HandballSchweiz als Umweg in die Bundesliga

Von Ulrich Mußler

Groß geworden ist er im Nachwuchs des VfL Gummersbach, doch der Weg in die Bundesliga war für Julian Krieg von einem Umweg über die Schweiz geprägt. Jetzt ist der 28-jährige Rückraumspieler beim HBW Balingen-Weilstetten und damit in der Handball-Bundesliga angekommen.

Mit fünf, sechs Jahren – so genau erinnert sich der 28-Jährige nicht mehr daran – begann Krieg mit dem Handball. "Nach ein paar Rauferein mit dem Nachbarsjungen, war meine Mutter der Meinung, ich solle meine überschüssige Energie anderweitig loswerden und schickte mich zum Training", sagt Krieg und lacht. Damit war die Basis gelegt. Er durchlief sämtliche Jugend-Mannschaften beim VfL Gummersbach. Doch bis zu den Profis schaffte er es nicht. "Ich habe zwar ein paar mal mittrainiert, war aber nie im Bundesliga-Kader". Stattdessen spielte Krieg beim VfL Gummersbach II, stieg mit dem in die Verbandsliga auf und wechselte dann zum nahe gelegenen Drittligisten SG Schalksmühle/Halver. Drei Jahre lang trug er das Trikot der Sauerländer, hatte eigentlich schon für eine vierte Saison zugesagt. "Das war ein super Truppe, Handball war zu dieser Zeit aber eher ein Hobby für uns." Doch dann lernte er bei einem Ehemaligen-Spiel in Gummersbach Markus Krauthoff kennen. Krauthoff, inzwischen Co-Trainer von Markus Baur bei den Kadetten Schaffhausen, war damals Kreisläufer bei Pfadi Winterthur. Bei den handballern aus dem Kanton Zürich war kurz vor Beginn der Runde ein für den rechten Rückraum eingeplanter Spieler abgesprungen, Krauthoff brachte Krieg ins Gespräch, Pfadi lud ihn zum Probetraining, und kurz darauf war der Wechsel perfekt. "Eigentlich war es überhaupt nicht geplant, in die Schweiz zu gehen", so Krieg.

In Winterthur entwickelte sich der Linkshänder zum Leistungsträger, wurde in der Saison 2013/14 Torschützenkönig in der 1. Liga und gewann zum Abschluss noch den Schweizer Pokal. Parallel zum Handball beendete er in Winterthur sein Studium, schloss im Juli an der Züricher Universität der angewandten Wissenschaften als Bachelor of Engineering ab. "Nur Handball zu spielen erfüllt mich nicht. Ich brauche Abwechslung und eine geistige Herausforderung", sagt Krieg. Und so wird er ab September auch ein, zwei Tage in der Woche Berufserfahrung als Maschinenbauer sammeln.

Tüfteln kann er auch, wenn er sich seinem Hobby widmet: einem italienischen Motorrad, dessen Baujahr weit länger zurückliegt als seine Geburt Eine "Laverda", Baujahr ‘72, Zwei-Zylinder. "Das ist eine richtige ›Schüttelbüchse‹. Zurzeit steht in der Garage meiner Eltern in Gummersbach. Ich restauriere sie gemeinsam mit meinem Vater und hoffe, dass sie im nächsten Sommer fertig ist."

Doch auch für die Musik aus vergangenen Tagen hegt der 1,98-Meter-Hühne großes Interesse. "Vor eineinhalb Jahren habe ich mir meinen ersten eigenen Schallplattenspieler gekauft und baue mir jetzt eine Plattensammlung auf", erklärt Krieg. Bevorzugte Objekte: Vinyl von den frühen "Genesis", "Led Zeppelin" oder auch "The Who". Als Kabinen-DJ taugt er damit wohl kaum. "Ich will meinen Geschmack niemandem aufdrängen und höre natürlich auch aktuelle Musik", sagt der 28-Jährige mit einem breiten Grinsen und schwärmt gleich danach von einem Live-Erlebnis: "Ich habe Steve Hackett einmal im ›Kaufleuten‹, einem kleinen Klub in Zürich gesehen, nachdem er die Genesis-Sachen neu aufgenommen hatte. Das war überragend."

Mit dem Wechsel nach Balingen beginnt für Krieg "ein neuer Lebensabschnitt. Nach fünf tollen Jahren, in denen ich mich in Winterthur sehr gut eingelebt hatte, wollte ich noch einmal eine neue sportliche Herausforderung. Der HBW hat mir vielleicht die letzte Chance ermöglicht, in der Bundesliga zu spielen. Deshalb habe ich mich entschieden, etwas Neues zu machen."

In Balingen fühlt er sich bereits bestens aufgehoben. "Ich wohne mit meiner Freundin in der Innenstadt. Und in einer Handball-verrückten Stadt wie Balingen hat man immer ein Gesprächsthema, da fällt es einem leicht, mit den Leuten warm zu werden."

An die Bundesliga-Gangart muss er sich, obwohl er schon zahlreiche Einsätze mit Winterthur auf internationalem Parkett hinter sich hat, noch etwas gewöhnen. "Es geht schneller zu, und das Niveau ist höher. Ich muss mich herantasten und Gas geben", sagt Krieg – so wie bald einmal mit seiner "Laverda".

u Julian Krieg.

Der neue Rückraumspieler des HBW Balingen-Weilstetten wurde am 18. Juli 1987 in Gummersbach geboren. Der 1,97 Meter große Linkshänder begann im Alter von sechs Jahren mit dem Handballspielen und durchlief die Nachwuchsteams des VfL Gummersbach. Zwar trainierte Krieg auch mit dem Bundesliga-Team des Altmeisters schaffte aber nie den Sprung in den Kader der ersten Mannschaft. Ab 2007 war er drei Jahre lang in der 3. Liga für die SG Schalksmühle/Halver am Ball, ehe er 2010 zum Schweizer Erstligisten Pfadi Winterthur wechselte, wo er auch Erfahrung im EHF-Pokal sammelte. In der Saison 2013/14 war er mit 212 Treffern bester Schütze in der 1. Schweizer Liga. In der vergangenen Spielzeit netzt er für Pfadi 139 Mal ein und verabschiedete sich schließlich nach fünf Jahren mit dem Schweizer Cupsieg aus Winterthur in Richtung Balingen.