Allgemeine Verkehrskontrolle: Die Polizeipräsenz auf den Straßen des Zollernalbkreises ist nach der Strukturreform unverändert geblieben. (Symbolfoto) Foto: dpa

Neue Strukturen, tiefgreifende Veränderungen. Aber: Reviere bleiben von der neuen Struktur praktisch unberührt.

Zollernalbkreis - Seit gut einer Woche ist die Polizeireform umgesetzt: Eine größere Umstrukturierung als diese haben die Ordnungshüter im Land noch nicht miterlebt. Wir gehen der Frage nach, was der Umbruch bedeutet.

Reform Zum 1. Januar hat die baden-württembergische Polizei eine neue Struktur erhalten (wir berichteten). Statt der bisher vier Landespolizeidirektionen mit 37 Polizeidirektionen gibt es nun zwölf Präsidien, eines davon in Tuttlingen. In diesem sind die bisher fünf eigenständigen Polizeidirektionen Rottweil, Balingen, Freudenstadt, Villingen-Schwenningen und Tuttlingen zusammengefasst. Dieses neue Präsidium ist das einzige, das aus fünf Landkreisen zusammengesetzt ist. Flächenmäßig gehört es damit zu den größeren, personell zu den eher kleineren.

Bisher waren alle Direktionen, unabhängig von ihrer Größe, gleich aufgebaut, dies ist nun anders. Am Standort Tuttlingen gibt es den Führungs- und Einsatzstab, die Verwaltung sowie die Öffentlichkeitsarbeit und das Controlling. Der Bereich Prävention wird zwar von Tuttlingen aus geleitet, ist allerdings weiter dezentral organisiert.

Die 14 Polizeireviere und 24 zugeordnete Polizeiposten im Bereich des Präsidiums bleiben erhalten. Dazu kommen eine neue Kriminalpolizeidirektion in Rottweil und eine neue Verkehrspolizeidirektion in Zimmern ob Rottweil. Dort sollen auf lange Sicht außerdem die Polizeihundestaffeln stationiert werden.

Kriminalpolizei Der Kripostandort Rottweil ist ein Gewinner der Reform, sagt Dietmar Schönherr. Der Hechinger leitet die neue Kriminalpolizeidirektion, die sich in der ältesten Stadt des Landes befindet. Bisher war bei jeder Polizeidirektion eine Kriminalpolizei angesiedelt – auch in Balingen (mit der Außenstelle Albstadt), Freudenstadt, Tuttlingen, Villingen-Schwenningen und Rottweil. Hier sitzen nun plötzlich 170 statt der bisher 35 Kripo-Mitarbeiter. Sie sind im Polizeigebäude in der Kaiserstraße untergekommen, sollen aber einen eigenen Anbau erhalten. "Man hofft, dass er bis in zwei Jahren fertig ist", sagt Schönherr.

Die Direktion ist für Fälle von schwerer Kriminalität zuständig, alle anderen übernehmen die Kommissariate in Balingen, Freudenstadt, Tuttlingen und Villingen-Schwenningen. Sie haben "deutlich weniger Personal" als vorher, erklärt Schönherr, allerdings übernimmt Rottweil viele der bisherigen Aufgaben.

Neu ist der Kriminaldauerdienst, den es in Großstädten wie Stuttgart bereits gab. Er ersetzt die Rufbereitschaft. Das bedeutet, dass in Rottweil rund um die Uhr Kripobeamte im Dienst sind. "Wie beim Polizeirevier", sagt Schönherr, der die Umsetzung der Reform als "Operation am offenen Herzen" bezeichnet. Schließlich musste die Kripo trotz Umzug ständig einsatzbereit sein. Das habe geklappt.

Verkehrspolizei Sitz der neu geschaffenen Verkehrspolizeidirektion ist Zimmern ob Rottweil. Deren Leiter ist Georg Moll, bisher an der Spitze der Polizeidirektion Freudenstadt tätig. Der Standort sei ideal, meint er. "Wir sitzen in Zimmern in der Mitte" des Präsidiumsbereichs. Bisher war bei jeder Polizeidirektion eine Verkehrspolizei angesiedelt. In der Zimmerner Direktion gibt es nun vier "Abteilungen": den Streifendienst im Bereich Autobahn, den Ermittlungsdienst Verkehrspolizei, den Verkehrsunfallaufnahmedienst, der für schwere Unfälle zuständig ist, und die spezialisierte Verkehrsüberwachung. Die beiden Letzteren sollen in Horb zusammengefasst werden – dafür ist aber ein Neubau nötig. Georg Moll rechnet nicht vor 2017 damit.

Beispiel Geisterfahrt auf der B 27 nahe Balingen am vergangenen Wochenende: Diese Ermittlungen leiten die Kollegen aus Zimmern. Zunächst allerdings sind die jeweiligen Reviere vor Ort da, um erste Maßnahmen zu treffen. Zumal die Zimmerner Polizisten einen längeren Anfahrtsweg haben. Die Fläche des Präsidiums umfasst laut Moll rund 4500 Quadratkilometer.

Hundestaffel Die Polizeihundeführerstaffel wird ebenfalls in Zimmern stationiert. Derzeit gibt es 16 Polizisten mit Hund, 20 Stellen sind ausgewiesen. Sie sind bei der Suche nach Vermissten im Einsatz, unterstützen die Kollegen bei Durchsuchungen oder greifen bei tätlichen Auseinandersetzungen ein. Allerdings: Noch fehlt der nötige Neubau, wann er realisiert wird, lässt sich nicht sagen. "Schnellstmöglich", geht es nach dem Tuttlinger Präsidium. Bis es soweit ist, sind die Polizeihundeführer noch in Rottweil, Albstadt, Freudenstadt, Horb und Villingen untergebracht.

Jeweils zwei Polizeihundeführer sind als Streifenteam im Dienst. In der "Interimsphase", erklärt Polizeisprecher Peter Mehler, könne es "vorkommen, dass ein Polizeihundeführer, derzeit stationiert in FDS, und ein Polizeihundeführer, derzeit stationiert in VS, zusammen Dienst verrichten". Zum einen entfällt so ein Teil ihres Diensts auf die Anfahrt, zum anderen sind beide unter Umständen weit weg vom Einsatzort.

Polizeireviere und -posten Die Personalstärke in den Polizeirevieren und -posten auf der Zollernalb ist nach der Strukturreform weitgehend gleich geblieben. Die Polizeireviere Albstadt und Balingen wurden bereits um je zwei Beamte aufgestockt. Auch das Polizeirevier Hechingen bekommt laut Peter Mehler Verstärkung: "Anfang März, spätestens Anfang April kommen zwei Kolleginnen oder Kollegen hinzu", sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Polizeiposten in Rosenfeld, Schömberg, Frommern, Bisingen, Haigerloch, Burladingen, Tailfingen, Ebingen, Meßstetten und Winterlingen bleiben unverändert. In der Tat habe es durch die Reform Personalverschiebungen gegeben, sagt Mehler. Manche Kollegen seien nach Rottweil oder Tuttlingen versetzt worden. "Aber der Wechsel wurde bereits ausgeglichen."

 Kritik Innerhalb der Polizei gehen die Meinungen zur Reform offenbar auseinander. Die Stimmung sei relativ gut, meint auf der einen Seite Georg Moll, Leiter der Verkehrspolizeidirektion. Sein Eindruck: "Man schaut zuversichtlich nach vorne."

Auf der anderen Seite gibt es Polizisten, die genau darüber ihren Unmut äußern, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Ein E-Mail-Schreiber, der sich anonym zu Wort meldet, aber angibt, er sei seit 30 Jahren Polizist, lässt kein gutes Haar an der Reform. "Das eigentliche Ziel, mehr Polizei auf die Straße zu bringen ist nur in einem Punkt geglückt", schreibt er. "Die Beschäftigten fahren heute völlig unsinnig aus den Landkreisen Sigmaringen, Zollernalb und Tübingen in andere Landkreise und leisten einen ›sinnvollen‹ ökologischen Beitrag zur Verkehrsdichte." Und weiter: " Die Polizeireform trifft von allen Organisationseinheiten der Polizei die Schutzpolizei am wenigsten! Revier- und Polizeiposten bleiben vorerst erhalten. Spezialdienststellen wie Verkehrsdienste bleiben die nächsten Jahre weitgehend im Kreis, für den Bürger als Verkehrsteilnehmer ändert sich gefühlt wenig. Eine fokussierte Darstellung der Reform auf die Arbeit der Schutzpolizei erfasst jedoch nur 25 Prozent der tatsächlichen Auswirkungen für den Bürger. Die Zeche der Reform zahlen die Tarifangestellten, ehemaligen Mitarbeiter der Polizeidirektionen und Landespolizeidirektionen sowie der Kriminalpolizeien."

Der Kriminaldauerdienst in Rottweil sei personell so knapp bemessen, dass bei Nacht gerade mal vier Beamte für fünf Landkreise zuständig seien. Man stelle sich vor, gibt der E-Mail-Schreiber zu bedenken, "es gibt zu Ladenschluss in Baiersbronn einen Raubüberfall, und die beiden Fahrzeuge des Kriminaldauerdienstes befinden sich bei einem Großbrand oder Todesfallermittlungen in Tuttlingen oder Winterlingen. Die Opfer können einem Leid tun!"

Die Reform, sagt hingegen Michael Schlüssler, "haben Polizisten gemacht". Er wisse nicht, welche andere Behörde solch eine Möglichkeit schon gehabt habe. "Da stecken wahnsinnige Chancen drin."