Das Landgericht muss entscheiden, ob ein rabiater Tunichtgut in die Psychiatrie eingewiesen wird Foto: dpa

Das Landgericht Stuttgart muss entscheiden, ob es einen 46-jährigen Mann in die Psychiatrie einweist. Der Beschuldigte hatte einen Nachbarn mit einem Besen attackiert.

Stuttgart - Im zweiten Anlauf scheint es zu klappen: Ende Februar dieses Jahres hatte die 5. Strafkammer des Landgerichts schon einmal versucht, über die Zukunft eines 46-jährigen Mannes zu befinden. Damals jedoch war der Beschuldigte betrunken und ziemlich derangiert erschienen. Als Vorsitzende Richterin Ute Baisch vor Beginn der Hauptverhandlung in den Gerichtssaal schaute, war ihr schnell klar, dass nicht verhandelt werden konnte. Vor ihr stand der grinsende Beschuldigte. Auf seinen Kopf hatte er sein Gebiss gelegt, auf die Frage, was er denn heute morgen schon alles getrunken habe, reagierte er mit breitem Grinsen.

Die Richterin ließ den bis dato freien Mann in die Psychiatrie bringen. Am Mittwoch nun der zweite Anlauf mit dem nüchternen Beschuldigten, der eine gefährliche Körperverletzung begangen haben, für eine Bestrafung aber psychisch zu krank sein soll. Bereits am 30. Dezember 2013 soll der 46-Jährige seinem Zimmernachbarn in einer Sozialwohngemeinschaft in Bad Cannstatt einen Besenstiel übers Haupt gezogen haben. Zu allem Übel soll er den 39-Jährigen auch noch mit einem Messer bedroht haben.

All das sei falsch, lässt der Beschuldigte wissen. Sein Zimmernachbar, mit dem er einst freundschaftlich verbunden gewesen sei, habe ihm Geld aus dem Zimmer gestohlen. Und an jenem Abend sei vielmehr der 39-Jährige mit dem Besen auf ihn losgegangen, nachdem er, also der Beschuldigte, ihn mit den Besenborsten hinter dem Ohr gekitzelt habe. Als dann die Polizei unterwegs gewesen sei, habe sich der Nachbar den Besenstiel selbst auf die Stirn geschlagen.

Der Beschuldigte sorgt regelmäßig für Ärger

Das klingt beim Opfer ganz anders. „Ich kam mit zwei Tüten nach Hause und plötzlich bekam ich einen Besenstiel aufs Geweih“, sagt der 39-Jährige.

Der Beschuldigte scheint ein rabiater Tunichtgut zu sein. Er hat 22 Vorstrafen. Ist er aber psychisch so krank, dass man ihn in eine geschlossene Anstalt stecken muss? Die vorläufige Diagnose lautet paranoid-halluzinatorische Psychose, ausgelöst durch den Drogen- und Alkoholkonsum des 46-Jährigen. Gutachterin Heidi Grohmann wird noch ihre Sicht der Dinge darlegen.

Der Mann blickt auf ein desolates Leben zurück. Schon kurz nach der Geburt kam er zu seiner querschnittsgelähmten Oma, dann in ein Heim für Schwererziehbare. Früh fing er Alkohol zu trinken an. Mit 13 Jahren begann er zu kiffen, es folgte der Konsum von Heroin, Kokain und allerlei anderem. Immer wieder landete er im Gefängnis oder in Entziehungsanstalten, bis er 1995 erstmals stationär in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Und immer wieder sorgte er für Ärger – auch jetzt im Zentrum für Psychiatrie in Weissenau, wo er regelmäßig auf den Boden pinkelt. Der Prozess wird fortgesetzt.