Kreis muss junge Asylbewerber in Obhut nehmen. Sind keine Papiere da, entscheidet Jugendamt.

Zollernalbkreis - Die Gesetzesänderung zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Ausländer stellt das Jugendamt vor eine neue Herausforderung: Bis zu 130 junge Menschen werden dem Amt im Jahr "vor die Türe gestellt" und sind vorläufig in Obhut zu nehmen.

Das neue Gesetz, das seit 1. November in Kraft ist, sieht ein geändertes Verteilverfahren vor: Bisher seien die Meldungen von der Landeserstaufnahmestelle (Lea) an das Jugendamt erfolgt, und das Sozialgericht habe über die Inobhutnahme entschieden, erklärt Sozialdezernent Eberhard Wiget gegenüber unserer Zeitung. Für den Zollernalbkreis sei das kein Problem gewesen, denn die jungen Ausländer seien gewöhnlich in grenznahen Landkreisen aufgenommen worden. Von der Lea in Meßstetten wurden dem Jugendamt im April zehn Flüchtlinge gemeldet, die jünger als 18 Jahre waren. Aber die Zahl zog stetig an und lag im September bei 143 und im Oktober bei 149.

Mit dem geänderten Gesetz sei eine Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel auf das gesamte Bundesgebiet vorgesehen, erklärt der Sozialdezernent. Insgesamt müsste der Zollernalbkreis 1,74 Prozent aller Flüchtlinge aufnehmen, die noch nicht volljährig sind. Geht man von 20 000 aus, die zum 31. Dezember 2014 im Bundesgebiet registriert waren, wären das 50 im Jahr.

Da in diesem Jahr aber deutlich mehr kommen, rechnet man derzeit mit 130 oder mehr. Die vorläufige Inobhutnahme ist laut Wiget "ein Riesenthema": Die jungen Flüchtlinge müssten in Bietenhausen, im Haus Nazareth, in Gastfamilien und notfalls auch in Jugendherbergen oder ähnlichen Unterkünften einquartiert werden – oder auf unbestimmte Zeit in der Lea bleiben. Das Jugendamt muss binnen 14 Tagen Meldung ans Bundesamt erstatten. Dort wird entschieden, in welchem Bundesland beziehungsweise in welchem Landkreis die jungen Flüchtlinge unterkommen.

Zunächst werde geprüft, ob das Kind oder der Jugendliche tatsächlich allein nach Deutschland gekommen ist, sagt Wiget. In vielen Fällen seien noch ein Onkel, eine Tante oder ein entfernter Verwandter dabei, die zwar kein Sorgerecht hätten, aber Bezugspersonen seien. "Anstatt ins Haus Nazareth zu gehen, zieht es der Jugendliche meist vor, bei seinem Verwandten zu bleiben", weiß Wiget. Wenn keinerlei Papiere da seien, müsse zudem das Alter festgestellt werden. Entschieden werde beim Jugendamt zu zweit, im Zweifelsfall werde ein Arzt hinzugezogen.

Der Mehraufwand bedeutet auch, dass im Jugendamt zusätzliche Stellen geschaffen werden müssen – Wiget geht derzeit von sieben aus. Zusatzkosten werde es für den Landkreis nicht geben: Haushaltsmittel stehen zur Verfügung, weil das Jugendamt in Vorleistung gehen muss. Aber eine komplette Kostenerstattung durch Bund und Land ist vorgesehen.

Noch gilt die quotenmäßige Zuteilung im Zollernalbkreis nur für die minderjährigen Flüchtlinge. Das sogenannte Lea-Privileg ist bis Ende 2016 vereinbart: Dem zufolge werden dem Landkreis keine weiteren Flüchtlinge zugeteilt. Läuft es ab, müsste der Landkreis jährlich rund 1700 Asylbewerber aufnehmen.

Über die Situation der jungen Flüchtlinge informiert das Sozialdezernat am Montag, 9. September, ab 17 Uhr im Sitzungssaal des Balinger Landratsamts im Jugendhilfeausschuss des Kreistags.