Ein Polizist schaut sich Fingerabdrücke eines Verdächtigen an. Die schnelle und gründliche Sicherung und Auswertung von Spuren gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Ermittlern. Im Falle eines Kapitalverbrechens wird eine SoKo gegründet. Foto: Berg

Bei Kapitalverbrechen konzentriert Polizei ihre Kräfte. Reform schafft bessere Voraussetzungen.

Zollernalbkreis - Wenn ein Kapitalverbrechen geschieht, dann sind die Ermittler der Polizei in besonderem Maße gefordert. Zahlreiche Beamte konzentrieren sich dann einzig auf einen Fall, Experten werden zu einer Sonderkommission (SoKo) zusammengezogen. Wie eine SoKo funktioniert und wie sie arbeitet, erläutert Fred Braun.

Braun, 51 Jahre alt, stammt aus Hechingen. Er ist ein erfahrener Kriminalbeamter. Seit 2004 war er Kripochef in Balingen, seit 2012 stellvertretender Chef des Polizeipräsidiums Balingen und zugleich Leiter des Führungs- und Einsatzstabs. Mit der Polizeireform, die zu Beginn des Jahres 2014 die Struktur der Polizei in Baden-Württemberg tiefgreifend veränderte, erhielt Braun eine neue Aufgabe: Seitdem ist er Leiter der Kriminalinspektion I, eine von acht Abteilungen der Kriminalpolizeidirektion mit Sitz in Rottweil.

Zuständig sind Braun und seine Leute der "K1" für Kapitalverbrechen, beispielsweise Mord. So wie zu Beginn des Jahres in Albstadt, als im März ein älteres Ehepaar tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Falls richtete die Polizei die SoKo "Kreuzbühl" ein, deren Leiter war Fred Braun.

In Mordfällen werde üblicherweise und erst recht dann, wenn der Täter zunächst unbekannt ist, eine Soko eingerichtet, sagt Braun: "Dann geht die Polizei in die Vollen."

Spurensicherung ist nicht alles

Konkret bedeutet das, dass in der Regel mindestens 50 Beamte einzig für einen Fall abgestellt werden. Dass eine solche Mindestgröße notwendig ist, habe sich aus wissenschaftlichen Untersuchungen ergeben, so Braun. Die Philosophie dahinter: Mit so viel Personal wie möglich und nötig soll alles, was mit der Tat in Zusammenhang stehen könnte, so schnell wie möglich erhoben sein. Der SoKo "Kreuzbühl" gehörten zeitweise 85 Beamte an. Deren Ermittlungen sind abgeschlossen; die Staatsanwaltschaft hechingen hat mittlerweile Anklage wegen Mordes erhoben. Ende September könnte die Hauptverhandlung beginnen (wir berichteten).

Ausgangspunkt im Falle eines Mords, wenn der Täter unbekannt ist, sei dabei immer das persönliche Umfeld der Opfer – weil, wie Braun sagt, der Täter in mehr als 90 Prozent der Fälle genau dort zu finden sei. Familie, Freunde, Arbeitskollegen – alles wird intensiv umgekrempelt und abgegrast. Die Ermittlungen laufen dabei in die berühmten "alle Richtungen" – um auch ja nichts zu übersehen. Entscheidend sei dann, so Braun, den "Eingang", die Spur, die zum Täter führt, zu finden. Genau dafür sind die verschiedensten Spezialisten am Werk.

Unterteilt sind Sonderkommissionen der Polizei laut Fred Braun in verschiedene Abschnitte: Ermittlung, Auswertung und Analyse, Kriminaltechnik und Öffentlichkeitsarbeit. Schnell und gründlich gehen muss es mit der Befragung der Zeugen – die Polizisten sollten, wenn möglich, die ersten sein, die mit ihnen sprechen, ansonsten kann es bei Aussagen zu Vermischungen kommen.

Am Tatort selbst kommt den Kriminaltechnikern entscheidende Bedeutung zu: Sie sammeln Spuren aller Art, von DNA über Fasern bis hin zu Steinen – "Fakten", wie es Braun nennt, "die nicht widerlegbar sind". Wichtig sei es dabei, schnell und gründlich zu arbeiten; deshalb betreten die Kriminaltechniker Tatorte auch immer in den berühmten weißen Ganzkörperanzügen – damit sie nicht versehentlich Spuren von sich selbst legen. "Das ist das Schlimmste, was passieren kann", so Braun.

Die Sicherung der Spuren ist aber nicht alles – um sie miteinander zu verknüpfen, stehen weitere Spezialisten und Techniken parat. So etwa die 3-D-Tatortvermessung, die Beamte des Landeskriminalamts (LKA) auf Anfrage durchführen. Dabei wird ein Tatort fotografisch detailliert erfasst und in ein digitales Modell übertragen, durch das die Ermittler am Computerbildschirm surfen können. Daneben können SoKos beim LKA weitere Spezialisten je nach Bedarf anfordern – etwa Mantrailer-Hunde, Zielfahnder und operative Fallanalytiker, die die lokalen Analytiker unterstützen. Diese erstellen, wenn zunächst kein Verdächtiger in Sicht und der "Eingang" in den Fall noch nicht gefunden ist, anhand der Spurenlage Tat- und Täterhypothesen.

Gesteuert werden SoKos im Bereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen, das seit der Umsetzung der Polizeireform die fünf Landkreise Zollernalb, Rottweil, Schwarzwald,-Baar, Tuttlingen und Freudenstadt umfasst, zentral in Rottweil, wo auch die Kriminalpolizei ihre Zentrale hat. Warum dort? Weil, sagt Fred Braun, Rottweil geografisch in der Mitte des neuen Polizeipräsidiums liege. Untergeordnete Kriminalkommissariate bestehen in Balingen, Freudenstadt, Tuttlingen und Villingen-Schwenningen.

Die Polizeireform führe derweil zu einer enormen Erleichterung, wenn eine SoKo eingerichtet werden müsse, sagt Braun. Rund 200 Kripo-Beamte sind im Bereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen tätig, in den Landkreisen Zollernalb, Rottweil, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar und Freudenstadt. Davon könne nun schnell und ohne dass das Tagesgeschäft vor Ort beeinträchtigt werde das für eine SoKo benötigte Personal zusammengezogen werden. Früher habe man Beamte bei anderen Polizeidirektionen in den anderen Landkreisen erst (zeit)aufwändig anfordern müssen – das laufe aufgrund der neuen Struktur nun deutlich unkomplizierter, sagt Braun – was die kriminalistische Arbeit deutlich erleichtere: Nach einem Kapitalverbrechen wie Mord sind die ersten Stunden, die ersten Tage bei der Ermittlung oft entscheidend, wenn es in die Vollen gehen muss.