Im Gespräch: Moderator Wolfgang Heim, Daniela Widmer, Klaus Reinhardt und Jörg Armbruster (von links). Foto: Wagener

Ehemalige Taliban-Geisel, ein Bundeswehr-General und ein Nahost-Experte diskutieren über Islamismus und Terror.

Zollernalbkreis - "Die Welt aus den Fugen – über islamistischen Terror, zerfallende Staaten und unsere Sicherheit": Beim Sparkassentalk in Balingen ging es in diesem Jahr um die großen Fragen der Weltpolitik. Mit dabei: Jörg Armbruster, langjähriger Nahost-Korrespondent der ARD.

Die Nachricht erschüttert die deutsche Medienlandschaft: Am 29. März 2013 wird der renommierte Nahost-Journalist Jörg Armbruster bei Dreharbeiten im syrischen Aleppo angeschossen und schwer verletzt. Der erfahrene Reporter wird notoperiert, nur knapp entgeht er dem Tod.

Nun, fast auf den Tag genau zwei Jahre später, sitzt Armbruster gut gelaunt auf dem Podium beim Balinger Sparkassentalk. Dort spricht er über seine Arbeit als Journalist – und über die Folgen eben jenes Vorfalls in der Osterwoche 2013. "Ich bin noch nicht zu hundert Prozent wiederhergestellt", sagt Armbruster, dessen Arterie im rechten Arm damals von der Kugel eines Scharfschützen durchtrennt wurde. "Ich kann aber wieder einen Laptop benutzen und schreiben."

Noch heute stehe er mit seinem syrischen Arzt in Kontakt, der ihn in der vom Krieg zerstörten Stadt als Erstes versorgt hatte, ehe es in die Türkei zur weiteren Behandlung ging. "Ärzte können Wunder vollbringen. Sie haben mir aus einem Hüftknochen eine Speiche nachmodelliert", sagt Armbruster in Balingen, das Mikrofon fest in der rechten Hand. Gerade am Anfang habe er aber viel von dem Vorfall geträumt. "Man steckt ein solches Erlebnis nicht einfach weg", so Armbruster.

Dass Erlebtes haften bleibt, dass Ereignisse das Leben schlagartig verändern können, das weiß auch Daniela Widmer, neben Armbruster und dem Bundeswehr-General Klaus Reinhardt der dritte Gast auf der von SWR-Journalisten Wolfgang Heim moderierten Veranstaltung. Im Sommer 2011 wird die junge Schweizerin in der pakistanischen Provinz Belutschistan von einem Taliban-Kommando entführt. Gemeinsam mit ihrem Freund ist sie mit einem VW-Bus unterwegs, als sie von bewaffneten Männern bedroht, gefesselt und in einen Kofferraum gezerrt wird. "Wir dachten, es geht in die Wüste und sie erschießen uns", schildert Widmer in Balingen eindringlich ihre Gedanken während der Entführung. Die Taliban aber haben anderes vor: Sie fordern Lösegeld und die Freilassung von Gefangenen.

Über acht Monate halten sie die beiden Schweizer gefangen, an verschiedenen Orten, am Himmel kreisen amerikanische Drohnen. "Wegen der Drohnenangriffe bewegen sich die Taliban ständig", erklärt Widmer, die beim Sparkassentalk keinen Hehl aus ihrer Kritik an dem amerikanischen Vorgehen in Pakistan macht.

Während der Gefangenschaft lernen Widmer und ihr Freund Paschtu, die Sprache ihrer Entführer. Insgesamt verhalten sie sich "defensiv", politische Diskussionen werden vermieden. Schlussendlich gelingt die Flucht. Auch, und hier muss das Publikum bei aller Ernsthaftigkeit kurz schmunzeln, weil ihr Bewacher für den Job nicht die allerbesten Voraussetzungen besitzt: "Er war der einzige dicke Taliban, den wir gesehen haben."

Rasch aber kehrt die Ernsthaftigkeit zurück in den voll besetzten Saal der Sparkasse in Balingen. Dies liegt auch an dem Bundeswehr-General Klaus Reinhardt, der 1990 maßgeblich an der Abwicklung der Nationalen Volksarmee beteiligt war und diesen Job heute als eine "wahnsinnig spannende Aufgabe" bezeichnet. Reinhardt zeichnet ein düsteres Bild von der gegenwärtigen Weltlage. "Die Welt ist leider nicht friedlicher geworden", sagt er mit Blick auf die Krise in der Ukraine und das Wüten des sogenannten islamischen Staates in Syrien und Irak. Als "größte Gefahr der Menschheit" aber bezeichnet er nicht den IS, sondern Pakistan, jenes Land also, in dem Widmer über Monate festgehalten wurde. Pakistan verfüge über 75 Atomwaffen, die Armee aber schaffe es nicht, die Taliban zu kontrollieren. Sollten die Atomwaffen in die Hände von Islamisten gelangen, so Reinhardt, "sieht es sehr, sehr kritisch aus."

Auch der Nahost-Experte Armbruster zeigt sich ähnlich pessimistisch wie Reinhardt. Die Lage in Staaten wie Syrien oder Irak gebe wenig Anlass zur Hoffnung, meint er. Ebenso wie Reinhardt hält auch Armbruster einen militärisches Engagement des Westens in dieser Region für wenig zielführend. "Es wäre verkehrt, wenn westliche Truppen eingreifen würden." Und Reinhardt ergänzt: "Wenn der Westen im Irak gegen den IS kämpfen würde, hätte er die Bevölkerung gegen sich."

Zudem verweist Armbruster auf den westlichen Verbündeten Saudi Arabien als einen wichtigen Faktor im Nahen Osten. "Saudi Arabien ist das Gemeinwesen, dass die Ideologie liefert, aus denen andere Gruppen ihren Terror zusammenbasteln", kritisiert Armbruster indirekt des enge Verhältnis des Westens zum saudischen Königshaus.

Gibt es also nichts, das Hoffnung macht? Auf diese Frage des Moderators folgen die kürzesten Antworten des Abends. Das mag nicht nur daran liegen, dass es schon sehr spät ist.