Das Interesse am Neubau ist groß: Dennoch zieht es weniger Bürger als im Februar zu Informationsveranstaltung. Foto: Schickle

Ortschaftsrat Stetten lehnt Voranfrage für Elf-Familien-Haus ab. Investor schlägt zuvor Version mit acht Einheiten vor.

Zimmer-Stetten - Der Abend in Stetten endet mit einem Rekord: Keine fünf Minuten braucht der Ortschaftsrat, um die Bauvoranfrage für ein Mehrfamilienhaus mit elf Wohnungen abzulehnen. Das ist im Laufe des Abends ohnehin mal wieder kleiner geworden.

Manchmal ist es erstaunlich, wie ein Abend verläuft. Das dürfte mancher der rund 50 Zuhörer so empfunden haben, die gestern zur zweiten Bürgerinformationsveranstaltung gekommen sind. Wieder, wie bereits am 25. Februar, geht es um das Neubauvorhaben Mariazeller Straße 12. Dort plant die Tribus Wohnbau GmbH, eigens für das Projekt gegründet, ein Mehrfamilienhaus. Wieder ergibt sich eine entscheidende Änderung, erneut fehlen die passenden Pläne. Umso erstaunlicher, dass die Stimmung am Ende des Abends gelöst ist. Der Reihe nach.

Diesmal hatte der Ortschaftsrat die Bürgerinformationsveranstaltung in die Gymnastikhalle verlegt. Das verschafft mehr Platz und trägt deutlich zu einer lockereren Atmosphäre bei als letztes Mal im übervollen Mehrzweckraum des Feuerwehrhauses. Zudem liegen inzwischen Pläne vor und eine handfeste Bauvoranfrage für die Elf-Einheiten-Variante.

Allerdings hat Bauamtsleiter Otto Haller die Entwürfe gestern kaum vorgestellt, als Ortsvorsteher Gerhard Wodzisz verkündet: Am Dienstagnachmittag habe der Investor angeboten, die Zahl der Wohnungen nochmals zu reduzieren, nämlich auf acht – "was auch im Sinne des Ortschaftsrats aufgrund der Unruhe in Stetten ist". Hinter der Unruhe verbirgt sich der Protest vieler Bürger, die das Vorhaben für überdimensioniert halten. Anwohner hatten Unterschriften gegen den Neubau gesammelt. 247 seien zusammengekommen, erklärt Claudia Hils, eine der Unterzeichnerinnen.

Aufgrund dessen habe der Ortschaftsrat viele Gespräche geführt, erläutert Wodzisz. Am Neubau hält das Gremium dennoch fest. Rat Lothar Seiter trägt so gleich zu Beginn vor, dass Stetten zwischen 2004 und 2014 76 Einwohner verloren habe – mehr als die anderen Eschachtalgemeinden Horgen und Flözlingen. "Das ist ein Zeichen, dass unser Ortskern ein bisschen ausblutet." Senioren, die nicht mehr im eigenen Haus leben könnten, verließen das Dorf, weil es keine barrierefreien Wohnungen gibt. Und junge Familien, die aus Geldgründen zunächst einmal in Miete wohnen müssten, fänden keine Angebote in Stetten. Doch auch der Bauherr habe erkannt, dass es schwierig werde, solch ein Projekt bei Widerstand aus der Bevölkerung durchzudrücken, ergänzt der Ortsvorsteher.

Gerhard Nübling, früher Sparkassendirektor in Rottweil, Anwohner und gestern im Publikum, bemängelt daran allerdings, dass der Investor wieder eine Änderung vorgenommen hat kurz vor der Infoveranstaltung, die eigentlich Klarheit schaffen soll. Sprich: Plötzlich ist von acht Wohnungen die Rede, Pläne liegen aber nur für das Elf-Familien-Haus vor. Einst sollten es gar 14 Einheiten werden. Nübling bezweifelt zudem, dass der Neubau mehr Einwohner bringt. Dem Standort fehle es an Attraktivität. Woher sollen die Käufer für die Wohnungen kommen? Und welche Bank einen Kredit für das Vorhaben geben, ohne, dass ein Großteil der Wohnungen verkauft sei? "Die ganze rechtliche Konstruktion erscheint mir etwas sonderbar." Tribus habe kein Eigenkapital und keine Erfolge vorzuweisen. "Ich will an so exponierter Lage nicht jahrelang eine Baurunie stehen haben."

Die Bank habe klare Ansagen gemacht, wie viele Wohnungen verkauft sein müssen, damit der Bau komplett finanziert werde, entgegnet Alex Kropatschew, externer Berater von Tribus. Einen Zahl nennt er nicht.

Darüber hinaus äußern etliche Stettener die bekannten Befürchtungen. "Das ist einfach ein Koloss, der das Gesamtbild völlig zerstört", meint etwa Elke Müller. Der Bau könne Türöffner für weitere Mehrfamilienhäuser sein. Sie verweist auf das Beispiel Heerstraße in Zimmern: Der Gemeinderat hatte entschieden, einen Bebauungsplan für den Bereich aufstellen zu lassen, um den Bau eines weiteren Mehrfamilienhauses zu verhindern. Auch die Mariazeller Straße befindet sich im unüberplanten Innenbereich. Baurechtlich spricht deshalb wohl nichts gegen das Tribus-Vorhaben. Ortschafts- und Gemeinderat Arnd Sakautzky weist zudem einmal mehr darauf hin, dass das geplante Haus kleiner sei als das bisherige auf dem Grundstück: Ein leer stehender Hof, wie so viele andere in Stetten.

Mit Blick darauf melden sich einige Bürger zu Wort, die argumentieren, viele Leute hätten eben nicht mehr das Geld, um alte Häuser zu renovieren. Die Folge: Sie verfallen. "Und das soll schön sein?", fragt ein Frau. Eine andere meint zum Neubau: "Ich finde das Haus gar nicht so furchtbar."

Selbst die Befürworter und Initiatoren der Unterschriftenaktion haben kein Problem mit Veränderung an sich. "Dass wir was tun müssen in Stetten, ist klar", sagt Stefan Montag nach der Diskussion. Aber es müssten ja nicht gleich 14 oder elf Wohnungen sein. Warum nicht mit einem kleineren Bau anfangen, und dann einen weiteren errichten? In diese Richtung zielt denn auch die einstimmige Ablehnung der Bauvoranfrage durch den Ortschaftsrat. Vielleicht gibt es gestern deshalb keine wirklich unglücklichen Gesichter in Stetten.

Kurioserweise ist sogar der Bauträger zufrieden. Das Meinungsbild vor Ort gebe eben vor, was kommen wird. Claudia Hils hatte es zuvor anders formuliert: "Die wissen eigentlich gar nicht, was sie wollen. Kropatschew allerdings ist sich auf Nachfrage sicher: "Das Projekt wird auf jeden Fall geplant". Jetzt eben mit acht Einheiten. Weniger würden sich nicht lohnen.

Freilich: Noch steht der Neubau nicht. Und dass künftig Überraschungen ausbleiben, darauf dürfte in Stetten keiner mehr wetten.