Foto: dpa

Lange überzeugende Schwaben verlieren nach 1:0-Führung mit 1:2 - Okazaki mit starkem Debüt.

Lissabon - Schade, VfB Stuttgart - da war mehr drin! Eine Stunde lang überzeugten die Roten im Europa-Liga-Hinspiel bei Benfica Lissabon spielerisch und kämpferisch. Dennoch unterlagen sie mit 1:2 (1:0). Bitter: Tamas Hajnal droht am Sonntag gegen Leverkusen auszufallen.

Die 1200 mitgereisten VfB-Fans rieben sich verwundert die Augen, und mancher Fernsehzuschauer dachte wohl, er habe das falsche Spiel eingeschaltet. Das konnte doch unmöglich der gleiche VfB sein, der in der Bundesliga ums sportliche Überleben kämpft und der beim geringsten Widerstand wackelige Beine bekommt!? Aber doch: Es war genau dieser VfB, der da forsch, mit breiter Brust und hellwach aufspielte, der von Beginn an das Spiel an sich riss und den portugiesischen Tabellenzweiten ein ums andere Mal vor Rätsel stellte.

Labbadia: "Das Ergebnis ärgert mich."

Zum Beispiel schon nach drei Minuten, als Martin Harnik die Latte traf. Und erst recht, als der Österreicher mit einem gefühlvollen Heber über Torhüter Roberto Jimenez hinweg das 1:0 erzielte (21.). Und dennoch stand der Bundesliga-Siebzehnte am Ende wieder mit leeren Händen da - weil Oscar Cardozo (70.) und Franco Jara (81.) Benficas späte Drangphase zu zwei Toren nutzten und Elson beim Freistoß nur den Pfosten traf (86.). "Das Ergebnis ärgert mich, denn die ersten 70 Minuten waren ein Fortschritt", resümierte VfB-Trainer Bruno Labbadia, "doch dann standen wir zu tief, hatten zu viele Ballverluste und haben unsere Konter nicht gut zu Ende gespielt." Alles in allem aber kann der VfB neuen Mut schöpfen. "Das Spiel hat gezeigt, wie wir weiterarbeiten müssen", sagte Matthieu Delpierre.

Den Optimismus stärkte auch Debütant Shinji Okazaki. Wenige Stunden vor dem Anpfiff war die Freigabe für den Japaner eingetroffen. Der wuselige Stürmer fackelte nicht lange. Wie er nach einer Viertelstunde drei Gegenspieler austanzte und den Abschluss suchte, war vom Feinsten - ebenso wie das 1:0, als Tamas Hajnal einen langen Pass auf Harnik spielte und die Benfica-Defensive aushebelte. Der VfB war spielfreudig, kreativ und zweikampfstark, versäumte es aber, das 2:0 nachzulegen. Glück hatte die Mannschaft, dass Schiedsrichter Eric Braamhaar kurz vor der Pause aufgepasst hatte. Torhüter Sven Ulreich riss im Strafraum Fabio CoentrØo rüde um - so sah es zumindest aus. Tatsächlich war der Linksverteidiger allzu bereitwillig in die Knie gegangen. Schwalbe, Gelbe Karte - weiter!

Ulreich auf der Linie stark

Doch genau das war das Problem beim VfB. Die Roten verloren ein wenig ihre Linie, ließen sich zu weit nach hinten drängen, kamen kaum noch zu Torchancen - und Benfica wurde stärker. Ulreich, in der Strafraumbeherrschung unsicher, war auf der Linie umso stärker. Viermal bewahrte der Keeper den VfB gegen CoentrØo (52.), Pablo Aimar (58./60.) sowie Nicolas Gaitan (61.) vor dem Ausgleich. Dann war er doch geschlagen - Oscar Cardozo überwand ihn mit einem trockenen Schuss aus zwölf Metern (70.). Da war Hajnal bereits mit einer Kapselverletzung im linken Sprunggelenk ausgeschieden, sein Einsatz gegen Leverkusen ist fraglich. Der VfB schaffte nun keine Entlastung mehr, Benfica roch die Chance und hatte Glück, dass ein Ellbogencheck von Alan Kardec gegen Georg Niedermeier ungeahndet blieb. Der Verteidiger zog sich dabei eine leichte Gehirnerschütterung zu, ebenso wie Zdravko Kuzmanovic zuvor bei einem Check von Cardozo. Der Pfiff blieb aus, Jara hielt aus 20 Metern drauf - 1:2 (81.).

Noch ist nichts verloren. Im Rückspiel am nächsten Donnerstag (21.05 Uhr/Sky, Sat1) hat der VfB noch alle Chancen aufs Achtelfinale. Das wichtigere Spiel aber steigt am Sonntag bei Bayer Leverkusen. Die Kunst besteht darin, die Stärken aus der ersten Halbzeit von Lissabon mitzunehmen - und über 90 Minuten zu konservieren.