Schön und neu: das Balinger Krankenhaus. Der zweite Bauabschnitt wird in diesem Sommer fertig. Zu teuer? Zu groß? Von vornherein als Zentralklinikum geplant? Vorurteile gibt es viele. Foto: Ungureanu

Kreisverwaltung räumt mit Vorurteilen in Standortdiskussion auf: "Wie medizinisches Konzept aussehen wird, ist offen."

Balingen - Das Zollernalb-Klinikum: zwei Standorte, 135 Ärzte, 450 Betten, 1200 Mitarbeiter einschließlich Teilzeitkräfte, knapp 20.000 stationäre Patienten im Jahr, weitere 45.000, die ambulant behandelt werden – und seit Jahren Millionendefizite. Ist es ein Albstädter Klinikum? Ein Balinger Klinikum? Oder doch eher ein Klinikum für alle Zollernälbler?

An der neuen Standortdiskussion erhitzen sich einmal mehr die Gemüter, im Kreistag wird emotional diskutiert, und Vorurteile gibt es viele.

Vorurteil 1: Die Entscheidung über den künftigen Klinik-Standort hat die Verwaltung längst getroffen.

Standortdiskussionen habe es bereits in den 1970er-Jahren gegeben, sagt Landrat Günther-Martin Pauli, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums ist. Es gelte jetzt, Fakten zu sammeln, zu prüfen, "wie wir uns optimal aufstellen, egal, wo die Menschen sind – denn es gibt keine besseren oder schlechteren Zollernälbler". Im engen Dialog mit den Mitarbeitern, den Chefärzten, den niedergelassenen Ärzten, der Bevölkerung und der Kommunalpolitik gelte es für die Zukunft zu entscheiden. "Da braucht niemand Angst zu haben, wir werden die Diskussion transparent führen und nicht im stillen Kämmerlein", versichert Pauli und fügt hinzu: "Lieber einmal zu viel erklärt als einmal zu wenig."

Vorurteil 2: Das Albstädter Krankenhaus hat den Standort Balingen in der Umbauphase finanziell mitgetragen.

"Falsch", kontert Klinik-Geschäftsführer Josef Weiss. Denn es gebe schon lange kein "Krankenhaus Albstadt" und kein "Krankenhaus Balingen" mehr, sondern nur noch ein Zollernalb-Klinikum mit gemeinsamer Kasse. Übrigens: Während der Umbauphase in Albstadt seien auch dort etwa 4000 Patienten weggeblieben.

Vorurteil 3: Beim Krankenhaus-Neubau in Balingen gab es eine Kostenexplosion.

"Es gab keine", korrigiert Dezernatsleiter Christoph Heneka. Er weiß, wovon er spricht, denn er hat den Neubau von Anfang an begleitet. 2005 seien 30 Millionen veranschlagt gewesen – ohne Erweiterung. Am 28. April 2008 habe der Kreistag den Baubeschluss gefasst – Kostenpunkt: 68,8 Millionen Euro. Der erste Bauabschnitt wurde 2013 abgeschlossen – teurer als ursprünglich veranschlagt sei er nur durch verschiedene Änderungsanträge geworden: "Für das Mehr an Medizin und Komfort hat sich der Kreistag bewusst entschieden." Alles in allem liege man beim ersten Bauabschnitt um 2,7 Prozent über dem Budget – "ein sehr guter Wert", wie Heneka bemerkt. Für den zweiten Bauabschnitt, der in diesem Sommer fertiggestellt wird, habe sich der Kreistag ebenfalls mehrheitlich entschieden, nachdem am Altbau, der saniert werden sollte, Statikprobleme festgestellt wurden. Die hätten die Sanierung um zehn Millionen verteuert. Nach Abrechnung des zweiten Bauabschnitts werde es Mehrkosten geben, räumt Heneka ein. Aber auch Kosteneinsparungen in gewissen Bereichen. Alles in allem werde das Balinger Krankenhaus knapp 90 Millionen kosten.

Vorurteil 4: Die Kreisverwaltung möchte Albstadt die Frauenheilkunde wegnehmen.

Das ist nicht richtig: Dass die Frauenheilkunde nach Balingen verlegt worden sei, gehe auf einen Beschluss des Kreistags zurück. "Sie wurde bewusst in die Mitte des Kreises gelegt", sagt Landrat Pauli. Nebenbei: "Auch Kinder von Albstädter Stadträten sind in Balingen zur Welt gekommen." Es gehe nicht darum, in Albstadt abzubauen, sondern dort die psychosomatischen Betten aufzustellen, für die es einen Kooperationsvertrag mit dem Vinzenz-von-Paul-Hospital und Geld vom Land gebe. "Wir müssen die Betten in Betrieb nehmen, sonst sind sie weg. Andere Krankenhäuser in der Umgebung reißen sich darum", weiß Pauli. Und der Antrag von Seiten der Freien Wähler, die Gynäkologie in Albstadt zu belassen, bis ein medizinisches Konzept vorliege, sei nicht machbar: "Die Gynäkologie ist zum Teil schon umgezogen, der Rest sitzt auf gepackten Koffern. Und es haben schon Frauen ihre Entbindung in Balingen geplant."

Vorurteil 5: Man will Albstadt ausbluten lassen. Der größten Stadt im Kreis wird immer mehr Infrastruktur weggenommen – siehe auch die beruflichen Schulen.

Ausbluten? Die Pflegeschule sei organisatorisch in Albstadt konzentriert, betont Josef Weiss: "Sie soll nachgerüstet werden, wir wollen eine qualifizierte Ausbildung anbieten und junge Leute für den Beruf gewinnen." Zum Thema Berufsschulen ergänzt der Landrat: "Es ging darum, Kompetenzzentren zu schaffen; aus neun Berufsschulen sind fünf geworden. Jetzt gibt es ein Mehr an Bildungsangeboten. Kleinere Schulen haben dagegen stark verloren." Aus den ganzen Debatten habe man auch lernen müssen, dass alle letztlich etwas abgeben müssen.

Vorurteil 6: Das Gutachten, das in Auftrag gegeben wird, hat Alibifunktion für eine unpopuläre Entscheidung des Landrats.

Im Gegenteil, argumentiert Pauli: Für jede Entscheidung brauche man aber Grundlagen – "bauliche, betriebswirtschaftliche und gesundheitliche". Ein neues medizinisches Konzept werde vom Sozialministerium gefordert als Voraussetzung dafür, dass überhaupt Zuschüsse beantragt werden können. Das Baugutachen habe verschiedene Aspekte untersuchen sollen: eine Renovierung des Standorts Albstadt, eine Neusortierung der Abteilungen zwischen Balingen und Albstadt – und eben eine Zentralisierung in Balingen. Er habe tags darauf ein Gespräch beim Sozialministerium gehabt und die Kreisräte in einer nichtöffentlichen Sitzung über das Ergebnis informiert. Ihm sei es wichtig gewesen, die Diskussion vor der bevorstehenden Landratswahl zu führen, damit es danach nicht heiße, er habe damit hinter dem Berg gehalten bis nach der Wahl, sagt Pauli. Er selbst sehe sich in der ganzen Diskussion nicht als Entscheidungsträger, sondern nur als Moderator. "Eine unsachliche Argumentation vergiftet die Atmosphäre", warnt er. Bei alledem dürfe man keineswegs Ängste schüren: "Einen Blindwuchs können wir uns nicht leisten."

Vorurteil 7: Sollte das Zollernalb-Klinikum am Standort Balingen zentralisiert werden, wird kein Albstädter herkommen, sondern eher nach Sigmaringen gehen.

Ausschlaggebend bei der Entscheidung, in welches Krankenhaus man geht, sei nur die Qualität der Leistungen, sagt Josef Weiss. Ziel sei es, ein zukunftsfähiges Klinikum zu haben, "und dafür braucht man Geduld", fügt der Landrat hinzu. Dass man im Wettbewerb mit den umliegenden Häusern sei, das sei kein Geheimnis – und die umliegenden Häuser seien gar nicht weit weg – siehe Tübingen, Villingen-Schwenningen, Rottweil oder Sigmaringen. Gleichzeitig betont Pauli, dass es in Sachen Standort keine "Gefälligkeitsentscheidung" geben werde. Denn um Fördermittel zu bekommen, müsse nun mal das medizinische Konzept ausgearbeitet werden, das von den Ärzten schon seit Jahren gefordert werde. Dazu werde ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis sei offen. Das Ziel: die Verbesserung der medizinischen Versorgung. "Dabei gibt es keine Denkverbote und keine Vorfestlegung", versichert der Landrat.