Papageno (Ruben Drole) mit Papagena Foto: Michel

An der Oper Zürich hat Tatjana Gürbaca „Die Zauberflöte“ als intelligente, bunte Musiktheater-Revue inszeniert – und Cornelius Meister dirigiert einen Mozart der Extraklasse.

Zürich - So könnte es doch gewesen sein. Mozart, also das Genie, das auch ein Kasperl war, und sein Kumpel Emanuel Schikaneder albern auf der Bühne herum, spielen, singen, und heraus kommt: eine Posse mit Musik. Eine Oper. „Die Zauberflöte“. Wenn dies wirklich so gewesen ist, dann dürften sich der Komponist und sein Textdichter beim Blick auf die bemühten Versuche Nachgeborener, das bunte, wirre Stück zu verstehen und ihm eine Logik zu verordnen, posthum vor Lachen die Bäuche gehalten haben.

Weg also mit dem Kopf, und her mit dem Spiel! Das mag sich die Regisseurin Tatjana Gürbaca gedacht haben, als sie „Die Zauberflöte“ jetzt in Zürich auf die Bühne brachte: Auf, vor und in der schlichten Kulisse eines Haus-Rohbaus, den Klaus Grünberg auf die Drehbühne gestellt hat, erdachte sie Bilder, aber (fast) keine Erklärungen.

Dass das Ergebnis zwingend ist, liegt auch an der Musik. Cornelius Meister, auswendig dirigierend, streichelt Mozart – und hält gleichzeitig mit schönen, präzisen Bewegungen die Zügel straff. In der Folge macht die Alte-Musik-Truppe des Zürcher Opernorchesters, die unter dem Namen La Scintilla auftritt, eine Fülle fein abgetönter Klangfarben hörbar, und nimmt man ein paar wenige Wackler bei den Bläsern einmal aus, dann hat das nahezu CD-Perfektion.

Exzellentes bieten auch die Sänger. Da ist Mauro Peter, ein feiner, empathischer Tamino, der sogar die Bildnis-Arie so geschmackvoll singt, dass man sie wieder mögen kann. Da ist Ruben Drole als Papageno mit enormer Spielfreude – dass er manchmal beim Singen etwas schleppt, stört nur wenig, und der Meister am Pult, der auch ein exzellenter Sänger-Begleiter ist, fängt das geschickt auf. Sen Guo ist eine strahlende, durchaus auch mütterliche wenngleich nicht in jedem Detail ihrer vielen Koloraturketten makellose Königin der Nacht. Christof Fischessers stimmschöner Sarastro hat nichts Salbungsvolles und Distanziertes. Und Mari Eriksmoen gibt die Pamina trotz Erkältung mit bezaubernd beweglicher, fast knabenhaft reiner Stimme.

Mit diesem jungen, beweglichen Team und mit einer Kostümbildnerin (Silke Willrett), die sich hier mal richtig austobt, inszeniert Tatjana Gürbaca so etwas wie eine bunte Opernrevue. Thema: der Zusammenprall von Natur (Königin der Nacht) und Kultur (Sarastro ist ein Architekt, der gemeinsam mit seinen Frei-Maurern das verlassene Haus ordentlich und zweckmäßig renoviert). Für die Natur stehen viel Baumgeäst (auch in kleiner Form als abstrakte Symbole für Zauberflöte und Glockenspiel) und qualmende Feuerstellen, täuschend echt wirkende Hühner, ein philosophisch ziemlich beschlagener, stark behaarter Monostatos, der bei der Ouvertüre noch erotisch mit Pamina verbandelt ist, sowie ein Heer putziger Wanzen, die allen Kammerjägern zum Trotze das Haus Sarastros besiedeln.

Die Zwischentexte hat die Regisseurin teilweise stark verändert, und Filmprojektionen gibt es ebenfalls: mal als Bilder, mal als bloßes Flimmern, das einzelnen Szenen die Anmutung von Traum-Sequenzen verleiht. „Hier sind wir diesseits vom Jenseits“, sagt Papageno einmal. Das Publikum lacht. Diesseits vom Jenseits ist der ganze Abend. In dieser quicklebendigen, intelligenten „Zauberflöte“ kann man sich nicht langweilen. Und das ist schon ganz schön viel.