Blick in den Sitzungssaal 0.07 des Balinger Amtsgerichts: Dort ist am Montag eine frühere Mitarbeiterin des Kreissozialamts zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Foto: Maier

Urteil gegen frühere Mitarbeiterin des Landratsamts. "Schlechtes Licht auf Behörde geworfen."

Zollernalbkreis - Hoher Schaden, viele Fälle, zahlreiche handfeste Indizien: Das Balinger Amtsgericht hat am Montag eine frühere Mitarbeiterin des Kreissozialamts wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt – ohne Bewährung.

Richterin Kurz sah es nach sechs Verhandlungstagen und der Anhörung zahlreicher Zeugen als erwiesen an, dass die frühere Mitarbeiterin des Landratsamts aus Geldnot heraus die Betrügereien begangen hat. Die 65-Jährige soll demnach Anträge auf sogenannte Rückkehrhilfe für Flüchtlinge fiktiv erstellt, Unterschriften gefälscht und sich insgesamt rund 60 000 Euro erschwindelt haben. Weil sie das nach Wertung des Gerichts als Amtsträgerin und zudem in vielen Fällen und damit gewerbsmäßig getan hat, handelt es sich um schwere Fälle.

Ein letztes Puzzlestück in der Verhandlung lieferte am Montag eine forensische Schriftsachverständige, die mehrere Unterschriften des früheren Sozialamts-Leiters auf Auszahlungsanordnungen sowie von Flüchtlingen auf angeblich deren Anträgen als gefälscht bewertete: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – in Prozent ausgedrückt: 99,99 – hätten weder der Amtschef noch die Flüchtlinge die Unterschriften geleistet, so die Sachverständige.

Im Verlauf des Verfahrens hatten rund 30 Flüchtlinge ausgesagt. Alle hatten verneint, jemals Anträge auf Rückkehrhilfe oder für Passbeschaffungsgebühren gestellt geschweige denn Geld bekommen zu haben. Als "auffällig" bezeichnete es Richterin Kurz, dass die Auszahlungen in diesem Zusammenhang häufig dann flossen, wenn die 65-Jährige größere private Ausgaben stemmen musste. Die Erklärung, wonach das Geld von der Mutter stamme, nahm das Gericht der Angeklagten nicht ab.

Richterin Kurz sagte in Richtung der 65-Jährigen, dass diese das Vertrauensverhältnis zu ihrem Arbeitgeber, dem Landratsamt, und zu ihren Kollegen aufs Schwerste verletzt habe. Ihr kriminelles Verhalten werfe ein schlechtes Licht auf die gesamte Behörde. Zudem habe sie sich abfällig und verächtlich gegenüber den Flüchtlingen geäußert, in deren Namen die Anträge gestellt wurden – und damit diese als Lügner dargestellt.

Staatsanwalt Beiter, der eine Haftsttrafe von drei Jahren gefordert hatte, sagte in seinem Plädoyer, dass die 65-Jährige das Schicksal der Flüchtlinge skrupellos für ihren eigenen Vorteil ausgenutzt habe. Durch das von ihr installierte Betrugssystem habe sie die Sozialkasse geplündert, so Beiter. Er sei überzeugt, so der Staatsanwalt, dass die 65-Jährige noch viel häufiger getrickst habe. Wie berichtet, waren nicht alle Fälle angeklagt, es sollen rund 250 sein. Zivilrechtlich ist eine Forderung des Landratsamts gegen die frühere Mitarbeiterin anhängig; die Behörde will 345 000 Euro Schadensersatz.

Der Verteidiger der Frau, Rechtsanwalt Karle, hatte in seinem Plädoyer dargelegt, dass es an klaren Beweisen für die Täterschaft seiner Mandantin fehle. Anders als von der Staatsanwaltschaft und vom Gericht angenommen, habe die 65-Jährige nicht unter massiver Geldnot gelitten.

Lediglich für einige Urkundenfälschungen könne sie strafrechtlich belangt werden; diese seien indes nicht "gewerbsmäßig begangen worden, sondern im hektischen Arbeitsalltag geschehen: Schlamperei aber sei nicht nicht strafbar, so Karle. Für die Urkundenfälschungen sah er eine Geldstrafe als angemessen. Die 65-Jährige will die Entscheidung des Amtsgerichts nicht hinnehmen und kündigte Berufung an.