Werben für die Identitäre Bewegung Schwaben: Jugendliche verteilen vor der Balinger Stadtkirche Flyer. Foto: Privat

Institutionen vernetzen sich, um Jugendliche vor einer Radikalisierung egal welcher Couleur besser zu schützen.

Zollernalbkreis - Hetzparolen, rassistische Aufkleber an Straßenlaternen, Falschinformationen auf Flugblättern und in sozialen Netzwerken: Was kann getan werden, um Jugendliche vor Radikalisierung und Extremismus zu schützen? Darüber sprachen wir mit dem Kreisjugendpfleger Alexander Schülzle und Angelika Vogt vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg.

Frau Vogt, seit wann gibt es das Demokratiezentrum Baden-Württemberg und was macht es?

Das Demokratiezentrum Baden-Württemberg gibt es seit Anfang 2015. Es ist ein Bildungs-, Dienstleistungs- und Vernetzungszentrum im Handlungsfeld Extremismus, präventiver Bildungsarbeit und Menschenrechtsbildung.

Herr Schülzle, Welche bedenklichen Tendenzen beobachten sie im Zollernalbkreis?

Über die "neuen Medien" werden Informationen speziell an Jugendliche weitergeleitet. Wenn sie Halbwahrheiten oder falsche Versprechungen beinhalten, ist Vorsicht geboten. Wahlversprechen und Forderungen von den besagten Parteien oder Bewegungen sind nicht so einfach umzusetzen, oder sind teilweise sogar unmöglich.

Frau Vogt, warum ist es keine Option, das alles zu ignorieren?

Ein Problem verschwindet nicht, indem es ignoriert wird. Im Gegenteil: Es wird ausgelegt im Sinne von "Schweigen ist Zustimmung". Extreme Kräfte fühlen sich dadurch eher gestärkt.

Wo kommt die Identitäre Bewegung überhaupt her?

Vogt: Sie kommt ursprünglich aus Frankreich und ist 2012 erstmals in Baden-Württemberg aufgefallen, seit 2014 als Verein in Deutschland eingetragen. Zunächst agieren sie sehr intensiv und geschickt übers Internet. Ihre Zielgruppe sind junge Menschen, die sie über ihre Propaganda ansprechen. Wir müssen sie sehr ernst nehmen und aufklären. Ihre Botschaft lautet: Die "europäische Kultur" ist bedroht durch eine "Islamisierung". "Wir Europäer" sollen "ausgetauscht" werden. Sie agieren fremdenfeindlich und rassistisch und greifen dabei auf völkisches Gedankengut zurück. Sie benutzen bewusst Bezeichnungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die Gruppierung wird eindeutig als rechtsextrem eingeordnet. Inzwischen tauchen sie immer häufiger auch auf der Straße auf, wie jetzt mit dem Info-Stand in Balingen. Sie argumentieren geschickt und unterlaufen demokratische Positionen. Die halten sich nicht an Spielregeln.

Seit wann gibt es die Identitäre Bewegung Schwaben und wie groß ist die?

Vogt: Zunächst trat die Bewegung vor allem übers Internet in Erscheinung, was keine seriöse Einschätzung zulässt, wie viele Personen tatsächlich dahinterstehen. Dann wurden Kleinstgruppen wahrgenommen. Seit diesem Frühjahr haben sie sich in der Region zusammengeschlossen zur Gruppierung "Identitäre Schwaben". Die Personenzahl dürfte sich im zweistelligen Bereich befinden. Doch das ist nicht sehr aussagekräftig. Die Bedeutung liegt darin, dass sich intelligente, ehrgeizige junge Menschen zusammengefunden haben, dabei auch Studierende, die ein hohes Potenzial in sich tragen.

Herr Schülzle, wie versuchen sie auf Kreisebene dagegen zu halten?

Unsere Devise ist: Richtig informieren über Aufklärung. Nur wer richtig informiert ist, kann mitbestimmen und sich aktiv an unserer Demokratie beteiligen. Hierbei ist uns auch das Albbündnis behilflich. Wir organisieren hier jährlich ein Forum zu aktuellen Themen, zum Beispiel zum öffentlichen Nahverkehr, zur U18-Wahl, zu Parteiprogrammen – Dinge, die die Jugendliche interessieren oder interessieren sollten. Manchmal ist es schwer, das Interesse zu wecken, da die Wichtigkeit der Beteiligung immer mehr in Vergessenheit gerät. Im vergangenen Monat waren wir in Bisingen bei der Neugründung des Jugendforums mit dabei. Gemeindeverwaltung und Gemeinderat haben sich dazu entschieden, dem Jugendgemeinderat eine neue Plattform anzubieten.

Manchmal lenken wir auch von Kreisseite aus und bieten Veranstaltungen für und mit der Gemeinde an. In meinem Ehrenamt als Gemeinderat bin ich gerade dabei, eine Informationsveranstaltung im Jugendwohnheim Hechingen anzubieten. Dort werden unbegleitete minderjährige Ausländer betreut. Man kann nicht über etwas reden, geschweige denn etwas schlecht machen, was man nicht kennt. Mit dem Kreismedienzentrum sind wir am Planen, ob es einen Kurzfilm mit dem Inhalt "Meine Erlebnisse der letzten 15 Jahre" geben kann. Jugendliche aus dem Jugendwohnheim Hechingen und Jugendliche aus dem Landkreis berichten über ihre Kindheit und Jugend. Der Kurzfilm kann als Informationsmaterial oder Lehrfilm in Schulklassen gezeigt werden.