Eine zeitgemäße Tierparkgestaltung geht auf die Bedürfnisse der Tiere ein. Die Architektur bleibt dabei im Hintergrund. Foto: dpa

In den kommenden Wochen wird der neue Masterplan für die Stuttgarter Wilhelma fertig. Die auf 20 Jahre ausgelegte Studie gibt die Marschrichtung für die weitere Entwicklung der Anlage vor.

Stuttgart - 'Ein Zoo ist ein Gesamtwerk, das eigentlich nie fertig wird', sagt Dr. Thomas Kölpin. Nach 20 Jahren sei eine Anlage unter tiergärtnerischen Gesichtspunkten in der Regel nicht mehr aktuell. 'Dann muss man sie umbauen oder eventuell auch abreißen und neu bauen', erläutert der neue Direktor des zoologisch-botanischen Gartens Wilhelma. Auf seiner Wunschliste ganz oben steht eine neue Elefantenanlage. 'Die jetzige Haltung ist nicht mehr zeitgemäß. Wenn wir auf Dauer in der Wilhelma Elefanten behalten wollen, brauchen wir eine neue Anlage, die auch eine Herdenhaltung ermöglicht', sagt er. Kölpin hat sich gleich nach seinem Amtsantritt im zurückliegenden Jahr an seinen Masterplan gemacht: Wo soll die Wilhelma in 20 Jahren stehen? Welche Maßnahmen sind dazu notwendig? 'Das ist üblich, wenn ein neuer Direktor einen Tierpark übernimmt', erklärt er. Wenig Gefallen findet er auch an den Funktionsbauten aus den 1960er Jahren entlang der Pragstraße.

'Das ist für die heutige Tierhaltung nicht mehr zeitgemäß. Mal sehen, was sich da machen lässt', sagt er. Eine Grundlage der Planung von Tieranlagen ist die sogenannte Mindesthaltungsrichtlinie für die verschiedenen Tierarten. Darin steht zum Beispiel, dass die Außenanlage für eine Gruppe Elefanten mindestens soundso viel Quadratmeter haben muss. 'Natürlich versuchen wir meistens, etwas darüber zu bauen. Denn unser Anspruch ist ja, die Tiere so gut wie möglich zu halten.' Da aber Innenstadtzoos wie die Wilhelma mit rund 30 Hektar Fläche räumlich begrenzt sind, müsse man versuchen, auch auf begrenztem Raum Gutes zu schaffen. Zumal die Größe eines Tiergeheges auch nicht allein entscheidend ist.

Tierparks sind nie Standard

'Oft ist die Struktur eines Geheges viel wichtiger als die Fläche', so Thomas Kölpin. Den Ausspruch des verstorbenen Züricher Zoodirektors Heini Hediger, 'Das gefährlichste Tier im Zoo ist der Architekt', kennt natürlich auch Thomas Kölpin. 'Zooarchitekten wissen, dass das Tier im Mittelpunkt der ganzen Planung stehen muss. Deshalb ist es auch wichtig, den richtigen Architekten für ein Tiergehege zu finden', relativiert er. Der Architekt Peter Rasbach aus Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) hat schon über 80 Anlagen geplant und kann Thomas Kölpin gut verstehen. 'Der normale Architekt, der noch nie einen Tierpark realisiert hat, ist natürlich auf die Führung durch den Bauherrn angewiesen', ergänzt er. Tierparks seien nie Standard. 'Wir sind immer auf Erfahrungen angewiesen, die in anderen Zoos gemacht wurden.' Und Architekten müssen verstehen, dass die Leute kommen, um die Tiere zu sehen und nicht die Architektur.

Deshalb versucht man heute auch, Menschen und Tiere in dieselbe Landschaft miteinzubeziehen. Mit dem Ziel, das Beste für die Tiere zu tun. Trotzdem: da Tiere nicht sprechen können, könne die Gestaltung der Anlage auch nie direkt hinterfragt werden, sagt Rasbach. Hinzu kommt: Tiere haben nur ein begrenztes Verhaltensspektrum. Deshalb müsse das Gebäude immer zum Verhalten der Tiere konstruiert werden und nicht umgekehrt. 'Ich neige dazu, mich in die künftigen Planungen sehr einzumischen', gibt Thomas Kölpin die künftige Richtung für die weiteren Planungen in der Wilhelma vor. Für ihn sei das in erster Linie eine Tieranlage, bei der das Tier und nicht die Architektur im Vordergrund zu stehen habe. Doch ob eine neue Anlage von den künftigen Bewohnern tatsächlich angenommen wird, weiß man erst nach der Inbetriebnahme. 'Es gibt Fälle, in denen zum Beispiel Raubtiere ein neues Gehege nicht betreten haben, weil sie sich in ihrem alten Revier wohlgefühlt haben.' Das sei wie bei alten Menschen, die sich auch damit schwertun, ihre Wohnung zu verlassen, in der sie viele Jahre gelebt haben.

Ein Großteil der Kosten entfällt auf den Erhalt der Gebäude

'Normalerweise würden sich Tiere aber über eine neue Anlage freuen', relativiert der Zoodirektor. Natürlich ist die Wilhelma auch ein Wirtschaftsbetrieb in der Trägerschaft des Landes. Den jährlichen Ausgaben von rund 20 Millionen Euro im Jahr stehen rund 15 Millionen Euro Einnahmen gegenüber. 'Wir müssen uns natürlich auch darüber Gedanken machen, wie neue Einnahmequellen erschlossen werden können', sagt Kölpin. Das könnten Events sein oder neue gastronomische Angebote. Bernhard Gieß, Leiter des zuständigen Referats beim Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, sieht unter anderem bei den gastronomischen Angeboten Handlungsbedarf - spätestens aber, wenn die neue Elefantenanlage in die Planungsphase geht. Ein Großteil der jährlichen Kosten (4 199 000 Euro vom Gesamtetat) entfällt laut dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2015 auf den Erhalt der Gebäude. Der historische Immobilienbestand der Wilhelma ist dabei 'Fluch und Segen' zugleich.

Um die alten Gebäude auf einem 'vernünftigen Niveau' zu halten, seien erhebliche Sanierungsaufwendungen notwendig. 'Ich bin aber froh, dass ich sie habe. Denn das Ambiente ist einmalig in Europa', sagt Thomas Kölpin. Ein weiterer nicht unerheblicher jährlicher Kostenfaktor sind die Energiekosten. Für Heizung und Strom werden pro Jahr durchschnittlich 1 680 000 Euro aufgewendet, so Bernhard Gieß. Deshalb spielt in der Wilhelma die energetische Sanierung auch eine große Rolle. 'Als Zoo haben wir natürlich auch in puncto Umweltschutz eine Vorbildfunktion', sagt Thomas Kölpin. Bis zu 30 Prozent Energieeinsparpotenzial hält der Zoodirektor in Stuttgart für realistisch. 'Natürlich können wir nicht unsere Energiekosten so weit drosseln, dass wir CO 2 -neutral wirtschaften.' Das sieht auch Peter Rasbach so. Große Tropenhäuser seien zum Beispiel in der Energieeinsparverordnung gar nicht erfasst. An dieser Stelle müsse man dann den Nutzen für Tiere und Pflanzen gegenüber der Energieverwendung abwägen und sich überlegen, wie die dazu notwendige Energie erzeugt wird.