"Das wird schwer": So kommentierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß (rechts) am Wahlabend in den Hartheimer "Lammstuben" die anstehenden Koalitionsgespräche. Wie sich nun zeigt, hatte er Recht. Archivfoto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Politiker und Abgeordnete aus der Region reagieren auf Scheitern der Jamaika-Gespräche.

Zollernalbkreis - Aus für Jamaika: Die Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen über eine mögliche Jamaika-Koalition sind gescheitert. Die Politiker aus der Region bewerten das unterschiedlich. Aber Enttäuschung ist zu spüren.

Mit "großer Sorge" sieht es der CDU-Wahlkreisabgeordnete Thomas Bareiß: "Da hat man sich aus der Verantwortung gezogen. Die Gespräche wurden nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit angegangen. Da wurde immer wieder Öl ins Feuer gegossen." Jetzt gebe es verschiedene Varianten: "Ich hoffe, dass die SPD sich doch noch bewegt, sie trägt auch eine Verantwortung für das Land, und wir haben die vergangenen vier Jahre erfolgreich zusammen regiert." Eine Minderheitsregierung wäre nicht erfolgreich: "In schwierigen Zeiten brauchen wir eine Regierung, die handlungsfähig ist." Er selbst sei "schon enttäuscht", aber "es gibt Grenzen, die Differenzen waren zu groß. Schade." Neuwahlen? Dabei könnte das Gleiche herauskommen wie bei den letzten Wahlen, "und dann stehen wir wieder da".

"Das bringt unser Land in eine sehr, sehr schwierige Situation"

Annette Widmann-Mauz (CDU), Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Tübingen-Hechingen, ist vor allem enttäuscht. "Weil ich glaube, dass wir einen wichtigen Schritt zu einer Regierung hätten bewältigen können. Wir standen ganz nahe am Durchbruch", sagt sie. Umso unverständlicher sei es, dass die FDP den Verhandlungsort verlassen hat. "Das bringt unser Land in eine sehr sehr schwierige Situation", so Widmann-Mauz weiter. Auf die Ruhe und Stärke von Angela Merkel komme es jetzt einmal mehr an. "Neuwahlen müssen die Ultima ratio sein", ist sie überzeugt. Zudem gebe es eine Partei, die von Anfang an nicht mitsprechen wollte. "Auch wenn es einem parteipolitisch nicht passt: Erst kommt das Land, dann die Partei", so Widmann-Mauz. Man müsse sich immer daran messen lassen, ob man diesem Anspruch gerecht wird.

"Wir haben die Notbremse gezogen", sagt Dirk Mrotzeck, FDP-Bundestagskandidat im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen. Was gefehlt habe, sei eine sachliche Basis gewesen: "Da muss sich jeder an die eigene Nase fassen." Noch sei nicht aller Tage Abend. Man dürfe die Regierungsbildung nicht torpedieren, müsse konstruktiv für das Land arbeiten. Falls es Neuwahlen geben sollte, wolle er sich wieder zur Verfügung stellen.

Der AfD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Stefan Herre kommentiert: "Christian Lindner hat sich auf diese Komödie eingelassen, wohlwissend, dass es zu keiner Einigung kommen wird. Sein wahres Ziel war die Schwächung der Union und der Grünen." Kanzlerin Angela Merkel sei wieder die große Verliererin. Von Neuwahlen rät Herre ab: "Es ist ein Unding, dass man die Verantwortung an die Wähler abschiebt." In einer Minderheitsregierung sieht Herre hingegen Chancen: "Künftig jeden Vorschlag mit nachvollziehbaren Argumenten begründen und um Zustimmung werben zu müssen, wäre vor allem für CDU und CSU Neuland. Für unsere Gesellschaft, die es verlernt hat, zu diskutieren, zu argumentieren und zu streiten, wäre es ein Gewinn."

Der SPD-Kreisverband Zollernalb sei im Zweifelsfall für Neuwahlen, sagt der Kreisvorsitzende Alexander Maute. Er bedauert den Abbruch der Sondierungsgespräche in Berlin. Die FDP habe neue Tatsache geschaffen, die Politik sei jetzt gefragt, darauf zu reagieren. Vieles deute auf ein strategisch kalkuliertes Vorgehen der FDP hin. Die Bürger würden klare politische Verhältnisse erwarten: "Diesem Wunsch muss man nun nachkommen." Die SPD-Zollernalb begrüße mehrheitlich die Aussagen ihres Bundesvorsitzenden Martin Schulz, wonach die Partei grundsätzlich nicht für eine große Koalition zur Verfügung stehe. Eine Minderheitsregierung könne die dringende Fragen dieser Zeit kaum lösen: "Wir brauchen eine starke Regierung, die mit einem klaren Mandat ausgestattet ist."

Martin Rosemann, SPD-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Tübingen-Hechingen, findet deutliche Worte zum Scheitern der Koalitionsverhandlungen. "Ich habe den Eindruck, dass die FDP offenbar eine Truppe von Spielern und Hasardeuren ist, die mit den Bürgerinnen und Bürgern zockt", sagt er. Gescheitert sei auch insbesondere Frau Merkel, die es nicht geschafft habe, in acht Wochen eine Konstellation hinzubekommen, die auf Landesebene durchaus zustande gekommen sei. Zur Frage nach einer großen Koalition meint Rosemann: "Ich meine, dass es zunächst einmal bei denjenigen liegt, die auch für das Scheitern verantwortlich sind. Man kann nicht selber den Karren an die Wand fahren und nach jemand Dritten rufen." Deswegen müssten Überlegungen zu einer Minderheitsregierung angestellt werden. Es habe zwischen Union und FDP oder Union und Grünen durchaus Gemeinsamkeiten gegeben.

Erwin Feucht, Bundestagskandidat von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, war von den geplatzten Sondierungen "etwas geschockt": Jetzt stehe man vor großen Herausforderungen, aber Neuwahlen sollten nur das "letzte Mittel" sein. Die Möglichkeit, eine Minderheitsregierung zu bilden, sollte geprüft werden. Frank-Walter Steinmeier sei jetzt "der wichtigste Mann im Staat". Im Falle von Neuwahlen würde er sich noch einmal zur Verfügung stellen, "wenn meine Partei es will".

"Mit staatspolitischer Verantwortung hat das nichts zu tun"

Christian Kühn, Bundestagsabgeordneter der Grünen im Wahlkreis Tübingen-Hechingen, sieht die FDP auf der Flucht aus der Verantwortung. "Es gab inhaltliche Annäherungen. Deshalb ist das umso unvorständlicher", sagt er. Die Grünen seien weit über ihre Schmerzgrenze gegangen. Dass es jetzt nicht reicht, sei umso bitterer. "Was die FDP gemacht hat, hat mit staatspolitischer Verwantwortung nichts zu tun. Sie haben kalte Füße gekriegt", so Kühn weiter. Sie hätten nicht den Mut aufgebracht, kompromissfähig zu sein. Aber das sei das Wesen der Demokratie, auch wenn es schmerzhaft ist. Wie es nun weitergeht? "Man muss eine Minderheitenregierung in Erwägung ziehen", sagt Kühn. Neuwahlen seien die schlechteste Option. Im Zweifel gingen die Grünen selbstbewusst in etwaige Neuwahlen: "Wir können nicht einfach sagen, uns passt es nicht, und dann soll neu gewählt werden."