Justizwachtmeister Josef Burkard geht nach 22 Jahren in den Ruhestand / Über Umwege zu Stelle gekommen

Von Verena Schickle Zimmern-Horgen. Vor 22 Jahren hatte Josef Burkard aus Horgen seinem Leben noch einmal eine andere Wendung gegeben: Er startete beruflich neu durch als Justizwachtmeister. Jetzt ist er Rentner, und einmal mehr verändert sich sein Leben.Alles hat ein Ende: Ab 1. April ist Josef Burkard offiziell im Ruhestand. Seinen Schreibtisch im Spaichinger Amtsgericht hat er allerdings bereits geräumt. 22 Jahre lang war dort seine Hauptwirkungsstätte. "Ich war aber auch viel in Rottweil und Tuttlingen", erzählt der Horgener. Er meint dienstlich: als Justizwachtmeister. Einen wie ihnen gab’s zumindest im Spaichinger Amtsgericht kein zweites Mal.

Das liegt auch daran, dass Burkard auf ungewöhnlichen Wegen zu seinem Beruf gekommen ist. "Durch Zufall", meint er im Rückblick. Denn eigentlich hatte der heute 63-Jährige Maler gelernt. Dann arbeitete er zunächst bei der Straßenmeisterei, bevor er von 1984 bis 1992 als Hausmeister der Rottweiler Doppelsporthalle tätig war. Als er beschloss, das Haus seiner Mutter herzurichten und dort, in Horgen, zu leben, war’s das mit dem Hausmeisterposten: Denn wer in der Halle nach dem Rechten sieht, muss auch in den dazugehörigen Wohnungen für die Hausmeister auf dem Schulgelände leben.

Also führte ihn sein Weg damals ins Arbeitsamt. "Da war ich 41", erzählt Josef Burkard. "Das war das Problem." Allerdings kein großes: Das Amtsgericht Spaichingen suchte einen Justizbeamten. Auch wenn er das nicht war, bewarb sich Burkard und punktete offensichtlich im Vorstellungsgespräch Die Zusage kam drei Tage später. "Meine Amtsbezeichnung war Justizaushelfer", erinnert er sich mit einem Lachen.

Auch optisch sah man dem Quereinsteiger seinen neuen Posten zunächst nicht an. Weil er kein Beamter war, durfte er nämlich keine Uniform tragen. "Dann hab ich ein halbes Jahr lang in Jeanshosen vorgeführt", erinnert er sich. Überhaupt das Vorführen: Die Angeklagten in den Verhandlungsraum zu bringen und dort zu beaufsichtigen, gehörte zu seinen Aufgaben. Das darf nicht jeder machen, erklärt er. Schließlich nehmen man die Leute fest. Manches Mal zeigte sich auch, mit welchen Kalibern er es zu tun hatte. Einmal wollten Kriminelle einen Kriminalpolizisten aus Göllsdorf in die Luft sprengen, erzählt er. Sie hatten eine Bombe an ein Auto angebracht – allerdings an das des Nachbarn. Passiert ist nichts, aber der Prozess war so brisant, dass er nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurde. Josef Burkard war dennoch im Einsatz, das war nervenzehrend: "Da habe ich das Rauchen wieder angefangen", erinnert er sich.

Das wiederum hat ihm ab und an im Umgang mit den "schweren Jungs" geholfen. Die Gefangenen hätten ihm bei einer Zigarette manchmal mehr erzählt als dem Richter. Manche wurden mit der Zeit alte Bekannte. Ein Gefangener etwa, der momentan in Oberndorf einsitze, lasse ihm immer wieder über andere liebe Grüße ausrichten, erzählt Josef Burkard.

Doch auch mit den Mitarbeitern im Gericht verstand er sich gut: Burkard war ein bisschen das Mädchen für alles. Das Spaichinger Amtsgericht sei relativ klein, "da musst du alles machen" – auch Hausmeisterdienste, die Post und die Telefonzentrale, zudem legte er Strafakten an oder kopierte Urteile. Und er war 13 Jahre lang im Personalrat und organisierte hinter dem Gericht schon mal Sommerfeste. Da waren dann auch seine Frau Friederike und die Tochter eingebunden.

Dementsprechend eng war das Verhältnis zu seinen Kollegen: Zum Abschied haben sie ihm das in Form eines Fotobuchs schriftlich gegeben. Dessen Titel lautet: "Unsere gute Seele fliegt davon." Auch deshalb gibt es nur eines, was er hinsichtlich seines Berufslebens bereut: "Ich hätt’s halt früher anfangen sollen", meint Burkard.

Irgendwann durfte er sich übrigens trotz Quereinstiegs zumindest Justizwachtmeister nennen und erhielt eine Uniform. Jetzt, im Ruhestand, trägt er natürlich wieder öfter Jeans. Zwar hat er im Alter von 60 Jahren sein Amt als Horgener Ortschaftsrat niedergelegt, nach Jahrzehnten im Musikverein "Frohsinn" Rottweil-Altstadt aufgehört und trat im Verkehrsverein seiner Heimatgemeinde kürzer. Dennoch: "Wenn die Vereine mich brauchen, kann ich sagen, ich mach’s oder ich mach’s nicht." So viel Freiheit bietet ihm sein Ruhestand. Zum Streichen des Horgener Sportheims hat er schon mal Ja gesagt.