Rettungskräfte kümmern sich bei der Schwimm-EM in Berlin um die bewusstlose Natalie Charlos. Foto: dpa

Schreck zum Auftakt der Schwimm-EM in Berlin: Die Polin Natalie Charlos muss völlig entkräftet aus dem Wasser gezogen werden. Ließen sich die Rettungsschwimmer zu viel Zeit?

Schreck zum Auftakt der Schwimm-EM in Berlin: Die Polin Natalie Charlos muss völlig entkräftet aus dem Wasser gezogen werden. Ließen sich die Rettungsschwimmer zu viel Zeit?

Berlin - Die deutschen Freiwasserschwimmerinnen kümmerten sich noch im Wasser um die bewusstlose Natalie Charlos, der Mannschaftsarzt leistete am Steg Erste Hilfe. Zu den Klängen der Siegerhymne für Europameisterin Sharon van Rouwendaal (Niederlande) wurde die in Elmshorn trainierende Polin in einen Krankenwagen gebracht. Statt heiterer Wettkämpfe in der idyllischen Lage von Berlin-Grünau wurde der Auftakt der Schwimm-EM von einem dramatischen Zwischenfall überschattet. Beim Rennen der Frauen über zehn Kilometer musste die 21-jährige Charlos im Zielbereich völlig entkräftet aus dem Wasser gezogen werden.

Erst nach lauten Rufen der Betreuer und von einigen Beobachterplätzen am Streckenrand sprang ein Rettungsschwimmer am Mittwoch ins Wasser und kümmerte sich um die Olympia-15., die in Deutschland lebt. Am Steg wurde die bewusstlose Charlos erstbehandelt.

"Sie hat sich überanstrengt"

Als die Funktionäre am Mittwochmittag ihre Eröffnungsworte sprachen, wurde die junge Schwimmerin von der Regattastrecke in Berlin-Grünau in ein Krankenhaus gebracht. Nach Auskunft von DSV-Mannschaftsarzt Alexander Beck geht es der 21-Jährigen den Umständen entsprechend gut. Sie sei bei Bewusstsein, einer Genesung stehe nichts im Wege. „Sie hat sich überanstrengt, mittlerweile ist sie aber wieder so weit stabil“, sagte der Würzburger Professor und stellte klar: „Wenn da keiner daneben ist und sie rausholt, ertrinkt sie.“

Deutschlands Topschwimmerin Angela Maurer bangte mit der Polin mit, sie war mit Teamkollegin Svenja Zihsler als eine der Ersten bei der kollabierten Sportkollegin. „Ich hoffe, dass Natalie sich wieder erholt. Sie hat wohl schon Schaum vor dem Mund gehabt, und das ist sehr kritisch. Als ich am Boot war, da war sie schon bewusstlos“, sagte Maurer. „Ich habe es selbst im Wasser nicht gesehen, nur mitbekommen, dass Stefan gerufen hat, helft mal mit.“

DLRG zu langsam?

Der deutsche Bundestrainer Stefan Lurz schrie am Streckenrand nach eigenen Worten „wie am Spieß“, um das Rettungsboot auf die Notlage der Polin aufmerksam zu machen. „So ein Dreck von der DLRG. Erst die Sonnenbrille abnehmen und dann erst ins Wasser“, kritisierte er. „Wir müssen sie nochmal eindringlich einweisen“, sagte DSV-Leistungssportdirektor Lutz Buschkow.

Laut den Regeln soll ein Athlet mit Handzeichen den Begleitbooten klar machen, dass er Hilfe benötigt und das Rennen aufgibt. Das aber konnte die Polin nicht mehr.

Geschwächt vom hohen Renntempo hatte sie die falsche Strecke genommen und konnte sich vor dem Ziel alleine nicht mehr über Wasser halten. Rekordweltmeister Thomas Lurz verfolgte das Drama vom Ufer aus und war nach Auskunft des Bruders kurz davor, zur Rettung selber ins Wasser zu springen, als für quälend lange Momente keine Hilfe erfolgte.

„Ich finde das immer sehr erschreckend, wenn so was passiert“, sagte Maurer, deren enttäuschender 14. Platz nach dem Vorfall zur Randnotiz geriet. „Ich habe das alles schon mal live miterlebt und das war wirklich schlimm mit Francis Crippen.“

Der Amerikaner Crippen war im Oktober 2010 bei einem Rennen in den Vereinigten Arabischen Emiraten gestorben. Als Folge wurde danach unter anderem die Zahl der Begleitboote erhöht, um mehr Sicherheit zu gewährleisten.