Eine Lehre im Handwerk als attraktive Alternative zum Hochschulstudium: Immer mehr Abiturienten wollen derzeit Zimmerer, Schreiner oder Gesundheitshandwerker werden. Foto: Handwerkskammer

Handwerkskammer Reutlingen informiert: Besonders beliebt sind Berufe wie Zimmerer, Schreiner oder Gesundheitshandwerker.

Zollernalbkreis/Reutlingen - Abi – und dann ab an die Hochschule? Muss nicht sein: Bis zu 25 Prozent der Auszubildenden in manchen Handwerksberufen haben inzwischen Abitur. Nach Angaben der Handwerkskammer Reutlingen setzen immer mehr Abiturienten auf eine Karriere mit Lehre und entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk. Der Anteil der Azubis mit Abitur lag bei den neuen Lehrlingen im Jahr 2014 bei 11,3 Prozent – mehr als doppelt so viel wie fünf Jahre zuvor.

Das liegt nicht allein daran, dass bei weniger Schulabgängern insgesamt die Zahl der Abiturienten gewachsen ist. Denn während hier der Anstieg nur moderat ausfiel, konnte das Handwerk bei den Abiturienten sehr deutliche Zugewinne verzeichnen. "Das zeigt, dass das Handwerk für Abiturienten eine echte Alternative ist", sagt Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen.

Das komme den Betrieben entgegen: Mit der zunehmenden Komplexität vieler Ausbildungsberufe würden auch die Anforderungen an künftige Azubis steigen. Geschick, vielfältiges Spezialwissen, Fantasie, logisches Denken, Kreativität und Spaß am Umgang mit Menschen seien nur einige der Talente, die Abiturienten bei einer Lehre im Handwerk voll entfalten können.

Ein weiterer Pluspunkt sei die Eigenständigkeit: Auszubildende seien von Anfang an gefordert, übernehmen Verantwortung und können eigene Ideen umsetzen. Die flachen betrieblichen Hierarchien im Handwerk würden dazu genau den richtigen Rahmen und die notwendige Flexibilität bieten. Besonders beliebt seien bei Abiturienten Berufe wie Zimmerer, Schreiner, Gesundheitshandwerker (Augenoptiker, Zahntechniker, Hörgeräteakustiker, Orthopädieschuhmacher und -techniker) oder Berufe im kreativen Bereich (Holzbildhauer, Goldschmiede). In ausbildungsstarken Berufen wie Kraftfahrzeugmechatroniker, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder Elektroniker, die bei den übrigen Schulabgängern regelmäßig die Hitlisten anführen, seien Azubis mit Abi dagegen nicht ganz so oft zu finden.

Nach der Lehre stehe dem Aufstieg nichts im Weg: Wer nach der Gesellenzeit die Meisterprüfung ablege, könne in Führungspositionen arbeiten oder den eigenen Betrieb führen. Die Aussichten auf einen erfolgreichen Einstieg in die Selbstständigkeit seien im Handwerk besser als irgendwo sonst: Nach fünf Jahren hätten sich etwa drei Viertel aller handwerklichen Existenzgründer etabliert. Für die Übernahme eines Betriebs stünden die Chancen ebenfalls gut: Mehr als ein Drittel aller Handwerksunternehmen werde in den nächsten zehn Jahren den Betrieb aus Altersgründen in jüngere Hände übergeben.

Für Auszubildende mit Abitur werde zudem in vielen Handwerksberufen parallel zum Berufsschulunterricht auch die Zusatzqualifikation "Management im Handwerk" mit Fremdsprachen, EDV und Betriebswirtschaft angeboten. Und mit einer guten Ausbildung und Berufserfahrung im Gepäck habe man auch im Auswahlverfahren für zulassungsbeschränkte Studienfächer bessere Chancen.