Martin Ohnmacht will ohne Kommunalpolitik wieder mehr Zeit für Spontaneität haben

Von Verena Schickle

Zimmern-Horgen. Wer meint, wer aus der kleinen Eschachtalgemeinde Horgen kommt, würde sich in der großen, weiten Welt nicht zu Hause fühlen, der hat Martin Ohnmacht noch nicht getroffen. Der frühere Ortsvorsteher ist ein Weltenbummler.

Zu manchem Termin geht ein Berichterstatter mit bestimmten Erwartungen. Dazu gehören: Wer sich mit jemandem trifft, der bis vor knapp zwei Wochen Ortsvorsteher und Gemeinderat war, wird wohl so einiges über Kommunalpolitik zu hören bekommen. Auch das kann spannend sein. Martin Ohnmachts Leben allerdings hat viel mehr zu bieten. Der 63-Jährige fängt gleich mal von vorne an.

Als einziger Sohn der Familie sei sein Weg vorgezeichnet gewesen, erzählt der gebürtige Horgener: Jemand muss schließlich die kleine Landwirtschaft übernehmen. Also lernt der Filius Landwirt. Dann allerdings dauert es nicht lange, bis er vom üblichen Weg abweicht. Dazu gehören ein Jahr Fremdlehre auf dem Hofgut Wildenstein und vor allem ein halbjähriges Praktikum auf zwei französischen Höfen. Zur Vorbereitung sollte er eigentlich einen Französischkurs auf Tonband erhalten. Der schafft es aber erst zwei Tage vor Abreise nach Horgen. "Voilà, le soleil brille" sei der erste Satz gewesen. "Das werd ich nie vergessen", sagt Ohnmacht lachend. Folglich sitzt er plötzlich, kaum eines Wortes der fremden Sprache mächtig, im Zug nach Paris. Das ist im Frühjahr 1969 und Ohnmacht 16 Jahre alt. Sein erster Hof liegt bei Angers in Nordwestfrankirech. "Das waren sehr, sehr nette Leute". Und sein Chef gleichzeitig Bürgermeister des 300-Seelen-Ortes. Ob dieser Parallele zu seinem späteren Posten in Horgen muss Ohnmacht schmunzeln. Die Zeit im Ausland "war mit Sicherheit Anstoß für vieles", erzählt der dreifache Vater.

Zurück zu Hause übernimmt er zunächst doch den elterlichen Betrieb, gibt ihn dann aber auf, macht die Fachhochschulreife und studiert in Nürtingen Agrarwissenschaften. Sein Fernweh stillt er mit einem alten Citroen 2CV, einer Ente, den er aus Frankreich mitgebracht hat. Zwischen Schule und Studium fährt er mit einem Kumpel und der Ente unter anderem nach Schottland, bis Ankara und zur Südspitze Spaniens.

Und dann zieht es ihn noch viel weiter weg, nach Afrika: Ende 1977 bekommt Martin Ohnmacht ein Reisanbau-Projekt des deutschen Entwicklungsdienstes in Benin. Zwei Jahre verbringt er dort. Zwischendurch kommt seine Freundin und spätere Frau Doris zu Besuch. Drei Monate später erhält er einen Brief von ihr: Es ist was unterwegs. "Der älteste Sohn ist eigentlich Beniner", sagt er lachend. So unkonventionell geht Ohnmachts Leben weiter. Nach einer Zeit als Verwalter auf einem Hof bei Bietigheim-Bissingen zieht es die Familie, jetzt mit zwei Söhnen, für dreieinhalb Jahre nach Südniger – erneut Entwicklungsdienst.

1986 kehren die Horgener zurück. Beim Arbeitslosmelden habe es dann geheißen: Auf dem Landratsamt sind Stellen frei. Eigentlich wollte der Familienvater eine zeitlang Hausmann sein und nebenher das frisch erworbene Eigenheim renovieren. So kommt mal wieder eines zum andern, spontan plant die Familie um. Auch das zieht sich durchs Leben des ehemaligen Ortsvorstehers.

1989 kommt die Kommunalpolitik dazu: Martin Ohmacht wird Ortschaftsrat, 2004 schließlich Ortsvorsteher. Zwischendurch habe er schon mal gedacht, er hätte ohne diesen Posten sein können. "Aber das kommt ja überall mal." Seit 1999 sitzt er zudem im Gemeinderat. Da werden die wichtigen Entscheidungen getroffen, da sei es nicht schlecht, als Ortsvorsteher ein Stimmrecht zu haben, findet der 63-Jährige. Er habe dennoch immer versucht, dem Ortsteildenken entgegenzuwirken. Vielmehr gehe es darum, dass zu machen, was nötig sei.

Ein Höhepunkt in seiner Zeit als Ortsvorsteher ist für ihn die 700-Jahr-Feier Horgens 2006, als es das ganze Jahr über Veranstaltungen gibt. "Da ist man richtig zusammengewachsen."

Dennoch hat sich Ohnmacht aus allen kommunalpolitischen Ämtern verabschiedet, bei der jüngsten Kommunalwahl tritt er nicht mehr an. Lang genug habe er in einem Korsett gesteckt. Jetzt will er wieder spontan sein können. Zum einen braucht er Zeit für seine Nebenerwerbslandwirtschaft mit Schafen, zum anderen hat er sich ein Leichtmotorrad gekauft. Im März 2016 geht er in Ruhestand. Dann will er damit nach Westafrika fahren. Vielleicht sechs Wochen, vielleicht vier Monate soll die Reise gehen. Martin Ohnmacht bleibt offen für das, was das Leben so bringt.