Plötzlich ist nur noch von elf Wohnungen die Rede / Dass es doch genaue Pläne gibt, erzürnt den Schultes

Von Verena Schickle

Zimmern-Stetten. Hitzige Diskussionen, locker 60 Besucher und die Nachricht, dass das in der Mariazeller Straße 12 geplante Mehrfamilienhaus nur aus elf Wohnungen bestehen soll: Die Infoveranstaltung zum Neubau in Stetten hatte gestern Abend einiges zu bieten.

Über "Bombenstimmung" in Stetten hatte Ortsvorsteher Gerhard Wodzisz im vergangenen Oktober noch gewitzelt. Damals musste das gerade entdeckte Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden. Ob er geahnt hat, dass die Stimmung in der Eschachtalgemeinde so bald nochmals so explosiv werden könnte?

Gestern Abend, zu Beginn der Bürgerinfomationsveranstaltung anlässlich des geplanten Mehrfamilienhauses, war er sichtlich um Beschwichtigung bemüht. Erklärte, es handele sich bei dem Vorhaben bisher lediglich um eine Anfrage, beschrieb, wie die potenziellen Bauherren das Projekt im Dezember erstmals vorgestellt hatten, wie es dann in Ortschafts- und Gemeinderat kam. Ähnlich äußerte sich Bürgermeister Emil Maser später. Das Vorhaben sei öffentlich beraten worden, bisher sei es lediglich um ein Signal gegangen, ob sich der Ortschaftsrat solch ein Haus vorstellen könnte. Sprich: Noch sind keine Nägel mit Köpfen gemacht, noch liegt kein Bauantrag vor. Genauso wenig genaue Pläne zu dem Projekt – zumindest nicht der Verwaltung. Dass es sie gibt, sollte sich im Verlauf des Abends herausstellen. "Im Grund sind wir mit der Veranstaltung zu früh dran", meinte Maser. Allerdings: Diskussionsbedarf besteht längst, das wurde im überfüllten Mehrzweckraum des Feuerwehrhauses überdeutlich.

Zunächst jedoch zeigte sich, dass die Proteste aus der Bevölkerung – Anlieger hatten einen offenen Brief an Bürgermeister und Gemeinderat geschrieben, sammeln außerdem Unterschriften gegen das Vorhaben – erste Wirkung gezeigt haben. Alexander Engraf, stellvertretender Geschäftsleiter der eigens gegründeten Tribus Wohnbau GmbH, erklärte, die Zahl der geplanten Wohnungen sei aufgrund der Resonanz aus der Bevölkerung auf elf reduziert worden.

Hinter Tribus steht eine etwas eigenartige Konstruktion: Beteiligt sind Alexander Engraf, die neue Eigentümerin des Grundstücks Mariazeller Straße 12 und die KuG Wohnbau GmbH in Rottweil. Für diese wiederum mischt Alex Kropatschew mit – nach eigenen Angaben externer Berater des Bauträgers und technischer Betriebsleiter von KuG. Dieser wiederum hatte in Stetten gestern seine liebe Not, denn Fragen hatten die anwesenden Bürger genug. Eine seiner Antworten: "Die genaue Planung steht noch nicht" wegen der Reduzierung der Wohneinheiten. Voraussichtlich aber werde es zehn Tiefgaragen- und fünf bis sieben Stellplätze im Außenbereich geben, antwortete er auf die Frage eines Zuhörers, der die Mariazeller Straße schon vollgeparkt sieht.

"Wer soll da einziehen?", wollte Claudia Hils, eine der Unterzeichnerinnen des offenen Briefs, wissen. Für vierköpfige Familien seien die Wohnungen gut geeignet, befand Kropatschew. Aber auch für Senioren. Der Verkauf laufe zwar noch nicht, aber es gebe drei Nachfragen.

Der direkte Nachbar Klaus Hils wollte wissen, was den Standort für Kropatschew attraktiv mache. Antwort: Die Nähe zur A 81, zu Geschäften in umliegenden Gemeinden, Kindergarten und Schule vor Ort. Das wollte Hils so nicht stehen lassen. Ob Kropatschew wisse, dass viele Traktoren die Mariazeller Straße benutzen? Da sei es nicht ruhig auf den geplanten Balkonen. Und lege man diese auf die Gebäuderückseite, fehle es an Sonne. Mancher der Anwesenden befürchtet aus diesen Gründen im Neubau ein Kommen und Gehen der Bewohner. "Eine hohe Fluktuation bedeutet Unruhe im Ort." Und was werde aus dem Gebäude, wenn es irgendwann gar leer stehe?

Als Claudia Hils dem Ortsvorsteher vorwarf, manche Anwohner seien über das Projekt informiert worden, andere nicht, wurde der Ton rauer. "Ich gehe nicht hausieren und lauf in der Mariazeller Straße von Haus zu Haus", erklärte Gerhard Wodzisz. Vielmehr habe er mit denen gesprochen, die ihm begegnet seien.

Ein älterer Zuhörer brachte schließlich auf den Punkt, was die meisten umtreibt: Ein 14-Familien-Haus "ist etwas Übertriebenes in Stetten". "Die Bevölkerung ist aufgewühlt", beschrieb ein andere. Und Andreas Jauch meinte: "Es stört uns doch nur die Zahl, die draufsteht. Machen wir sechs draus." Dafür gab’s Applaus.

Als Klaus Hils forderte, man müsse die Anwohner der Mariazeller Straße einbinden, brachte Alex Kropatschew mit seiner Entgegnung in der ohnehin erhitzten Stimmung ein Bömbchen zum Platzen: Er deutete an, dass ausführliche Pläne für den Entwurf mit 14 Wohnungen existieren. Gegenüber der Gemeinde war davon nie die Rede. "Sie haben uns mächtig aufs Kreuz gelegt", regte sich Bürgermeister Emil Maser auf. Immer habe es geheißen, es gebe noch keine genauen Pläne. "Da stelle ich mir die Frage: Was steckt dahinter?", meinte Maser. Sein Gegenüber versuchte zu beschwichtigen – erst jetzt seien sie fertig.

Gegen Ende meldeten sich dann noch die bisher schweigenden Ortschaftsräte zu Wort. Stefan Jauch bilanzierte, dass die "großartige Veränderung" durch die unter Umständen 30 bis 40 zuziehenden Personen offenbar das Problem sei. Andreas Bihl sah den Knackpunkt anderswo: "Die einzige Angst ist, dass hier sozial Schwache herziehen" – bei Kaufpreisen um die 150 000 Euro ist diese seiner Meinung nach unbegründet. Und Lothar Seiter und Eva Trost mahnten, es gebe viele leer stehende, alte Häuser. Antwort Claudia Hils: "Wir Anwohner begrüßen ja, wenn Leben reinkommt. Aber es muss doch nicht so groß sein."

In diesem Spannungsfeld bewegte sich die Diskussion. Am Ende blieb es bei den gegensätzlichen Meinungen, der Ankündigung des Bürgermeisters, es werde eine weitere Infoveranstaltung geben, aber auch bei der Gewissheit: Etwas wird kommen. Denn das Grundstück hat Tribus gekauft. Wie heißt es doch so vielsagend auf der Beschreibung des Bauvorhabens, die Alexander Engraf verteilte: "Leben heißt Veränderung."

Von Verena Schickle

Die paar, die es bis gestern Abend noch immer nicht geglaubt hatten, wurden in Stetten eines Besseren belehrt: Ohne gelungene Kommunikation geht nichts. Zuerst machte die Nachricht vom 14-Familien-Haus im Ort auf die altmodische Art und Weise die Runde, dann standen die Informationen für alle lesbar in der Zeitung. Solch eine Überrumpelung wollen sich gerade die Anlieger in der Mariazeller Straße nicht gefallen lassen: Die Stettener möchten schlicht von Anfang an mitreden. Dass Bürgerbeteiligung nicht früh genug stattfinden kann, können sich Ortschaftsrat und Verwaltung fürs nächste Mal merken. Auch der Bauträger darf notieren: Informationen in Tröpfchenform sind der falsche Weg. Existierende Pläne gehören auf den Tisch – damit alle Beteiligten so früh wie möglich wissen, womit sie es zu tun haben. Nur so gelingt Kommunikation.