Die Balken gehen nach unten: Thomas Bareiß verfolgt auf der CDU-Wahlparty in Hartheim die Bekanntgabe der ersten Hochrechnung sowie die Verluste für CDU und SPD. Die Stimmung in den "Lammstuben" ist gedämpft. Foto: Maier

Wahl: AfD nur knapp hinter der SPD.  FDP überholt die Grünen. Wahlbeteiligung: 76,2 Prozent. Mit Kommentar

Zollernalbkreis - Thomas Bareiß und die CDU sind im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen die Sieger, Stella Kirgiane-Efremidou und die SPD die Verlierer. Grüne und FDP legen zu. Klarer Gewinner ist indes die AfD: Die Wähler haben die rechtspopulistische Partei, gemessen an den Zweitstimmen, knapp hinter der SPD zur drittstärksten Kraft gekürt. Jeder Dritte ging zur Wahl.

Thomas Bareiß sieht, nachdem das Ergebnis am Sonntagabend gegen 22.30 Uhr feststeht, zunächst einmal das Positive: Er dürfe den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen für weitere vier Jahre als direkt gewählter Kandidat – mit großem Abstand zu den Mitbewerbern – in Berlin vertreten. "Das freut mich sehr", sagt der 42-Jährige. 45 Prozent der Erststimmen hat Bareiß erhalten, "fast jede zweite Stimme", sagt er. Es ist zugleich das schlechteste Erststimmenergebnis für Bareiß nach 55,3 Prozent 2005, 49,4 Prozent 2009 und den stolzen 60,7 Prozent vor vier Jahren.

Das Zweitstimmenergebnis für die CDU im Wahlkreis – 38 Prozent – wird bei der Wahlparty in den "Lammstuben" in Hartheim fast schon resigniert aufgenommen. Die Stimmung ist schon seit der ersten Hochrechnung um 18 Uhr gedämpft. Eine mögliche Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP sehen viele als "Katastrophe". Bareiß wertet das CDU-Ergebnis im Wahlkreis als "klaren Dämpfer" – und sieht es zugleich als Ansporn für die nächsten vier Jahre: Es gelte, hart zu arbeiten und verloren gegangenes Vertrauen bei den Menschen zurückzugewinnen. Dass die AfD derart stark zugelegt hat, bereite ihm "große Sorge", so Bareiß. Ziel müsse sein, die Union wieder so zu positionieren, dass rechts von ihr keine andere Partei bestehen könne.

SPD ist enttäuscht

Enttäuscht und dennoch kämpferisch gibt sich die SPD, die als erste Partei im Wahlkreis mit dem Wahlkampf begonnen und große Präsenz gezeigt hatte. "Wir haben nicht mit dem besten Ergebnis gerechnet", sagt Kandidatin Stella Kirgiane-Efremidou und plädiert dafür, nun in die Opposition zu gehen, um diese anzuführen – eine Aufgabe, die man nicht der AfD überlassen wolle. Bis auf eines habe die SPD alle Versprechen ihres Programms 2013 durchgesetzt – um so enttäuschter ist Kirgiane-Efremidou, dass es nicht gereicht hat. "Ich hätte gerne meine ganze Kraft für diesen Wahlkreis eingesetzt", sagt die Weinheimerin, die im Kreis Sigmaringen aufgewachsen ist, zumal der Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen weit schwächer in Berlin vertreten sei als der Wahlkreis Tübingen-Hechingen. Kirgiane-Efremidou versprach, auch künftig Präsenz zu zeigen, und Kreisvorsitzender Alexander Maute betonte, die SPD werde auch zwischen den Wahlen aktiv Politik für die Bürger machen.

AfD: "Ziel erreicht"

Waren der Bundestagskandidat Hans-Peter Hörner und der AfD-Kreisvorsitzende Stefan Herre in "Dianas Hendl-Alb" in Burladingen vor der ersten Prognose noch etwas nervös, so fiel die Anspannung von ihnen ab, als absehbar war, dass die rechtspopulistische AfD drittstärkste Kraft werden würde. Mit Beifall quittierten die Anwesenden die Wahlresultate. "Mit äußerster Kraft haben wir unsere Ziele erreicht", sagte Herre: "Ich bin stolz, Teil der Bewegung zu sein." Im Bundestags werde, so Hörner, die AfD eine "starke Opposition" bilden, sich "im Prinzip" an die parlamentarischen Regeln halten, aber "den Finger in Wunden" legen. Beide sprachen ihren Mitgliedern und Helfern im Wahlkampf großes Lob aus: "Wir haben ein hervorragendes Team gehabt." Bei Wahlveranstaltungen und Podien hätten die AfD-Vertreter ihre Positionen vertreten und bei Gesprächen positive Resonanz bekommen: "Sehr viele haben sich zu uns bekannt." Froh machte den Bewerber, dass seine Partei im Wahlkreis ein solches Ergebnis erzielt. "Ich mache weiter, so lange ich kann und will", so der 66-jährige Hörner. Die Zeit des Wahlkampfs sei anstrengend gewesen, "aber ich möchte sie nicht missen".

FDP: "sensationell"

"Wir wollten die drittstärkste Kraft werden – das haben wir nicht ganz geschafft", bedauerte der FDP-Kandidat Dirk Mrotzeck. "Aber wer hätte gedacht, dass wir zweistellig werden? Das ist sensationell!", freute er sich gleich darauf: Der gelbe Balken der ersten Hochrechnung schnellte unter Applaus der Wahlparty-Gäste in Balingen in die Höhe. Mrotzeck erinnerte daran, wie seine Partei nach der Wahl 2013 durch den Kakao gezogen worden ist: "Mit 4,8 Prozent waren wir am Boden. Es ging ums politische Überleben" Aber das Läuten des Totenglöckchens für die Liberalen sei verfrüht gewesen: Man kehre mit einer starken Fraktion in den Bundestag zurück. Das Ergebnis in seinem Wahlkreis habe sicher auch viel mit der guten Arbeit der Partei im Landtag zu tun. Mrotzecks eigene Politikkarriere endete indes am Sonntag um 18 Uhr: Nach zwei anstrengenden Wahlkämpfen wolle er jetzt in "politische Rente" gehen.

Grüne: "Chance nutzen"

Eine Atmosphäre zwischen verhaltener Freude über das eigene gute Ergebnis – "im Moment bin ich sehr zufrieden", sagte Bundestagskandidat Erwin Feucht – und dem Entsetzen über das hohe Resultat für die AfD – "das ist bitter und bedeutet harte Zeiten für die Demokraten im künftigen Bundestag" – hat bei den Grünen im Zollernalbkreis geherrscht. Feucht feierte deshalb in Ebingen im Kunstwerkhaus nicht ganz so ausgelassen. Er sprach sich dafür aus, dass sich seine Partei an einer künftigen Bundesregierung beteiligt, wenn auch nicht um jeden Preis: "Diese Chance müssen die Grünen nutzen, die Politik in diesem Land mitzugestalten." Die Wahlparty im Ebinger Kunstwerkhaus – bei einem Büfett zubereitet mit grünen Zutaten – kam nur schleppend in Gang. Und manche hatten sich ein zweistelliges Ergebnis für die Grünen gewünscht, freuten sich aber über die gute Wahlbeteiligung.

Linke: "dicke Niederlage"

"Bitter enttäuscht" ist der Kandidat der Linken im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, Claudio Wellington, von seinem Wahlergebis. "Da gibt es nichts schönzureden", sagt er: "Das ist eine dicke Niederlage." Er erhielt weniger als fünf Prozent der Erststimmen. Ein kleiner Freudentropfen für Wellington, er hat immerhin etwas mehr Stimmen als sein Vorgänger Daniel Morteza Ghazvini bei der Bundestagswahl 2013 erhalten. Den Wahlabend verbrachte Wellington in einem italienischen Restaurant in Tübingen, wo die "zentrale Wahlfeier" der Linken in der Region mit der Bundestagsabgeordneten der Tübinger Linken, Heike Hänsel, stattfand. Wellington ist aber auch enttäuscht über das bundesweite Abschneiden seiner Partei. Vor allem das Ergebnis der AfD bereite Sorgen. Mehr noch: Wellingston ist betrübt darüber, dass wohl auch viele bisherige Linke-Wähler zur AfD abgewandert sind: "Das muss man erst mal verkraften."

Kommentar

Warnschuss

von Karina Eyrich

Ein Ergebnis weit über dem Bundestrend und doch ein Warnschuss für den CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß ist sein Erststimmenergebnis von 45 Prozent. Selbst in der CDU waren viele dem Vernehmen nach unzufrieden mit den teils lustlos wirkenden Auftritten ihres Kandidaten, der bei mehreren Podiumsdiskussionen fern geblieben war.

Nach 55, 49 und 61 Prozent bei seinen ersten drei Bundestagswahlen hat der gebürtige Meßstetter das schlechteste Ergebnis eingefahren – und muss nun aufs Gas treten, will er auch künftig sein Abo aufs Direktmandat behalten.

Stella Kirgiane-Efremidou hat für die SPD einen engagierten Wahlkampf geführt und dennoch ihr Ziel nicht erreicht, ein zweites Mandat für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen herauszuholen. Respekt verdient das Ergebnis für den Grünen Erwin Feucht – über dem Bundesdurchschnitt.