Nachbarschaftshelfer Albin Graf und Alice Eiberg sind auf dem Weg zur Tagespflege. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder-Bote

Pflege: Nachbarschaftshilfe ist unverzichtbar / Albin Graf fährt Alice Eiberg zur Tagespflege

Alice Eiberg ist mit ihren 90 Jahren noch recht rüstig. Sie wohnt alleine in Zimmern, wäscht und richtet sich selbst. Kinder hat sie keine, dafür aber viele liebe Menschen, die der alten Dame den Alltag erleichtern.

Kreis Rottweil. "Hallo, ich bin’s. Drücken Sie den gründen Knopf am Türöffner." Drei Mal die Woche holt Albin Graf Alice Eiberg in ihrer Wohnung ab und fährt sie zur Tagespflege nach Rottweil. Eine Stunde vorher ruft er die Rentnerin an, weckt sie und erzählt ihr, dass sie sich nun richten soll. Graf engagiert sich als Nachbarschaftshelfer in der diakonischen Fördergemeinschaft Zimmern. Neben Alice Eiberg betreut er drei weitere Senioren, unterstützt sie hauptsächlich mit Fahrdiensten.

Mit dem Ruhestand suchte der 70-Jährige nach neuen Aufgaben. Damals noch in Dietingen lebend, gründete er die dortige Nachbarschaftshilfe neu. Seit seinem Umzug nach Zimmern engagiert er sich zusätzlich in der Nachbarschaftshilfe der diakonischen Fördergemeinschaft.

Albin Graf ist in Zimmern der einzige Mann, der bei der Nachbarschaftshilfe mitwirkt. Neben ihm bringen 16 Helferinnen ihre Fähigkeiten ein. Sie unterstützen die Senioren im Haushalt und beim Einkaufen, machen sauber, mähen den Rasen oder begleiten sie zum Arzt. Nachbarschaftshilfen wie die in Zimmern gibt es von verschiedenen Trägern in vielen weiteren Gemeinden im Kreis, auch private Helfer, die Tür an Tür wohnen leisten einen wertvollen Dienst.

Neun Euro pro Stunde kostet der Dienst bei der diakonischen Nachbarschafthilfe in Zimmern, acht davon bekommt der Helfer als Aufwandsentschädigung.

Alice Eiberg ist startklar und freut sich sichtlich über den Besuch ihres Helfers. Graf packt ihr die Tasche, checkt, ob die Heizungen richtig temperiert und ob Herd und Co. aus sind. "Ich bin da nicht mehr so zuverlässig", sagt sie lachend.

Entlastung für die Angehörigen

Das Gespann versteht sich prächtig. "Er ist immer gesprächig, dann kommt man sich nicht so alleine vor", freut sich die Seniorin. Die beiden machen gerne Witze miteinander und beginnen den Tag ganz gelassen, ohne zu hetzen. Graf hilft der 90-Jährigen in den Mantel, sie hängt sich bei ihm unter, er führt sie zum Auto in den Hof und hält ihr die Türe auf. Vieles möchte sie noch selbst machen, der Nachbarschaftshelfer assistiert. "Die Frau Eiberg ist pflegeleicht, wir können gut miteinander."

Graf hat in der Nachbarschaftshilfe seine Erfüllung für den Ruhestand gefunden. "Man bekommt auch sehr viel zurück. Ich kann gut mit den alten Leuten, und es ist ein schönes Gefühl, wenn jemand dankbar ist", erzählt der Rentner.

Bis zum Alter von 87 Jahren kam Alice Eiberg im Alltag noch ohne fremde Hilfe aus. Vor drei Jahren zog die gebürtige Rottenburgerin nach Zimmern ins betreute Wohnen, um nah bei ihrer Nichte Klara Fußnegger zu sein. Die Seniorin ist kinderlos, ihr Mann, mit dem sie 42 Jahre in Talheim bei Horb wohnte, ist verstorben. Nun kümmert sich ihre Nichte um sie. Die Nachbarschaftshilfe nimmt sie seit etwa einem halben Jahr in Anspruch. "Das ist eine große Entlastung für den Alltag", erzählt die Nichte. Besonders die Putzkraft, die ebenfalls von der Nachbarschaftshilfe geschickt wird, spare viel Zeit und Energie. Zuvor betreute Fußnegger ihre Tante alleine.

Für Entlastung bei den Angehörigen sorgt auch die Tagespflege. An drei Tagen die Woche besucht die Seniorin eine Tagespflege in Rottweil. Bei Mary Kampman gefällt es ihr sehr. "Bei der Mary ist’s immer schön, fast so wie daheim."

Tatsächlich schafft Mary Kampman für die, die in die Tagespflege kommen, eine heimelige Atmosphäre. In einer Art "Villa Kunterbunt" betreut sie derzeit zehn Ältere. Die betagte Dame wird an ihren Platz im "Wohnzimmer" der Tageseinrichtung geführt und bekommt ihr Frühstück serviert und ihren geliebten Kaffee. Beim Mittagessenkochen dürfen die Senioren teilweise gemäß ihren Fähigkeiten mithelfen. Zwischendurch machen die Gäste ein wenig Gymnastik oder ein Nickerchen im Ruheraum. Alice Eiberg ist hier, damit die Tage alleine in der Wohnung nicht so lang und langweilig sind. Hier kann sie lesen, kommt unter Leute, bekommt Anerkennung und das Gefühl, auch in hohem Alter "jemand zu sein".

Singen ist das Allerwichtigste

Klara Fußnegger beschreibt ihre Tante als belesene Frau, sie arbeitete früher im Forstamt und als Handarbeitslehrerin. Dementsprechend ist ihr Auftreten und ihr Bedürfnis, niemandem zur Last fallen zu wollen. "Seit sie in die Tagespflege geht, ist meine Tante ganz aufgeblüht, ist fitter als zuvor", erklärt die Nichte.

In der Tagespflege herrscht eine lustige und beschwingte Atmosphäre. Neben den Sesseln im Ruheraum liegen Fliegenklatschen. Wenn die ausgepackt werden, ist Schluss mit Ruhe: Die Senioren haben großen Spaß daran, damit und mit einem Luftballon Tennis zu spielen. Gemeinsam wird gesungen, erzählt, gebastelt oder jeder macht das, was er am liebsten macht – lesen, stricken, malen oder puzzeln, im Sommer oft draußen im Garten. "Singen ist das Allerwichtigste, da stimmen alle mit ein", erzählt Mary Kampman. Seit 19 Jahren betreut die Holländerin Senioren, viele ihrer Gäste kommen über mehrere Jahre.

Um 16 Uhr holt Albin Graf seinen Schützling wieder von der Tagespflege ab und bringt ihn nach Hause. Dieselbe Prozedur wie morgens, nur rückwärts. Er verstaut die Handtasche, legt den Schlüssel an den richtigen Platz, nimmt die Tabletten aus der Tasche und legt sie auf den Tisch. Medikamente dürfen Nachbarschaftshelfer nicht verabreichen. Dafür kommt am Abend der Pflegedienst. Ein Glas Wasser stellt er ihr immer noch hin. "Das ist mein Manko, ich trinke viel zu wenig. Herr Graf erinnert mich immer daran."