Allan Lichtman („13 Keys to the White House“). Foto: AFP/PEDRO UGARTE

US-Politologe Allan Lichtman wird mit seinen Prognosen für die Präsidentenwahl in den USA als „Orakel“ oder gar als „Nostradamus“ gefeiert. Warum man die „13 Schlüssel zum Weißen Haus“ dennoch hinterfragen oder selbst bewerten kann.

Politische Hochspannung auch nach der TV-Debatte zwischen Donald Trump und Kamala Haris: Wissenschaftler Allan Lichtman hat mit seinem Modell der „13 Schlüssel zum Weißen Haus“ bisher (fast) jede US-Präsidentschaftswahl seit 1984 korrekt vorhergesagt. Wie lautet seine Prognose für Harris/Walz und Trump/Vance. Was genau sind die „13 Schlüssel“ („13 Keys to the White House“?)

Lichtmans System bewertet 13 Faktoren, die den Ausgang einer Präsidentschaftswahl beeinflussen können. Wenn mindestens sieben dieser „Schlüssel“ für die Regierungspartei positiv ausfallen (Antwort mit „wahr“), wird sie voraussichtlich die Wahl gewinnen. Bei sieben negativen Schlüsseln (Antwort mit „falsch“), hat die Oppositionspartei bessere Karten.

„13 Schlüssel zum Weißen Haus“

Für 2024 bewertet Lichtman 8 der 13 Schlüssel als positiv für die Demokraten. Kritiker argumentieren jedoch, dass einige seiner Einschätzungen fragwürdig sind. So ignoriere er etwa die Migrationskrise an der Südgrenze als Form sozialer Unruhen. Auch die Bewertung von Bidens erzwungenem Rücktritt und den Skandalen um seinen Sohn Hunter als „kein Skandal“ sei zweifelhaft.

Besonders umstritten ist Lichtmans Einschätzung des Ukraine-Kriegs als „außenpolitischer Erfolg für die USA“. Kritiker sehen darin eher ein Problem, zu dem auch die USA beigetragen haben. Auch die Bewertung von Donald Trump als angeblich „nicht charismatisch“ stößt auf deutlichen Widerspruch – egal, ob man ihn nun gut findet oder nicht.


13 Schlüssel: Funktioniert das Orakel noch?

Einige Analysten kommen bei einer Neubewertung der Schlüssel auf sieben bis acht negative Faktoren für die Demokraten – was einen Sieg Trumps oder zumindest ein knappes Rennen bedeuten würde. Sie argumentieren zudem, dass Lichtmans System die veränderte Medienlandschaft und neue Formen der öffentlichen Meinungsbildung nicht ausreichend berücksichtige.

„13 Schlüssel zum Weißen Haus“ 2024 (nach Allan Lichtman)

  • Mandatszugewinn der Regierungspartei bei den Zwischenwahlen (objektiv „falsch“)
  • Kein ernsthafter parteiinterner Herausforderer für den Amtsinhaber („wahr“ laut Lichtman)
  • Der Amtsinhaber kandidiert erneut („falsch“ laut Lichtman, da die Vizepräsidentin nicht mit Bidens Amtsbonus rechnen könne)
  • Keine ernst zu nehmende dritte Partei oder unabhängige Kampagne („wahr“ laut Lichtman – trotz Robert F. Kennedy jr.)
  • Starke kurzfristige Wirtschaftslage („wahr“ laut Lichtman)
  • Starkes langfristiges Wirtschaftswachstum („wahr“ laut Lichtman)
  • Spürbare innenpolitische Veränderungen durch die Politik der amtierenden Regierungspartei („wahr“ laut Lichtman)
  • Keine anhaltenden sozialen Unruhen („wahr“ laut Lichtman, trotz Palästina-Krawallen)
  • Kein größerer Skandal in der Regierung („wahr“ laut Lichtman, trotz Hunter Biden und des geistigen Verfalls von Joe Biden)
  • Kein größeres außen- oder militärpolitisches Versagen („wahrscheinlich falsch“ laut Lichtman, im Hinblick auf die Situation in Israel und Gaza)
  • Größerer außen- oder militärpolitischer Erfolg („wahrscheinlich wahr“ laut Lichtman, denn der Ukraine-Krieg sei angeblich ein „außenpolitischer Erfolg für die USA“)
  • Charismatischer Amtsinhaber oder Kandidat der Regierungspartei („falsch“ laut Lichtman, da er Kamala Harris nicht als charismatisch ansieht)
  • Uncharismatischer Herausforderer („wahr“ laut Lichtman, obwohl neutrale Beobachter Trump durchaus für charismatisch halten)
  • Ergebnis laut Lichtman: 8 mal „wahr“, 3 mal „falsch“, 2 mal „(noch) unklar“
  • Lichtman prognostiziert einen Sieg der Demokraten mit Kamala Harris:

TV-Debatte Trump-Harris

Unabhängig von Lichtmans Prognose gehen viele Beobachter von einem engen Rennen aus. Während Trump als starker und aggressiver Debattierer gilt – allerdings auch als notorischer Lügner – wurde das Auftreten der relativ unerfahrenen Kamala Harris vor der TV-Debatte von manchen angezweifelt. Wie Joe Biden vor seinem Rückzug hatte auch der 78-Jährige Donald Trump schon geistige Aussetzer in der Öffentlichkeit, Kamala Harris (59) eher nicht. Am Ende könnte die Mobilisierung der Wähler wahlentscheidend sein – insbesondere, was Frauen und junge Menschen betrifft.

Lichtman und „13 Schlüssel“ bei Bush vs. Gore

Ganz neutral ist der Politologe und Historiker Allen Lichtman bei der Auswertung seiner „13 Schlüssel“ übrigens nicht, den er kandidierte selbst schon erfolglos für die Demokraten als Kongressabgeordneter. Ob er bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 richtig lag, ist umstritten. Er hatte einen Sieg von Al Gore vorhergesagt, und tatsächlich erhielt dieser insgesamt die meisten Stimmen. Allerdings unterlag Gore bei der Auszählung nach Staaten und Wahlmänner-Stimmen gegen George W. Bush. Richter untersagten damals eine Neuauszählung in Florida und verhalfen den Republikanern damit zum Sieg.