Vor gut 100 Jahren verstarb in Horb der Bildhauer Anton Leins im Alter von 58 Jahren. Er erwarb 1890 das Meintelsche Haus an der Neckarstraße und gründete hier seine eigene „Werkstätte für kirchliche Kunst“.
Am 24. Februar 1925 verstarb der Bildhauer Anton Leins. Sein Name findet sich zusammen mit den Namen der Bildhauer Peter Paul Hausch, Johann Bayer, Franz Xaver Marmon, Richard Moest oder Maximilian Schneiderhan auf einer Bronzetafel, die im Hinterhof des Kaiserparkhauses aufgehängt ist und dort an die ehemalige Werkstätte von Johann Nepomuk Meintel erinnert, der als Begründer der sogenannten Horber Bildhauerschule gilt.
Familien der Bildhauer
Anton Leins wurde am 27. Mai 1866 in Vollmaringen, das damals zum Oberamt Horb gehörte, als zweitjüngstes von sieben Kindern des Sebastian Leins und Theresia Ruggaber geboren. Er war ein Vetter dritten Grades von dem Untertalheimer Steinbildhauer Franz Xaver Klink, dessen Sohn Wilhelm der letzte Vertreter der Horber Bildhauerschule war. Auf Anraten des dortigen Pfarrherrn und Dekan Josef Reiter begann Leins nach Absolvierung der Volksschule eine Bildhauerlehre in der Werkstatt von Peter Paul Hausch und Johann Bayer.
Stubensches Schlösschen
Diese beiden Meintel-Schüler hatten 1876 das in der Neckarstraße gelegene Atelier ihres Lehrmeisters übernommen und vier Jahre später eine eigene Werkstatt im Stubenschen Schlösschen gegründet. Bis zu seinem 21. Lebensjahr arbeitete Anton Leins bei Hausch und Bayer als „Figurist“ und besuchte anschließend drei Semester lang die Kunstgewerbeschule in Stuttgart. Mit Hilfe eines Reisestipendiums konnte er fast alle bedeutenden Kunststätten in Deutschland besuchen und verbrachte einen Sommer in München zum Studium der dortigen Kirchen und Museen.
Das Meintelsche Haus
Anton Leins erwarb 1890 das Meintelsche Haus an der Neckarstraße und gründete hier seine eigene „Werkstätte für kirchliche Kunst“, in der er sich fast ausschließlich der Figurenbildhauerei widmete. Im Oktober desselben Jahres schloss er die Ehe mit Walburga Steim (1867 – 1919), aus der dreizehn Kinder hervorgingen. Als Tochter Antonie 1930 während der Weltwirtschaftskrise in die USA auswanderte und in New York als Kindermädchen arbeitete, ahnte sie nicht, dass 52 Jahre später das Künstlerhaus an der Wintergasse durch die großzügige Spende einer Amerikanerin ihren Namen erhält.
Bischöfliche Empfehlung
Auf Empfehlung des Rottenburger Bischofs Paul Wilhelm von Keppler erlangte Leins frühzeitig einen großen Kundenkreis. Er schuf viele Gruppen und Einzelfiguren in Holz und Stein für das Schwabenland, Bayern, Baden, die Pfalz, das Rheinland und die Schweiz und machte sich so besonders im Bereich der kirchlichen Holzplastik einen Namen. Bei der 1897 in Paris veranstalteten Weltausstellung erhielt er für eine „betende Himmelskönigin“ ein Diplom mit dem Ehrenkreuz.
Die Kreuzwegstationen
Aus der Bildhauerwerkstatt von Anton Leins stammen die 1904 geschaffenen Kreuzwegstationen in der Horber Stiftskirche, die bei der vorletzten Renovierung weiß gefasst in die Langhauswände eingelassen worden sind, sowie ein am ehemaligen Kanzelpfeiler angebrachtes Auferstehungsrelief. Im selben Jahr schnitzte er für das im Stil der Spätgotik gefertigte Netzrippengewölbe der dortigen Taufkapelle die figürlichen Hauptknotenpunkte aus Holz.
In der Winzelner Mauritiuskirche haben sich vierzehn eindrucksvolle neogotische Kreuzwegstationen erhalten, die 1909 entstanden und bei einer Kirchenrenovierung ihrer Stationenbeschriftung verlustig gegangen sind.
Johanneskirche Horb
Die 1896 erbaute evangelische Johanneskirche in der Horber Weingasse zieren an der Außenwand zwei Johannesfiguren, die Leins in Stein gehauen hat. Nach dem Ersten Weltkrieg sind aus seiner Werkstätte auch einige Kriegerdenkmale hervorgegangen. So schuf Leins für die gefallenen Horber Soldaten aus Dettenhäuser Sandstein den mit dem Drachen kämpfenden Sankt Georg, der nach langem Hin und Her einen Platz im Hinterhof des Kaiserparkhauses gefunden hat. Nach dem Betraer Denkmal war sein allerletztes Werk die Fertigung eines Entwurfs für das Kriegerdenkmal in Mühringen.
Werke waren eins verpönt
Es lässt sich kaum ein Überblick über die Arbeiten aus der Werkstätte des Anton Leins verschaffen. Fast alle Werke aus der Horber Bildhauerschule zählen kunsthistorisch zum Historismus und wurden lange Zeit infolge der Abneigung gegen die Kunst des 19. Jahrhunderts als Schreinergotik verpönt. Die meisten Kunstobjekte sind bei Kirchenrenovierungen in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils abgeräumt und bei Kirchenrenovationen der 1970er Jahre auf Dachböden gestellt worden, wo sie zum Teil von den Horber Nachtwächtern wieder entdeckt wurden.
Neue Wertschätzung
In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts kam es zu einer Neubewertung der historistischen Kunst, und die wenigen übrig gebliebenen Werke der Horber Bildhauerschule wurden nun von den Kunsthistorikern und Denkmalpflegern als schützenswert erachtet. Man erkannte, dass das im 19. Jahrhundert angestrebte Zusammenwirken von Architektur und Innenausstattung nur durch die stilistische Übereinstimmung von Kirchenbau und Kirchenausstattung erreicht wurde.
Plastiken in Empfingen
Dank der Bemühungen des 2016 verstorbenen Heimatforschers Günther Reich wurden wenigstens vier der von Anton Leins geschaffenen Holzplastiken wieder in der Empfinger Georgskirche aufgestellt und sind dort an den Seitenwänden des Langhauses zu bewundern. Mit viel Herzblut nimmt sich zurzeit Mesner Jens Schlehe in der Pfarrkirche St. Patricius in Heiligenzimmern der sechs von Anton Leins geschaffenen Heiligenfiguren an und sorgt für deren fachgerechte Restaurierung, damit sie nach Abschluss der Kirchensanierung wieder in neuem Glanz an den ursprünglichen Standorten ihren Platz finden.
Das Erbe Anton Leins’
Nachdem Anton Leins im Februar 1925 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Horber Friedhof beerdigt worden war, traten die Söhne Franz und Eduard in die Fußstapfen des Vaters und führten zusammen mit seinem Schwiegersohn Rupert Straub die Werkstätte für kirchliche Kunst bis in die 1930er Jahre weiter. 1935 erwarb Josef Haipt den an der Neckarstraße gelegenen Garten des ehemaligen Meintelschen Hauses und erbaute darin sein Herrenmodengeschäft. Das Haus mit Werkstatt selbst fiel beim Bau des Kaiserparkhauses 1978 dem Abbruch zum Opfer.