HBW-Urgestein Frank Ettwein macht mit 36 Jahren Schluss. Foto: Single Foto: Schwarzwälder-Bote

HandballMit Frank "Litty" Ettwein verabschiedet sich heute der Schrecken aller Linkshänder von der Bundesliga-Bühne

Bei den Linkshändern in der Handball-Bundesliga war er, obwohl mit Abstand kleinster Halbverteidiger der Spielklasse, in den zurückliegenden acht Jahren stets gefürchtet: Frank "Litty" Ettwein. Doch nun ist für den 36-Jährigen Schluss. Nach 18 Jahren beim TV Weilstetten und dem HBW Balingen-Weilstetten nimmt das Urgestein heute nach dem Heimspiel gegen den TBV Lemgo (16 Uhr, Sparkassen-Arena Balingen) seinen Abschied.Herr Ettwein, woher stammt eigentlich Ihr Spitzname „Litty“? Das ist jetzt 18 Jahre her. Damals hatte ich in meinem ersten aktiven Jahr beim TV Weilstetten im Trainingslager Probleme. Ich kam aus der Jugend und war drei Einheiten pro Woche gewohnt, plötzlich waren es aber drei am Tag. Da habe ich mir an der Innenseite der Oberschenkel einen Wolf gelaufen und bin deshalb mit O-Beinen durch die Gegend gewandert. Meine Mitspieler nannten mich den kleinen "Litty", weil mein Laufstil dem des Fußballers Pierre Littbarski wohl stark ähnelte.Wann war klar dass Sie ihre Karriere nach dieser Saison beenden? Die Entscheidung fiel erst vor wenigen Wochen. Mir wurde gesagt, dass ich zu 95 Prozent keinen Vertrag mehr für die 1. Liga bekommen werde. Deshalbhabe ich mich anderweitig orientiert, vor allem was das Leben nach meiner Karriere betrifft. Jetzt habe ich die für mich wahrscheinlich beste Lösung gefunden. Ab Juli arbeite ich in Vollzeit für Pro Activ. So kann ich den Handball vielleicht einmal aus einer anderen Perspektive betrachten.Hätten Sie gerne noch eine Spielzeit drangehängt? Ja. Ich war auch mit meinen Leistungen zufrieden. Ob ich dann mit 37 Jahren zu alt wäre, oder meine Leistung doch noch gereicht hätte, haben jetzt andere entschieden. Vielleicht wäre der HBW noch mal auf mich zugekommen, wenn ich mich nicht schon entschieden hätte, auf Jobsuche zu gehen. Allerdings hätte ich nicht bis Anfang Juni warten können, ob es nun für mich weitergeht. Ich habe auch eine Familie zu ernähren.Aufgrund Ihrer Verletzung stehen Sie gegen Lemgo nicht auf dem Feld, dennoch steht für Sie ein letztes Mal Handball-Bundesliga an. Was ist das für ein Gefühl? Ich bekomme schon bei dieser Frage Gänsehaut. Das Gefühl kann ich noch gar nicht beschreiben. Ich weiß auch noch nicht, wie alles ablaufen wird. Deshalb lasse ich es einfach auf mich zukommen.An welche Momente in den 18 Jahren denken Sie besonders gerne zurück? Da gibt es so vieles – ob Tolles, Lustiges oder Emotionales. Natürlich die Aufstiege in die 2. und nur wenig später in die 1. Liga. Auch den Sieg gegen den THW Kiel oder der überraschende Punktgewinne, wie in dieser Saison in Hamburg, vergisst man nicht so schnell. Berührt haben mich damals der Abschied von Martin Strobel und letztes Jahr jener von Benjamin Herth, mit dem ich zehn Jahre lang das Zimmer geteilt hatte.Wer war Ihr verrücktester Mitspieler und warum? Wenn Sie mich nach dem verrücktesten Trainer gefragt hätten, wäre mir auf Anhieb jemand eingefallen (lacht). Das ist aber nicht abwertend gemeint. Rolf Brack hat mich in den neuneinhalb Jahren Zusammenarbeit sehr geprägt. Ich – und ich glaube auch der Verein – haben ihm sehr viel zu verdanken. Von den Mitspielern waren Jo Boisedu und Rock Feliho schon sehr extravagant und richtig verrückt. Die zwei stehen auf meiner Liste ganz weit vorne. Es war einfach ihre Art, wie sie ins Training kamen: Rock hat zu 95 Prozent immer gelacht und hatte immer einen Spruch auf Lager. Wenn man mit denen unterwegs war, war es immer lustig und wir hatten unheimlich viel Spaß.Gibt es etwas, was sie nach der Karriere sicher nicht vermissen? Also ich bin eigentlich immer sehr gerne ins Training und in die Spiele gegangen. Was ich aber nicht vermissen werde, sind die langen Busfahrten zu den Auswärtsspielen. Das war mit der Zeit eine Plagerei.Es wurde immer gesagt, dass Sie die Tugenden der "Gallier von der Alb" wie kein anderer verkörpern. Haben Sie auch so gefühlt? Wenn einem das so lange eingeredet wird, glaubt man das auch. (lacht) Ich bin einfach ein Typ, der versucht alles zu geben, um aus sich selbst und dem Team alles rauszuholen. Das muss jetzt auch bei meiner Arbeit mein Ziel sein. Das ist mein Wesen, und das werde ich weiter so durchziehen. Wenn diese Tugenden auch zum HBW passen, dann nehme ich das gerne auf mich. Ich wollte einfach immer gewinnen und wenigstens einmal in der Bundesliga spielen – das war mein Traum. Dass es jetzt acht Jahre geworden sind, dachte ich eigentlich nie.Und einen Nachfolger im Sinne "einer der härtesten Abwehrspieler überhaupt"? Ich habe gehört, es soll eine WhatsApp-Gruppe unter allen Linkshändern der Handball-Bundesliga geben, die sich am 25. Mai treffen wollen, um die "Litty ist nicht mehr in der Bundesliga"-Party zu schmeißen (lacht). Der eine oder andere wird sicher froh sein, dass ich nicht mehr gegen ihn spiele.Wie soll es denn mit dem Verein weitergehen ohne "Litty" Ettwein? Der HBW gehört in die 1. Liga. Das sagen selbst Weltmeister von 2007. Der Verein verkörpert etwas Spezielles: Wir heißen nicht ohne Grund "Gallier von der Alb". Unser Kampfgeist war immer ein zentraler Punkt. Wir kommen aus einem kleinen Dorf und versuchen, gegen die Großstadt-Vereine zu bestehen. Wir wollten allen zeigen, dass es auch in Balingen Handball-Bundesliga geben kann.Werden Sie dem Verein in irgendeiner Form erhalten bleiben? Das weiß ich noch nicht. Ich würde schon gerne etwas im Verein tun. Was genau und in welcher Art – darüber führen wir gerade Gespräche. Ob es dann beim HBW ist, ich zu einem anderen Verein gehe oder sogar noch mal spiele, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wenn das Paket aber stimmt, bleibe ich dem Verein gerne erhalten. Der HBW hat mir immer alles bedeutet, und das wird immer so sein. Der HBW war für mich meine Familie. Das war hier in Balingen immer einmalig, und ich glaube, das ist so eine Sache, die mir einmal fehlen wird.