwürmer von Max Raabe zu zelebrieren – es anders zu nennen, wäre maßlos untertrieben. Die Herren umzingelten ihre Dirigentin im schicken 50er-Jahre-Kleid und deren Klavier mal mit Sonnenbrillen und Hüten zum „Kriminaltango“ und mal in Seemannskluft, garnierten ihre humorvollen Auftritte mit ebenso witzigen Anmoderationen – und mit viel Schwung.
Sanftere Evergreens wie Hubert von Goiserns „Weit, weit weg“ und den „Bajazzo“ – Hausherr Joachim Link durfte bei seinem Lieblingsstück mitsingen – ließen das Publikum kurz verschnaufen, bevor es zum großen Finale Fähnchen schwenken durfte: „Wir im Süden“ war eine Persiflage auf die Überlegenheit der Schwaben, die Lachtränen fließen und das Publikum stehend applaudieren ließ.
Sacht heruntergeholt hat es der Männerchor, der alles andere als ein Auslaufmodell ist, mit dem Lied „Die Nacht“ – und die brach noch lange nicht an: Das reichhaltige Buffet zu leeren, hatten die Gäste in der Pause gar nicht geschafft.